
Erst wenn die Spaßindustrie das kurexterne Schlammbad in der nächsten Wasserlache zum Kult stilisieren würde, wäre keine Uferböschung mehr vor uns sicher. Die Angelsportvereine würden Zeter und Mordio rufen, die Naturschützer Sturm laufen und das Gesundheitsamt wöchentlich Wasserproben entnehmen – so weit wird es nicht kommen. Und deshalb werden Szenen wie die obige nicht mehr zum Badealltag der Zukunft gehören.
Obwohl, wenn wir die Fotografie genauer betrachten, die Ende der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufgenommen wurde, dann hat das Bild fast schon etwas unheimlich Gegenwärtiges. „Das kalte Bad“ steht in der Bilderklärung des Stadtarchivs. „Ein Mühlenstauwehr mit Wechselkabinen an der Brend. 1887 - 1929.“ Der provisorische „Badesee“ (vor der Eröffnung des Neustädter Freibads 1930) war vor einem Wehr zu finden, dessen Gemäuer heute noch zu sehen ist: am Westrand Brendlorenzens, flussaufwärts, in der Nähe des städtischen Kompostplatzes an der Straße nach Windshausen. Alte Neustädter würden sagen: „Auf feindlichem Territorium für uns Jungs und Mädchen aus der Innenstadt.“
Die Fotografie ist vielleicht 80 Jahre alt, aber, wie uns die großen und kleinen Nixen und Wassermänner aus dem Bild heraus anschauen, das wirkt so, als seien sie gerade aus den sich sanft kräuselnden Wellen aufgetaucht und man säße ihnen jetzt am Ufer des Flüsschens gegenüber. Ein Bild des Friedens, des Glücks im Augenblick – keine Spur von Wehrertüchtigungsgebaren. Die badenden Menschen erscheinen so selbstverständlich in der Szene, als wollten sie sagen: „Hallo, Freunde, hier sind wir. Hier waren wir. Hier bleiben wir. Und wenn ihr euch uns anschließen wollt, dann kommt herein. Platz ist im kleinsten Tümpel.“
Und siehe da: Erinnerungen werden wach an eine Zeit, in der Abenteuer unverkrampfter erlebt wurden als es Adventure & Event dem naiven Schatzsucher im Jahr 2008 ermöglichen. Wenn wir das Bild betrachten, spüren wir förmlich den warmen weichen Schlamm auf dem Flussgrund, der sich zwischen den Fußzehen hochdrückt. Wir hören die flüchtenden Frösche aufgeregt ins Wasser hüpfen und die Bachstelzen davonfliegen. Wir tasten uns sachte durch Tiefen und Untiefen, über Sandbänke und Abgründe, durch kalte und warme Strömungen. Und wir fühlen uns fast wie furchtlose Forschungsreisende an einem vergessenen Seitenarm des Amazonas. Soll es doch kommen, das Krokodil. Es wir schon sehen, was es von uns hat!
Ein schönes Bild, eins, das uns wirklich neugierig macht: Leben diese sympathischen Nixen und Wassermänner von damals noch heute? Wenn ja: Bitte melden! Wir stellen das Bild – falls gewünscht – noch einmal nach. Die alten Badeanzüge nicht vergessen!