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„Das war wie ein Sechser im Lotto für die DJK“
Das Gespräch führten Oliver Schikora und Günter Madrenas
 |  aktualisiert: 18.08.2007 03:06 Uhr
Er ist gut gelaunt und mit sich im Reinen. Eduard Arnold, 58 Jahre alt, Musiker und selbstständiger Ofenbauer aus Waldberg, war der Motor hinter dem Spiel des Jahrhunderts für den Landkreis Rhön-Grabfeld: Am 15. August 1997 spielte der damalige Landesligist DJK Waldberg mit Spielertrainer Werner Dreßel gegen den FC Bayern München. Die DJK verlor 1:16, doch Arnold und seinen Helfern war es gelungen, gut 36 000 Zuschauer ins Nürnberger Frankenstadion zu locken. Der verheiratete Ofenbaumeister aus dem Rhöndorf war zehn Jahre Vorsitzender der DJK und trat 1999 nach Querelen im Verein zurück. Er hat sich völlig vom Fußball zurückgezogen, widmet sich heute seiner Firma und seiner Familie und vor allem seinem Hobby, der Musik. Arnold baut kreative Kachelöfen, die Kunstwerke sind und auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmt werden. Sein neuestes Werk ist eine 4,40 Meter hohe Feuertrompete, die auf dem Firmengelände steht. Arnold musiziert mit Volksmusikanten aus der Steiermark, Salzburg, Südtirol und dem Pongau, gestaltet Gottesdienste auf dem Kreuzberg und ist mit seinen Rhöner Blechbläsern des öfteren in Bad Brückenau, auf dem Kreuzberg oder auf dem Frauenberg in Fulda zu hören. Im Exklusiv-Interview mit der MAIN-POST erinnert sich Arnold an das legendäre Pokalspiel und lässt auch die unangenehmen Begleiterscheinungen in den Monaten nach dem Spiel nicht außen vor.

Frage: 15. August 1997, was fällt Ihnen zu diesem Tag ein?

Eduard Arnold: Ein tolles Fußballfest mit vielen, vielen tollen Erinnerungen, wahnsinnig viel Stress und Vorbereitung, aber letztendlich ein schönes Fußballfest mit schönen Stunden, regelrecht Sternstunden.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als bei der Auslosung der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde in der Sportschau die DJK den FC Bayern zugelost bekam?

Arnold: Mein erster Gedanke war, das ist ein Sechser im Lotto für die DJK. Ich wusste sofort, das ist ein absoluter Knaller, der mit einer wahnsinnigen Arbeitsbelastung verbunden sein wird. Ich habe in den sechs Wochen vor dem Spiel pro Tag höchstens sechs Stunden geschlafen, wenn überhaupt. Ich bin damals nachts um drei oder vier Uhr, wenn ich nicht schlafen konnte, aufgestanden und habe den nächsten Tag vorbereitet. Es war mit sehr viel Schweiß und Arbeit verbunden.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, nach Nürnberg ins Frankenstadion zu gehen?

Arnold: Mir war schon nach der Auslosung klar, dass dieses Spiel Massen von Zuschauern sehen wollen. Ich hatte als Option schon vor der Auslosung Nürnberg freigehalten, das Kickers-Stadion in Würzburg und Borussia Fulda. Das Ganze resultiert aus einem Brief des WDR, den ich vorher bekommen habe, in dem stand, 'Sehr geehrter Herr Arnold, stellen Sie sich vor, DJK Waldberg gegen FC Bayern München, so könnte ein Traumlos aussehen'. Als ich das gelesen habe, habe ich mir gedacht, das könnte wahrlich passieren. Das Stadion in Nürnberg war frei, in Schweinfurt waren süddeutsche Leichtathletikmeisterschaften und dann ist die Lawine losgegangen.

Hätten Sie gedacht, dass es so eine Lawine wird?

Arnold: Ich hatte damit gerechnet, aber in meinen kühnsten Träumen nicht, dass es so schlimm wird. Wir hatten in den ersten Tagen 1000 und mehr Anrufe pro Tag. Es war schon hammerhart.

Wie sind Sie damals vorgegangen, nach der Auslosung waren ja nur wenige Wochen bis zum Spiel?

Arnold: Wir kamen mit dem ICE nach der Auslosung in Würzburg an, da hat mein Sohn angerufen und gesagt, du musst heim, hier ist die Hölle los. Am ersten Tag waren schon 10 000 Karten vorbestellt. Dann rief auch noch der Gerd Rubenbauer an und fragte, ob wir nicht mit einem aktuellen Spieler und einer Delegation zu Blickpunkt Sport gehen. Dann habe ich den Danny Metz eingeladen, mein Sohn Markus hat uns gefahren und wir sind zu Blickpunkt Sport. In der Nacht sind wir zurück und am nächsten Tag haben wir uns im Vorstand zusammen gesetzt und besprochen, wie wir das organisieren.

Wie war denn die Zusammenarbeit mit dem FC Bayern und Uli Hoeneß?

Arnold: Wir hatten überhaupt keinen Kontakt bis einen Tag vor dem Spiel, als er versucht hat, mich mit einem Anruf und Geschrei unter Druck zu setzen, bei dem ich dann gesagt habe, dass ich nicht sein Angestellter und Dienstbote bin und er sich im Ton mäßigen soll. Das hat er nicht gemacht und dann habe ich das Gespräch beendet. Ich hatte aber auch schon kurz nach der Auslosung in der Geschäftsstelle des FC Bayern München angerufen und hatte Herrn Hopfner (Geschäftsführer des FCB, Anm. d. Red.) als Gesprächspartner am Telefon. Ich brachte mein Freude zum Ausdruck und wollte Hopfner den Vorschlag machen, nach München zu kommen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Mein Gegenüber legte eine Arroganz an den Tag, wie ich sie nur wenige Mal erlebt habe. Der FCB wolle mit dem Spiel nichts zu tun haben, das sei unsere Kiste, bekam ich zu hören. Ich dachte mir dann, wenn das unsere Kiste ist, dann zeige ich es euch.

Es gibt ja die Geschichte, dass Hoeneß für 20 Tore der Bayern der Mannschaft eine Extra-Prämie zahlen wollte.

Arnold: Das habe ich von mehreren Seiten gehört. Ich hatte in keinem Interview gesagt, dass wir eine Chance haben. Wir wussten, dass hier VW Käfer gegen Ferrari fährt. Es war für mich ein Erlebnis, dass der FC Bayern München gegen Waldberg spielen musste. Wir durften nicht gegen die spielen, sondern die mussten gegen uns spielen, das war ja ein Pflichtspiel. Das muss man erstmal erreichen, darauf bin ich schon ein wenig stolz.

Welche Erinnerungen haben Sie direkt an das Spiel?

Arnold: Eigentlich nur die besten. Eine war besonders hektisch, es war mittags, es war heiß, da ruft auf einmal mein Sohn an, sagt, ich solle mich bei der Polizei melden, es gäbe Smogalarm, das Spiel könne nicht stattfinden. Dann bin ich sofort ins Stadion, wir haben die Schiedsrichter geholt und auf den Polizeichef eingeredet, das Spiel fand dann eine halbe Stunde später statt. Ich war frisch geduscht und danach wieder klitschnass. Aber dann vor dem Spiel habe ich Giovanni Trapattoni (damals Trainer der Bayern, Anm. d. Red.) getroffen, das ist halt ein Gentleman, ein Weltmann. Der hat mir in seinem gebrochenen Deutsch die besten Komplimente gemacht, da hat man gemerkt, der freut sich mit uns, dass so ein Dorfverein gegen diesen Weltklub spielen darf.

Was haben Sie gedacht, als Peter Haase das 1:2 für die DJK geschossen hat?

Arnold: Da habe ich mich einfach nur gefreut für den Peter. Da war auf einmal so eine Welle und so eine Euphorie, dass die wahrlich gedacht haben, das packen wir. Aber die Bayern haben ja angefangen wie die Wirbelwinde, das war mir klar. Wir haben Länderspielkulisse gezaubert mit einem Dorfklub mit 680 Einwohner und nicht mal 400 Mitgliedern. Ich war vom 1:16 nicht enttäuscht, ich war einfach nur glücklich. Ich habe gewusst, abends ist das Bankett, wir sind im Hotel und feiern und alles war gut. Für mich war das Ergebnis zweitrangig.

Peter Haase hat neulich beim Spiel der 97er-Elf in Pfändhausen gesagt, sie seien zu viele Bayern-Fans gewesen.

Arnold: Da hat er wohl recht, aber da kann man ja keinem einen Vorwurf machen. Es ist halt VW gegen Ferrari gefahren.

Sie haben gerade gesagt, am Abend nach dem Spiel war alles gut. In den Monaten und Jahren danach war ja bekanntermaßen nicht alles gut. Haben Sie Fehler gemacht, bereuen Sie manche Entscheidungen zehn Jahre danach?

Arnold: Ich habe sicher Fehler gemacht, das gebe ich auch zu. Aber ich habe mir bei diesem Spiel bei der Abrechnung nichts zuschulden kommen lassen. Ich würde nur heute versuchen, nicht mehr gegen Widerstände anzugehen. Das Leben ist in so einer kleinen Ortschaft so, dass nach diesem Spiel nichts mehr kommen kann. Das Spiel war der Zenit. Es ist danach viel in Frage gestellt worden und ich musste danach eben ertragen, dass ich als Sündenbock aufgebaut wurde.

Wie erklären Sie sich die Debatten und den Streit? War das Bayern-Spiel der Anfang vom Ende für die DJK, die sich in der Saison 2000/2001 sogar aus der Landesliga Nord wegen finanzieller Probleme zurückziehen musste?

Arnold: Das Bayern-Spiel war ein finanzieller Erfolg und ich hatte vorher die Mannschaft und den Trainer über Sponsoring abgefedert. Nach dem Spiel sind viele Sponsoren weggeblieben mit der Begründung, die DJK habe ja nun Geld. Zwei Drittel des Etats sind weggebrochen, dann ist der Platz saniert worden und die Toiletten und auch die Mannschaft musste weiter finanziert werden. Dann kamen verschiedene Leute, die sich Arbeiten haben bezahlen lassen, was nicht Sinn und Zweck ist eines Gemeinwesens.

Gibt es ein konkretes Ereignis, bei dem Sie nach dem Bayern-Spiel anders handeln würden?

Arnold: Ich würde Mannschaft und Trainer nicht mehr protegieren.

Sie sind 1999 als Vorsitzender zurückgetreten, waren Sie seither wieder auf dem Fußballplatz?

Arnold: Nein, ich habe mich vollkommen vom Fußball gelöst. Es hat weh getan, ich war Fußballer mit Leib und Seele und auch Funktionär mit Leib und Seele. Ich habe das durchaus genossen, die DJK in Gefilde zu führen, wo man nicht nur den Ort, sondern die Region repräsentiert. Für mich war die DJK das Aushängeschild der Rhön, so habe ich den Verein geführt und das ist sicher bei manchen nicht so angekommen.

Haben Sie noch Kontakte zu ehemaligen Spielern, Funktionären, Mitstreitern?

Arnold: Nein. Ich hätte mich zwar über eine Einladung für das Revival-Spiel gefreut, auch wenn ich nicht weiß, ob ich hingegangen wäre. Na ja, so ist halt das Leben.

Heute widmen Sie sich neben Ihrem Geschäft hauptsächlich der Musik.

Arnold: Ich mache ja schon fast 50 Jahre Musik. Meine Frau hat mich damals gefragt, warum ich mir meinen Namen kaputt machen lasse, aber in der Musik den Menschen Freude schenke. Meine Tochter ist 1988 gestorben und ich hatte mich in die Arbeit gestürzt und mich durch die DJK auch betäubt. Ich war ständig unterwegs, bin vielleicht vor der Trauer davon gelaufen. Ich merke, dass mir die Musik gut tut und meine Frau hatte Recht mit dem, was sie gesagt hat.

Wird es irgendwann das Buch „Eduard Arnold – 1997, die Memoiren“ geben?

Arnold: Das habe ich all die Jahre geplant, aber ich habe so viel Arbeit, dass ich jetzt keine Zeit habe. Wenn ich dann mal Rentner bin, dann mache ich das, denn untätig kann ich nicht sein. Es war eine tolle Zeit, ich möchte sie nicht missen. Wenn man von ganz oben nach ganz unten fällt, das muss man auch mitmachen. Dann kann man beide Seiten betrachten und sagen, das und das würde ich anders machen und manchen Menschen anders begegnen, denen man damals weh getan hat. Das lernt man nur, wenn man allein ist. Ich gehe nicht mehr auf den Fußballplatz, weil ich mit dem Kapitel abgeschlossen habe. Aber ich habe das Pokalspiel der Bayern im Fernsehen gesehen und ich muss sagen, wenn Burghausen gewonnen hätte, das hätte mich schon gefreut.

 
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