Wer in Bad Neustadt kennt ihn nicht? Wolfgang Kitscha lenkt seit dem Jahr 2008 die Geschicke des Erzähl-Cafés und hat seither viele interessante Gäste begrüßt, die Einblick in ihr Leben und ihr Schaffen gegeben haben. Nun erzählt Wolfgang Kitscha selbst von seinen Kindheitserinnerungen:
Die Fünfziger Jahre waren noch Nachkriegszeit, und die meisten von uns wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf. Aber es ging stetig aufwärts, und in den Jahren 1953 bis 1955, von denen ich erzählen will, war es in der Storchengasse für uns 30 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren das reinste Spielparadies.
Nach der Schule und dem darauf folgenden Mittagessen machte ich zuerst meine Hausaufgaben. Danach war unsere Lieblingsbetätigung, wen wundert es, das Fußballspiel. Es gab in dieser Zeit jedoch kaum Bälle. Ein ehemaliger Mitschüler hatte als einziger einen Lederball – da war natürlich die Kinderschar besonders groß. Wir wuchsen noch als Straßenfußballer auf und spielten überall auf Wiesen und Feldern. Wir waren immer in Bewegung.
Kinder spielten auf der Straße
Aber es gab zu jener Zeit für uns Kinder auch noch viele andere Spiele, die wir mit viel Leidenschaft ausführten. Da in unserer Straße damals kaum Verkehr herrschte, spielten wir auch gerne Völkerball, Räuber und Schandi, Federball und Schusser. Da kam es auch schon einmal vor, dass ein schon etwas älterer Anwohner sich in seiner Ruhe gestört fühlte, wenn es zu laut herging. Er schüttete dann vom zweiten Stock seiner Wohnung ab und zu einen vollen Eimer Wasser auf uns. Wir waren danach patschnass.
Wir tauschten Comic-Heftchen wie Micky Maus, Tarzan, Akim, Sigurd und Fix und Foxi genauso untereinander, wie wir Briefmarken sammelten. Aktuell gerade in der Frühlingszeit waren auch "Maikäfer sammeln", Seil hüpfen, Hula Hupp und "Kasperle-Theater spielen", angesagt. Weitere Spielorte waren in dieser Zeit auch die Saalewiesen, das alte Schwimmbad (Eintritt 15 Pfennige), die Luitpoldhöhe und vor allem die Salzburg.
Löwenzahn für die Stallhasen
Mein Vater zog auch einige Stallhasen auf. Für die mussten wir im Frühjahr und Sommer jeden Tag Futter in Form von Löwenzahn holen. Im Herbst wurden diese Hasen dann geschlachtet und verkauft. Wir wohnten in der Storchengasse, Haus-Nr. 5 und hatten zweieinhalb Zimmer (Küche, Schlafzimmer und ein kleines Zimmer). Es gab ein Plumps-Klo für insgesamt zehn Personen im Haus. Toilettenpapier wurde durch Zeitungspapier, das auf einem großen Nagel aufgespießt wurde, ersetzt. Da es damals kein Bad gab, wurden wir Kinder am Samstagnachmittag in einem Holzzuber nacheinander gewaschen.
Während des Jahres gab es kaum Südfrüchte wie Apfelsinen und Bananen. Auch die Schokolade war damals einfach zu teuer. Wir haben vor allem jede Menge Äpfel gegessen, die während des Winters im kleinen und nicht geheizten Zimmer gelagert waren.
Über 50 Buben in einer Klasse
Im ersten Schuljahr waren wir über 50 Buben in der Klasse. Die Lehrer waren sehr streng, aber man hat sehr viel gelernt, wofür ich ihnen heute noch sehr dankbar bin. Am Sonntagvormittag gingen wir immer in die Schülermesse in die Stadtpfarrkirche. Einige Male lud uns die Familie Appl im Sommer zu einer Fahrt mit ihrem Opel Rekord in die Rhön ein. Das war dann mit Spielen und Wandern verbunden, ein Sonntagnachmittag, der uns viel Spaß bereitete.
Das schönste Fest des Jahres war aber Weihnachten. Wie leuchteten da unsere Kinderaugen, als wir an Heilig Abend den Christbaum mit echten Kerzen, mit schönen Glaskugeln und dem obligatorischen Lametta anschauen durften. Dazu gab es einen voll gefüllten Teller mit selbst gebackenen Plätzchen, mit Orangen und mit einer Tafel Schokolade. Als auch noch ein Geschenk in Form eines Kinderlexikons auf dem Gabentisch lag, war die Freude grenzenlos.