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Hollstadt
Briefe an die Redaktion: Das Selbstbewusstsein eines Ortes
Bearbeitet von Michael Mahr
 |  aktualisiert: 22.06.2024 02:37 Uhr

Zum Artikel „Kirchturm-Unterhalt wird zum Problem“ vom 18. Juni 2024
erreichte die Redaktion folgende Zuschrift:

Kirchtürme weisen gen Himmel. Sie erinnern den Menschen an Gott. Und sie dokumentieren das Selbstbewusstsein eines Ortes. Nicht selten haben gerade an den Kirchtürmen die politischen Gemeinden die Bau- beziehungsweise Teilbaulast. Das übersteigt inzwischen die Möglichkeiten mancher Kommune.

Diese Lasten entstanden übrigens selbstverschuldet, nicht etwa, weil die Kirchen den Staat schröpfen wollten. Im Zuge der Säkularisation von 1802 und 1803 beispielsweise wurde kirchliches Eigentum zum Bauerhalt von Kirchen und Pfarrhäusern durch den Staat beschlagnahmt und ohne Genehmigung des vormaligen Besitzers für sich genutzt. Dafür wurden die Baulasten übernommen, damit es nicht ganz so nach Enteignung roch.

Lang, lang ist's her. Und das damals Enteignete haben die Rechtsnachfolger, ohne an diese Verpflichtung zu denken, inzwischen in weiten Teilen längst verkauft oder versilbert. Die Baulasten aber sind geblieben. Auch am Wargolshäuser Kirchturm.

Ob nun viele oder wenige dort im Gottesdienst sind, ist wirklich keine Frage, die sich stellt. Geradeso wie ja die Frage, wie viele Autos fahren auch nicht gestellt und ins Verhältnis gesetzt wird, wenn Verbindungsstraßen zwischen unseren Dörfern für Millionenbeträge saniert werden. Diese Straßen sind eben vorhanden.

Auch die Frage, was es der Diözese Würzburg wert sei, einen Julius-Echter-Turm zu erhalten, ist falsch gestellt. Davon gibt es wirklich viele. Sie müsste lauten: Was ist der Turm den Wargolshäusern wert? Oder dem für die Bürger die Verwaltungsverantwortung tragenden Gemeinderat Hollstadt.

Kirchen und Kommunen werden zukünftig traurige und uns belastende Entscheidungen zu treffen haben. Gerade im Bereich der Immobilien und der Kirchgebäude. Aber es ist für uns Kirchen durchaus möglich, Gottesdienste – übrigens so wie in den ersten 400 Jahren unseres Bestehens – für die kleiner werdende Schar in Privathäusern zu feiern (vgl.: Apostelgeschichte 2, 42-47).

Oder in einem unbeheizten ehemaligen Getreidespeicher, wie unsere evangelische Gemeinde in Mellrichstadt über 60 Jahre lang, bevor wir Anfang der 1930er-Jahre unsere Kirche bauten (ohne kommunale Baulast und durch freiwillige Arbeitsleistung und Spenden). Wollen tun wir das nicht, aber wir könnten es, wenn wir es müssten. Unsere Existenz beruht nämlich in Christus und den Menschen und nicht in Steinen.

Schöner Kirchturm übrigens in Wargolshausen ...

Pfarrer Andreas Werner
97638 Mellrichstadt

 
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  • Andreas Werner
    Ja, geschichtlich ist Julius Echter freilich hochumstritten. In unserer Pfarrei gibt es aber such die evang. Kirche von Sondheim/ Grbfd. Mit einer Echter-Haube auf dem Turm, obwohl immer evangelisch. Ich wollte allerdings mit der Julius Echter Diskussion nicht eine Nebendiskussion eröffnen.
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  • Gerhard Zwierlein
    Was waren die Gründe für die abschätzige Behandlung der Kostenbeteiligung am Kirchturm:
    die historische Bedeutung eines Julius-Echter war es nicht. Da gäbe es wie angeführt, etliches in der Person Julius Echters, das man anführen könnte. Das waren aber leider nicht die Gründe für die Entscheidung. Es ist die geringe Wertschätzung der Kirche innerhalb des Entscheidungsgremiums. Wer braucht schon eine Kirche! Es fehlt das Gefühl, was "unsere Existenz" braucht.
    ---
    " Unsere Existenz beruht nämlich in Christus und den Menschen und nicht in Steinen" schreibt uns hier ein evangelischer Pastor aus dem benachbarten Mellrichstadt zur katholischen Wertschätzung des Kirchturms in Hollstadt-Wargolshausen. Luther hätte sich über einen solchen Satz gefreut. Man könnte meinen, dass es einen besseren Beweis nicht gibt, als dass seine Vorwürfe der Verweltlichung der kathol.Kirche mit den imposanten Julius-Echter-Kirchtürmen " in Stein gemeißelt werden". Pastor Werner hat vollkommen recht!
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  • Gerhard Zwierlein
    es ist gerade der Echter-Turm, der in der heutigen Rückschau keine Wertschätzung verdient. Historisch gehört Julius Echter nicht zu den Glanzlichtern der christlichen Nächstenliebe. Echter darf im sogenannten Fuldaischen Handel, bei dem er sich das Bistum Fulda unter den Nagel gerissen hat, mit Fug und Recht als Dieb bezeichnet werden. Erst nach einem 25 Jahren Gerichtsstreitigkeiten mit Papst und Kaiser musste er sein "Diebesgut" wieder samt Prozesskosten zurückgeben. Bekannt ist er noch als Hexenverfolger: im letztem Regierungsjahr werden 300 Menschen getötet. Gewählt wurde er zum Bischof, war da aber noch nicht einmal Priester. Echter vertrieb (zur Entschuldigung: wie sein Vorgänger) die Juden aus Würzburg und konfiszierte deren Grundbesitz. Nun zum Guten: auf dem konfiszierten Judenfriedhof entstand das Juliusspital. Würzburg mochte er wohl nie, weil er sich dreimal um das Mainzer Bischofsamt bewarb: die wollten den aber nicht. Das wären Gründe gewesen! Waren es aber nicht!
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