Das Thema „Wolf“ bewegt: Das bewies ein Vortragsabend im Biosphärenzentrum Rhön „Haus der Schwarzen Berge“ in Oberbach, zu dem Michael Geier, Leiter der Bayerischen Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön, mehr als 70 Gäste begrüßte. In der Reihe „In der Rhön, für die Rhön“ sprach Maximilian Hetzer zum Thema „Reproduktionsbiologie beim europäischen Grauwolf (Canis lupus)“.
Maximilian Hetzer, im Hauptberuf Revierförster im Forstbetrieb Rothenburg o.d. Tauber der Bayerischen Staatsforsten, forscht seit 2015 zusammen mit weißrussischen Kollegen zum Verhalten der Wölfe in freier Wildbahn im westlichen Weißrussland. Sein Forschungsgebiet in Weißrussland ist deutlich dünner besiedelt als etwa die Rhön, aber keineswegs menschenleer. Alle Schalenwildarten, Rothirsch, Reh, Wildschwein, wie sie auch in der Rhön vorkommen, finden sich dort in guten Beständen – aber auch ihre Fressfeinde, vom Fuchs über Luchs und Wolf bis hin zum Braunbären. Sie alle werden von der ansässigen Bevölkerung bejagt.
Wildkameras
Anhand zahlreicher Fotos von Wildkameras und von Fotografen schilderte Hetzer eindrucksvoll den Lebensweg vom frisch geworfenen, blinden und tauben Welpen bis zum selbständigen Jungwolf. Vieles davon dürfte auch für am Thema seit längerem Interessierte neu und manches erstaunlich gewesen sein. Mit ganzer Länge in eine Wurfhöhle zu kriechen, um die frisch geworfenen Welpen zu zählen, hätte sich von den Gästen wohl niemand getraut. Natürlich kam sofort die Frage an Hetzer, wo denn die Fähe gewesen sei und ob sie ihre Jungen nicht verteidige. Antwort: Sie tut es nicht und geht dem Menschen aus dem Weg.
Auch die offenen, völlig ungeschützten Wurfkuhlen, die eine Fähe anlegt und in die sie ihre Welpen regelmäßig umsetzt, lösten Erstaunen aus. Es ließ sich erahnen, warum nach Hetzers Studien über ein Drittel der Welpen kein Jahr alt wird. Unerwartet war der Hauptgrund, warum Wölfe einer so hohen Sterblichkeit im Aufwuchsstadium unterliegen: 90 Prozent der Verluste an Wolfswelpen gingen auf das Konto des Luchses, erklärte Hetzer. Er halte sich damit einen Nahrungskonkurrenten vom Leib. Die Fotoserie einer Wildkamera über die Begegnung eines starken Luchses mit einem ausgewachsenen Wolfsrüden belegte eindrucksvoll, dass der Wolf nicht Herr im Wald ist: Der Wolfsrüde zog schwer verletzt von dannen.
Nicht füttern
Natürlich interessierte in der Diskussion das Verhältnis Mensch und Wolf. Hetzer betonte mehrfach die außerordentliche Intelligenz und Anpassungsfähigkeit des Wolfs. Ihm seien aus seinem Untersuchungsgebiet keine Übergriffe von Wölfen auf Menschen bekannt, obwohl Erstere sich regelmäßig auch in unmittelbarer Nähe der Dörfer bewegten und das Treiben der Menschen beobachteten. Er betonte jedoch eindringlich, dass vagabundierende, von der Neugier getriebene Jungwölfe, die immer wieder auch in die Dörfer gehen, keinesfalls gefüttert werden dürfen. Wenn die Einheimischen hingegen Wölfe jagen, dann nach alter Väter Sitte in Form der Lappen-Jagd, mit der ganze Rudel auf einmal ausgelöscht werden.