Seit Samstag steht am Radweg in Kleineibstadt auf einem großen Stein die Nachbildung eines Koffers. Eine Informationstafel, gestaltet von Kreisheimatpfleger Reinhold Albert, gibt Auskunft: Der Koffer erinnert an die aus Kleineibstadt und Königshofen deportierten Juden in der Zeit des Nationalsozialismus.
Initiatorin dieser Gedenkstätte war Gemeinderätin Birgit Reder-Zirkelbach, der ehemalige Bürgermeister Emil Sebald und Kreisheimatpfleger Reinhold Albert. Sebald erinnerte in seiner Rede daran, dass mehr als zehn Jahre ins Land gingen, bis die steinerne Nachbildung des Koffers nun aufgestellt werden konnte und man damit auch an das Leid der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Kleineibstadt und im Grabfeld erinnert.
Die Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten
Dafür bedankte sich Benita Stolz, Ideengeberin des Vereins DenkOrt Deportationen in Würzburg. Sie sagte, dass nun auch ein solcher Koffer als Gegenstück am Gedenkort am Würzburger Hauptbahnhof steht. Insgesamt sind es mittlerweile 60 verschiedene Gepäckstücke, die an die Deportation unterfränkischer Juden erinnern. Die Juden selbst mussten diese Reise in den Tod bezahlen, ihr Vermögen auflisten und Wertgegenstände abgeben. Außerdem sollten sie Proviant für drei bis vier Tage mitnehmen. Ihr gesamtes Vermögen wurde dann beschlagnahmt. "Solche Gedenkorte sind Unterfranken weit wichtig, damit diese Geschichte nicht in Vergessenheit gerät", sagte Benita Stolz.
Die Koffer erinnern an 2000 Jüdinnen und Juden
Eine Aussage, die auch Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert unterstrich. Er zitierte den ehemaligen israelischen Staatspräsidenten Chaim Herzog: "Nur die Toten haben das Recht zu verzeihen und den Lebenden ist es nicht erlaubt, zu vergessen." Der Koffer am Hauptbahnhof in Würzburg erinnere an die über 2000 in Unterfranken wohnenden jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen, darunter auch aus Königshofen und dem Grabfeld, die von hier und vom nahen Verladebahnhof Aumühle in die Todeslager der Nationalsozialisten geschickt wurden.
Kleineibstadt hat viele berühmte jüdische Söhne und Töchter
Reinhold Albert dankte der Gemeinde Großeibstadt für diesen Gedenkort. Der Standort am Radweg sei sehr gut gewählt, damit auch Fremde an diese Zeit erinnert werden. Kleineibstadt könne stolz auf seine Geschichte sein, denn hier lebte Charlotte Knobloch, ehemalige Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinden in Deutschland. Außerdem stammen die Vorfahren des früheren US-Außenministers Henry Kissinger aus Kleineibstadt. Besonders berührt habe ihn das Schicksal der Kleineibstädter Jüdin Jenny Stumpf. Es ist bekannt, dass die Kleineibstädter sie beschützten.
Bürgermeister Gerd Jäger sagte, dass man den Gedenkort bewusst am ehemaligen Bahnhof in Kleineibstadt gewählt habe, da von hier aus die Deportation erfolgte. Altbürgermeister Emil Sebald dankte Benita Stolz, dass sie solche Gedenkorte initiierte. Erinnert hat er aber auch daran, dass es mehr als zehn Jahre gedauert hat, bis das Projekt umgesetzt wurde.
Auslöser für ihn, das Projekt zu unterstützen, sei ein Gedenkmarsch in Würzburg gewesen, und zwar auf dem Weg, den 852 Jüdinnen und Juden zum Bahnhof gingen. "Die Stimmung war bedrückend." Er und Birgit Reder-Zirkelbach trugen Schilder mit den Namen der letzten jüdischen Mitbürger aus Kleineibstadt.
Emil Sebald machte bei der Gedenkfeier deutlich, dass diese genau an dem Platz stattfindet, an dem die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger damals ihren Weg nach Würzburg antreten mussten. Der ehemalige Bürgermeister berichtete von Kontakten mit den drei Reinholds-Geschwistern Marianne, Rudi und Manfred, die 1935 nach Amerika auswanderten.
Schulprojekte zum Thema Deportation
Rainer Seelmann, Geschichtslehrer am Gymnasium Bad Königshofen, verwies auf ein Schulprojekt, bei dem seine Schülerinnen und Schüler die jüdische Geschichte im Grabfeld aufarbeiteten. Ein Thema sei auch die Deportation gewesen. Heraus gegriffen hat Seelmann die Geschichte von Justin Hofmann, die die Schülerinnen und Schüler ebenfalls aufarbeiteten. Dies alles sei heute im Stadtarchiv in Bad Königshofen hinterlegt.
Birgit Reder-Zirkelbach wies darauf hin, dass es lange dauerte, bis endlich der Gedenkstein aufgestellt werden konnte. "Wir haben es geschafft und ich hoffe, dass viele weitere Gemeinden unserem Beispiel folgen." Die Gemeinderätin erinnerte an die Familie Reinhold und ihren persönlichen Kontakt zu einer jüdischen ehemaligen Bürgerin in Berlin.
Josef Demar dankte Benita Stolz für die deutlichen Worte in ihrer Rede in Kleineibstadt. Als stellvertretender Landrat freue er sich darüber und dass sie zur Gedenksteinübergabe kommen konnte. Sein Dank galt dem Gemeinderat von Großeibstadt, der die Aufstellung ermöglichte. Auch die Arbeit des Kreisheimatpflegers Reinhold Albert könne nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Der Gedenkort am Radweg in Kleineibstadt hole die Thematik Deportation die Gegenwart und gebe ihr neue Aktualität. Gerade die heutige gesellschaftliche Polarisierung, Rassismus und Antisemitismus und auch der Fremdenhass würden die Bedeutung dieses Gedenkortes deutlich machen.