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MEININGEN
Das Küssen ist des Frosches Lust: echt pfiffig, das Meininger Weihnachtsmärchen
Von unserem Mitarbeiter Siggi Seuss
 |  aktualisiert: 07.11.2019 19:15 Uhr

Wie sich die Welten von Rotkäppchen & Co mit den Welten der Generation Gameboy in Deckung bringen lassen! Da kann man die Kleinen (so um die Sechs) getrost mit den mittelgroßen Kids (so um die Zwölf) zusammenwürfeln, ohne dass die einen krakeelen und die anderen einschlafen. Beim diesjährigen Meininger Weihnachtsmärchen gelingt das Ansgar Haag mit der kurzweiligen Inszenierung eines Stückes von Susanne Lütje und Corinna Schildt: „Rettet Rumpelstilzchen“ – eine Uraufführung.

Die Geschichte spielt weder im fernen Avantgardien noch in poetisch tiefsinnigen Wäldern, sondern in einer traditionellen Märchenwelt. Frau Holles Häuschen – wunderhübsch kitschig (Bühnenbild: Helge Ullmann). Die Geschöpfe von Diesseits und Jenseits der Wirklichkeit – herrlich komisch (Kostüme: Anke Pradel-Schönknecht). Und dazu noch die flotten musikalischen Arrangements von Fiona MacLeod. Doch wer guckt da aus dem Fensterchen? Das ist doch der etwas aufgedickte Michael Jeske als Thüringer Klöße kochende Frau Holle. Eine Traumrolle. Und dass er später auch noch als liebenswert penetranter Froschkönig auftaucht, der fortwährend geküsst werden will – das wird in die Annalen der Meininger Weihnachtsmärchen eingehen.

Blick ins magische Märchenbuch

Frau Holle lebt seit Jahrhunderten mit Pechmarie (Meret Engelhardt) zusammen. Goldmarie hat ja längst Karriere gemacht, wie wir wissen. Und da ist noch Pechmaries beste Freundin, die Katze (Mara Amrita, alternierend mit Lukas Benjamin Engel und Sophie Lochmann). Weil die beiden neugierig sind, würden sie gern einen Blick ins magische Märchenbuch der Gebrüder Grimm werfen, das Frau Holle verwaltet. Alle Geschöpfe im Märchenreich sind des Lesens unkundig. Insofern erschließt sich die Präsenz dieses Buches im Hause Holle nicht unbedingt. Aber wenn man davon ausgeht, dass die Neugierigen nur mal einen Blick auf ein Bild des gestiefelten Katers werfen wollen, kann man das durchgehen lassen. Schließlich will die Katze wissen, ob ihre Katerverkleidung authentisch ist.

Jedenfalls gibt es ein Tohuwabohu, als die beiden das Buch in einem Kissen verstecken und Frau Holle nicht nur Federn schneien lässt, sondern auch Märchenbuchblätter. So geraten die Märchen durcheinander, Rumpelstilzchen, Jäger, Großmutter (allesamt: Matthias Herold), Rotkäppchen, Rapunzel (Meret Engelhardt), Königstochter, gestiefelter Kater (Anna Gaden) und Froschkönig erscheinen ziemlich desorientiert und wollen in ihre Ursprungsmärchen zurück. Ein denkwürdiger Satz aus Rotkäppchens Munde: „Ohne Wolf gäb's uns nicht. Er frisst uns sehr rücksichtsvoll.“ Nur Jakob Grimm scheint die Seiten wieder ordnen zu können. Also macht sich die Katze auf den Weg in die Menschenwelt und landet leider im furchtbar hektischen Großstadtgewühl des 21. Jahrhunderts. Dort trifft sie einen jungen Computerspielfreak namens Jakob (Florian Beyer). Der kann zwar lesen und die Welt retten, aber mit Jakob Grimm hat er nichts gemein. Allerdings kennt er die Märchen. So springt er auf dem Weg ins Märchenland, in Ermangelung von Brunnen, heldenmütig in den nächstbesten Gulli.

Das ist ein pfiffiger Einfall zur Verständigung der Völker der Märchenfreunde, Computer- und Smartphone-Freaks. Im Grunde sind ja die digitalen Fantasywelten der Gegenwart nichts anderes als die Fortsetzung der analogen Märchenwelten mit verschärften Mitteln. Nicht immer zum Segen der Menschheit. Aber das Meininger Kinder- und Familienstück hat hohes Versöhnungs- und Vergnügungspotenzial. Und wem das nicht reicht, der kann sich ein magisches Märchenbuch mit nach Hause nehmen. Darin finden sich auch ein paar flotte volkstümliche Weisen. Dumm nur, dass die verhohnepiepelten alten Liedtexte nicht im Buch stehen. „Das Küssen ist des Frosches Lust“ klingt allemal spannender als „Das Wandern ist des Müllers Lust.“

Vorstellungen bis zum 26. Dezember. Da alle Schulvorstellungen nahezu ausverkauft sind, wurden zwei Zusatzvorstellungen anberaumt: am Mittwoch, 4. Dezember, um 11.30 Uhr, und am Freitag, 10. Januar 2014, um 19 Uhr. Für diese beiden Vorstellungen steht noch ein größeres Kartenkontingent zur Verfügung. Karten gibt es unter Tel. (0 36 93) 451 222 oder 451 137. www.das-meininger-theater.de

 
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