Den Nanga Parbat bezeichnet Reinhold Messner als den Schicksalsberg der Deutschen. Dabei ist der "nackte Berg" vielmehr auch sein eigener Schicksalsberg.
Bei der ersten Besteigung von Reinhold Messner kam in der Folge sein Bruder Günther ums Leben. Jahrzehntelang musste sich Messner gegen Vorwürfe wehren, er trage dort oben in den eisigen Höhen des Himalaya eine Mitverantwortung am Tod des Bruders. In der Stadthalle hat Reinhold Messner in einem außerordentlich beeindruckenden Vortrag seine längst bewiesene Sichtweise auf die Dinge dargelegt. Und vor allem die Sicht des Ausnahmebergsteigers auf einen der am kompliziertesten zu besteigenden Berge der Welt.
Mount Everest ist Tourismus
Auf den Mount Everest steigen, das ist Tourismus, sagt Messner. Auf den 8125 Meter hohen Nanga Parbat steigen funktioniert so nicht. Oder besser: Noch nicht, denn auch dieser soll für Hochalpintouristen ausgerüstet werden. Das aber wäre dann nicht mehr der Nanga Parbat des Reinhold Messner, der diese Massenbesteigungen von mythischen Bergen ablehnt und heftig kritisiert.
Bergsteiger versuchten sich seit dem 19. Jahrhundert am Nanga Parbat, jenem Riesen im westlichen Himalaya. Im Jahre 1895 gab es einen Versuch des seinerzeit besten Bergsteigers der Welt. Diesen sollte er mit dem Leben bezahlen, ohne oben angekommen zu sein.
Expeditionen in den Jahren 1934 und 1937 forderten zahlreiche weitere Opfer vornehmlich unter deutschen Bergsteigern, weshalb der Nanga Parbat das Prädikat eines "Schicksalsbergs der Deutschen" erhielt. Erst am 3. Juli 1953 glückte dem Tiroler Hermann Buhl die Erstbesteigung. "Er war als junger Mann aufgestiegen und kam als Greis zurück", sagte Messner.
Der verunglückte Bruder
Am 25. Juli 1970 gelang Reinhold Messner (Jahrgang 1944) gemeinsam mit seinem Bruder Günther erstmals der Aufstieg auf den Nanga Parbat. Oben angekommen zeigte Günther Messner aber gesundheitliche Probleme, die den gefährlichen Abstieg über zahlreiche Felswände unmöglich machten. Was folgte, war jahrzehntelang in Bergsteigerkreisen wie auch vor der Jurisdiktion immer wieder Thema von Auseinandersetzungen.
Um den Bruder wieder sicher hinunter zu führen, wählte Reinhold Messner einen anderen, viel weiteren Weg über zahlreiche Gletscher. Dort waren sie immer wieder weit voneinander getrennt, wie Messner ausführte. Allein schon deshalb, weil Reinhold Messner in dem völlig unbekannten Terrain eine Route suchen musste. Den tagelangen Abstieg ohne Nahrungsmittel und ohne Wasser überlebte Günther Messner nicht, er wurde von einer Lawine mitgerissen. Reinhold Messner überlebte knapp und musste sieben erfrorene Fußzehen im Krankenhaus lassen.
Expeditionsleiter Karl Herrligkoffer geriet in den folgenden Jahren immer wieder mit Messner aneinander, weil er behauptete, Günther Messner sei bereits oben auf dem Nanga Parbat gestorben. Erst 2005 wurden am Nanga Parbat die sterblichen Überreste von Günther Messner gefunden und bestätigten die Version, die Reinhold Messner jahrzehntelang vertreten hatte.
"Zurückkommen ist wie eine Wiedergeburt"
"Das Zurückkommen aus einer solchen Gefahrenwelt ist wie eine Wiedergeburt", sagt Reinhold Messner heute. Längst ist für den Bergsteiger, der als erster Mensch auf allen Achttausendern dieser Erde stand, das Erzählen über die Berge genauso wichtig wie das Bergsteigen selbst. Er spricht über die Mühsal des wochenlangen Aufstiegs, die Gefahren, eisige Temperaturen von minus 30 bis minus 40 Grad, einem Erdbeben der Stärke 7,5, das er auf dem Nanga Parbat bei einer späteren Besteigung erlebte und vieles, vieles mehr.
"Das Gipfelglück ist nur eine Vorstellung der Untengebliebenen", sagt er, wenn er vom Erklimmen der höchsten Gipfel der Welt spricht. Besonders am "nackten Berg" des Himalaya trifft das zu. Selbst einem Reinhold Messner glückte nur ein einziger weiterer Aufstieg auf den Schicksalsberg im Jahre 1978.