Hans-Josef Fell bleibt sich treu. Als 61-Jähriger ist der ehemalige Gymnasiallehrer und bald Ex-Abgeordnete wirtschaftlich abgesichert, sagt er, macht aber dennoch nur eine allgemeine Ansage zu seiner beruflichen Zukunft. Nämlich, dass er auch seinem Thema, seinem Ziel treu bleibt: 100 Prozent erneuerbare Energien.
„Es gibt kein Zurück mehr zu Atom und Kohle – dafür stehe ich und dafür werde ich weiterarbeiten“, sagt er am Sonntagabend zu der kleinen Schar grüner Getreuer mit Blick in die Fernsehkamera. Die Wahlparty im Gasthaus Zum Adler in Langendorf ist eine schmerzhafte, wenngleich sie absehbar war. Auf Listenplatz zwölf gesetzt, hätte er nur bei einem guten Ergebnis der Grünen Chancen auf eine Wiederwahl gehabt. Doch schon nach der ersten Hochrechnung ist Fell klar: „Das war's.“ Das letzte Fünkchen Hoffnung ist verglimmt. Nach 15 Jahren heißt es, Abschied nehmen aus dem Parlament.
„Trotz der großen Enttäuschung über den Verlust meines Bundestagsmandates werde ich nicht aufgeben in dem starken Kampf für erneuerbare Energien.“ Ein bisschen trotzig klingt das aus dem Munde eines Mannes, der seine Tränen nur mühsam zurückhalten kann. „Die Gesellschaft braucht das“, sagt Fell, der Überzeugungstäter.
Zwischen ihm und der Leinwand mit den Fernsehbildern sitzen Bezirksvorsitzende Eva Pumpurs, die mit ihrem neuen Styling kaum noch Ähnlichkeit hat mit der langhaarigen Brünetten, die noch vor einer Woche von den Wahlplakaten lächelte, sowie Monika Horcher, eine der vier Kreisvorsitzenden. Auf der anderen Seite Fells Frau, Fells Schwester, Fells Schwägerin.
Emotional beherrscht, aber deutlich tadelt Fell seine Partei wegen deren Unprofessionalität, Leistungsträger auf hintere und damit – wie sich herausstellt – aussichtslose Listenplätze zu setzen. sagt. Dabei denkt er auch an Landesvorsitzende Theresa Schopper, die es nicht mehr in den Landtag schaffte, oder Jerzy Montag, den rechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, den die grünen Delegierten auf Platz 16 verbannten.
„Wir sind uns dessen bewusst“, verteidigt Horcher diese Mehrheitsentscheidung vor Publikum mit Verweis auf den „basisdemokratischen Entscheidungsprozess“ als Grundlage grüner Politik. Dies habe 1998 dazu geführt, dass Fell bei seiner ersten Kandidatur als Newcomer einen guten Listenplatz bekommen habe und gewählt wurde. „Jetzt hat das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen.“
Auf der Wahlparty reagiert der Abgeordnete nicht darauf. Wohl aber, nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hat, auf Anfrage der Main-Post: Er habe damals schon extrem viel auf bayerischer Ebene gemacht, widerspricht er. Als Stadtrat habe er dafür gesorgt, dass in Hammelburg sein Modell der kostendeckenden Vergütung 1997 deutschlandweit erstmals durchgeführt wurde – ein Modell, das vielfach übernommen wurde, nicht nur von Nürnberg, München, Würzburg und Darmstadt. „Ich bin wegen der Inhalte reingekommen.“ Nüchtern und sachlich stellt er seine Sichtweise dar.
Der zweite Grund für die Schlappe der Grünen sieht er darin, dass deren Kernthema, sein Thema, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle spielte. „Eigentlich hätte der große Erfolg dazu führen müssen, dass viele Menschen sagen: Liebe Grüne, es war eine gute Politik, jetzt haben wir die Solaranlagen und Windräder und das Biogas, jetzt können wir uns ablösen von Erdöl und Erdgas, von Kohle und Uran, und müssen nicht mehr fürchten ob Saudi-Arabien uns vielleicht wieder mal den Erdöl-Hahn oder Gasprom den Gashahn zudreht“, sagt er.
„Das wird alles massiver kommen in diesen welt-instabilen Tagen“, ist Fell überzeugt. „Wir sehen ja: Wo die Energie herkommt, sind die massiven Konflikte. Aber nein, Deutschland lässt sich einlullen von dieser Propagandakampagne der konventionellen Energiewirtschaft und sieht nicht die Tragfähigkeit, die in dieser Entwicklung schon gegeben ist.“ Diese Gedanken hat er sich offensichtlich schon vor dem Wahlabend zurechtgelegt. So ähnlich nämlich sagt er es in seiner erster Reaktion nach Verkündung der ersten Hochrechnung, so ähnlich spricht er auch ins Mikrofon der Reporter.
Der Titel seines jüngst auf Deutsch erschienenen Buches bleibt sein Ziel: „Globale Abkühlung“ – durch 100 Prozent erneuerbare Energien und biologische Landwirtschaft. Dem werde er vermehrt seine Kraft widmen in den nächsten Monaten und Jahren, kündigt er an. „Und ich spüre, dass viele, viele Menschen mitziehen werden und dass es auch außerhalb des Bundestags Möglichkeiten gibt, dieses zu befördern.“
Fragen nach seiner beruflichen Zukunft blockt der 61-Jährige (Pardon: In der Wahlhektik wurde er im gestrigen Bericht zwei Jahre älter gemacht) kategorisch ab: „Das werden die nächsten Wochen zeigen“, sagt er. „Ich habe mich bisher nicht darum gekümmert.“ Fell bleibt sich treu: Gegackert wird erst, wenn das Ei gelegt ist. So wie beim Gesetz zur erneuerbaren Energie. Fells energiepolitisches Kind. Am Wahlabend symbolisch vertreten durch kleine grüne Briefchen auf den Tischen, mit der Aufschrift: „Erneuerbare Energien“. Inhalt: Traubenzucker.
Die Torte mit dem Konterfei Fells, die Schwägerin Irene mitgebracht hat, wird zu späterer Stunde, nach dem kalten Buffet, angeschnitten. Da stoßen noch einige Wahlhelfer zu dem Dutzend Freunde, die Fell in dem (pardon: noch nicht nach Hammelburg eingemeindeten) Elferhausener Ortsteil den Rücken stärken.
„Tja,“ hat Fell zuvor einmal tief geseufzt, „damit war wohl meine Teilnahme im Deutschen Bundestag Geschichte.“ An seiner Geschichte aber wird er sicherlich weiterschreiben. Sein Akku scheint noch lange nicht leer. Voll von erneuerbarer Energie.