
Von Siggi Seuß
Wieder einmal kann man aufatmen nach zweieinhalb Stunden Ehedramödie in den Meininger Kammerspielen. Schön, zu sehen, wie sich anderer Leute Partnerschaften im richtigen Leben schwertun. Und wer von uns kennt nicht ein Pärchen, über das man munkelt, sie hätte doch was mit dem und er mit jener.
Was daran wahr ist und was unsere eigene Fantasie, Neugierde oder gar der Neid beisteuern, lässt sich da nicht mehr auseinanderhalten. Jedenfalls sind wir gerne Voyeure, wenn es um die Beziehungsquerelen Anderer geht. Das ist der Stoff, aus dem sich der erfolgreiche britische Theaterautor Alan Ayckbourn immer wieder tragikomische Dramen zusammenbastelt. 1969 bereits das schwarzhumorige Stück „Die bessere Hälfte“. Regisseur Tobias Rott belässt die Handlung in ihrer Zeit und Kerstin Jacobssen liefert dazu die Kostüme und ein passend nüchternes Bühnenbild von gleich zwei 1970er-Jahre-Wohnzimmern nebeneinander. Zweifelsohne sind die menschlichen Macken die gleichen wie damals. So zeitlos wie die Loriotschen Szenen einer Ehe.
Parallele Ehewelten
Zwei Spielräume nebeneinander? Ja, genau das ist der Witz der Geschichte. Die Zuschauer erleben zwei parallele Ehewelten gleichzeitig: die des älteren Ehepaars Fiona und Frank (Hans-Joachim Rodewald und Ulrike Walther) und die des jüngeren Paars Bob und Teresa (Björn Boresch und Evelyn Fuchs). Frank ist Bobs Chef. Dass der mit Bobs Frau ein Techtelmechtel hat, wissen die jeweiligen Partner natürlich nicht. Jeder Verdacht wird von den Tätern auf Dritte gelenkt. Und so gerät ein völlig unbedarftes junges Pärchen, William und Mary (Sven Zinkan und Julia Steingaß), ins Spiel, auf das sowohl Paar Nummer eins als auch Paar Nummer zwei ihre Fantasien projizieren. Höhepunkte der Irritationen entstehen, als William und Mary am Donnerstag beim ersten und am Freitag beim zweiten Paar eingeladen werden. Mit verheerenden Folgen.
Das Doppelspiel der sechs Akteure mag am Anfang auf die Zuschauer etwas verwirrend wirken. Hat man aber Ayckbourns Dramaturgie verstanden, wird die Geschichte zunehmend spannend und skurril. Auch deshalb, weil es das Inszenierungsteam versteht, die Handelnden in einer Welt zwischen Karikatur und Charakterspiel anzusiedeln. Der Loriotsche Geist ist nicht fern, ebenso wenig der satirische Sarkasmus, mit dem Matt Groening seine Zeichentrickfiguren der Familie Simpson in Bewegung setzen lässt.
Höchst amüsante Entschuldigung
Bewegung, Grimassen, Kostümierung – das sind, neben dem exakt getimten Rhythmus des Parallelspiels, weitere Vorzüge der Rottschen Inszenierung. Und Rodewald, Walther, Boresch, Fuchs, Zinkan und Steingaß bringen die höchst unterschiedlichen Temperamente ihrer Figuren auf erheiternde Weise zum Klingen. Zurückhaltend. Schüchtern. Nüchtern. Aufbrausend. Verzweifelt. Anmaßend. Überkandidelt. Verdruckst. Besserwisserisch. Selbstgewiss. Erstarrt. In Ritualen gefangen. Allein der langgezogene Augenblick, in dem Björn Boresch als Bob versucht, sich eine Entschuldigung abzuringen, nein: abzuwürgen, ist ein Kabinettstückchen.
Szenen dreier Ehen, in verschiedenen Stadien der Verkrustung, die einem sehr bekannt vorkommen dürften. Auch, wenn sie uns hier herrlich überspitzt präsentiert werden. Eine Komödie? Ja. So lange wir nicht über uns, sondern über die da auf der Bühne oder die dort neben uns herzhaft lachen müssen.
Nächste Vorstellungen: 5., 13. und 26. Januar, jeweils 20 Uhr. Karten unter Tel. (0 36 93) 451 222, www.meininger-staatstheater.de