Es kommt auf jede Stunde an: Die Gesundheit von neu geborenen Kälbern ist direkt abhängig vom Trinken der sogenannten „Biestmilch“, der besonderen „Schluckimpfung“, wie Doris Meßner am Dienstag während eines Fachvortrags erklärte. Dazu hatten die Landfrauen des Bayerischen Bauernverbands (BBV) alle Interessenten aus den Landkreisen Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen, Schweinfurt und Haßberge eingeladen.
Kreisbäuerin Roswitha Hesselbach begrüßte Teilnehmer aus der ganzen Region, von Oberweißenbrunn bis Zeil. Innerhalb eines Pilotprojekts der Landfrauen im BBV-Bildungswerk und in Kooperation mit dem Agrarhändler BayWa wurde die Veranstaltung als eine von insgesamt zehn in ganz Bayern und als einzige in Unterfranken durchgeführt.
Aus mehreren Vorschlägen hatten sich die Rhön-Grabfelder das Thema „Einfluss von Fütterung und Hygiene auf die Gesundheit der Kälber“ herausgesucht. Rinderexpertin Doris Meßner zeigte das enge Zeitfenster auf, das für die neugeborenen Kälber über einen guten Start ins Leben entscheidet.
Gesunde Kälbchen bedeuteten gesunde erwachsene Tiere und wenig Tierarztkosten oder gar Verluste. Ein Kalb komme mit ganz geringen Reserven an Eisen und Fett auf die Welt, Verdauungsenzyme, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse müssten sich erst weiterentwickeln, Abwehrkräfte seien praktisch nicht vorhanden, berichtete Meßner. „Es kommt darauf an, wer schneller ist – die Krankheitserreger oder der Aufbau der Abwehr.“
„Biestmilch“ ist die Antwort der Natur auf diesen Zustand, denn die erste Kolostralmilch von der Kuh enthält einen Cocktail aus Eiweißen, Vitaminen, Spurenelementen und Hormonen. Innerhalb der ersten 24 Stunden nehmen die Kälber die wertvollen Stoffe ungehemmt über den Darm direkt in den Organismus auf, danach schließt sich diese „offene Tür“ immer mehr. Die Kälbchen sollten innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Geburt eine ausreichende Menge Biestmilch bekommen, das wäre ideal.
Was zu tun ist, wenn das Kalb nicht trinken will oder eine Kuh in der Nacht geworfen hat und man nicht dabei war, und warum es wichtig ist, den Neugeborenen ausreichend viel Biestmilch mit Körpertemperatur (bis zu vier Liter) zu geben, wurde besprochen. „Wer viel Biestmilch bekam, gibt später auch selbst viel Milch“, ist die Referentin überzeugt.
Gefährdet sind die Kälbchen besonders, wenn die Immunabwehr von den zugeführten Immunglobulinen auf eigene umsteigt, was in der vierten bis fünften Woche der Fall ist. In dieser Zeit neigen die Tiere zu Durchfällen und Lungenentzündungen, und man sollte sie nicht zusätzlich durch Umstallmaßnahmen oder ähnliches stressen.
Die Bedeutung angemessener Hygiene zog sich durch die ganze Veranstaltung. Es beginnt mit der Sauberkeit der sogenannten „Abkalbbox“, die nicht zwischendurch für kranke Tiere genutzt werden sollte. Jedes Kalb sollte seinen eigenen Tränkeeimer und Nuckel haben. Bevor sie dann in die Kälberboxen kommen, sollten diese mit entsprechenden Reinigungsmitteln gut gesäubert werden. Meßner empfahl eine so genannte „Schaumlanze“, die auch alle Ecken erreicht.
Die Tiere seien den Bakterien, Viren, Parasiten, Kokzidien (Durchfallerreger) und Kryptosporidien (einzellige Darmparasiten), die jetzt im Vormarsch sind, nicht hilflos ausgeliefert, machte die Referentin klar. Neben der Durchführung von Hygienemaßnahmen (nicht zu verwechseln mit einer Desinfektion), um den Druck durch Erreger und Keime möglichst niedrig zu halten, können auch Pro- und Prebiotika helfen die Darmflora aufzubauen.
Die richtige Fütterung während einer Erkrankung und während der Aufzucht war ein weiteres Thema, das die Referentin ansprach. Auch wenn den Anwesenden vieles schon bekannt war, war es gut, die Zusammenhänge genauer unter die Lupe zu nehmen und beispielsweise das Zeitfenster nach der Geburt der Kälbchen besonders zu beachten, kommentierten die Teilnehmer.