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Trappstadt
Corona: Mathias Gerstner blickt auf eine Zeit voller Sorgen und Trauer zurück
Mathias Gerstner hat leidvolle Erfahrungen gemacht. "Viele Menschen haben keine Ahnung davon, wie schlimm Corona verlaufen kann." Was haben er und seine Familie erlebt?
Das Sterbebild der Großmutter von Mathias Gerstners Ehefrau: Martha Kilgert verstarb am 13. März 2020.
Foto: Regina Vossenkaul | Das Sterbebild der Großmutter von Mathias Gerstners Ehefrau: Martha Kilgert verstarb am 13. März 2020.
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 11.02.2024 08:51 Uhr

Er ist wieder gesund. Mathias Gerstner hat eine schwere Zeit hinter sich, er selbst und mehrere Mitglieder seiner Familie waren an Covid-19 erkrankt. Der 46-jährige Trappstädter ist nach drei Wochen Quarantäne froh, dass die Krankheit überstanden ist. Aber leider haben es nicht alle geschafft, die Großmutter seiner Frau ist gestorben. Die gesamte Familie wird diese sorgenvolle Phase ihres Lebens sicherlich nicht vergessen.

Der Bereichsleiter Privatkunden und Prokurist einer großen Bank lebt von montags bis donnerstags in Trappstadt und während des verlängerten Wochenendes bei seiner Familie in Poppenreuth in der Oberpfalz im Landkreis Tirschenreuth. Am Freitag ist er im Home-Office. 

Hohes Fieber und Lungenversagen

Alles begann damit, dass sein Schwiegervater plötzlich hohes Fieber bekam. Er hatte mit seiner Frau eine Gastwirtschaft in Mitterteich besucht und sich wahrscheinlich dort angesteckt - der Ort Mitterteich hat als ein Corona-Brennpunkt traurige Bekanntheit erlangt. Zunächst wurde der Kranke zuhause weiter versorgt. Ein Anruf beim Gesundheitsamt, wo die Leitung dauernd besetzt gewesen sei, schildert Gerstner, habe ergeben, dass kein Test gemacht wird, weil der Schwiegervater sich nicht in einem Risikogebiet aufgehalten hätte. Als nach mehreren Tagen das Fieber immer noch nicht sank, habe eine Notlüge geholfen, um den Kranken zum Test und ins Krankenhaus zu bringen. Der 68-Jährige wurde gleich ins künstliche Koma versetzt und beatmet, die Lunge hatte bereits versagt.  

Bescheinigung vom Landratsamt Tirschenreuth: Mathias Gerstner ist wieder genesen und hat seine Quarantäne erfüllt.
Foto: Regina Vossenkaul | Bescheinigung vom Landratsamt Tirschenreuth: Mathias Gerstner ist wieder genesen und hat seine Quarantäne erfüllt.

Endlich bekam die Familie Gerstner einen Testtermin, sie musste mit dem Auto zu einer Station fahren, die Tester waren im Schutzanzug mit Maske, man durfte nicht aussteigen und die Kinder, Paulina (vier Jahre) und Johanna (sieben Jahre) hätten vor Angst geweint. Nach mehreren Tagen kam das Ergebnis: Bei Paulina und der Schwiegermutter war der Test negativ, bei Mathias, Ehefrau Nicole und Johanna positiv. Das bedeutete erst einmal zwei Wochen Quarantäne daheim in der Oberpfalz. Empfohlen wurden die üblichen Medikamente gegen Kopf- und Gliederschmerzen. "Wir haben uns sehr allein gelassen gefühlt", beschreibt Gerstner die Situation.

"Niemand konnte sich verabschieden"

Inzwischen rief das Seniorenheim an, wo die Großmutter untergebracht war. Sie habe plötzlich eine Lungenentzündung, hieß es. Einen Tag später war sie tot. Niemand konnte sich verabschieden. "Die Ursache war mit größter Wahrscheinlichkeit das Coronavirus, es wurde aber nicht getestet", berichtet Gerstner. Die psychische Belastung für die Familie sei enorm gewesen. Er selbst habe gemerkt, dass sein Geruchs- und Geschmackssinn plötzlich verschwunden war. Das ist für ihn, der nebenbei als Edelbrand-Sommelier arbeitet und auch bei Prüfungen mitwirkt, besonders fatal.Bluthochdruck und eine Harnröhrenentzündung kamen dazu. "Hoffentlich ist das nichts Bleibendes", habe er immer wieder gedacht. Bei Nicole Gerstner hat das Virus Fieber, starke und lang anhaltende Schluckbeschwerden sowie eine Schilddrüsenstörung ausgelöst. Das Ehepaar fühlte sich müde und matt, während die Kinder alles recht gut durchgestanden haben und sich dem Homeschooling widmen konnten.

"Was uns sehr geholfen hat, war die Anteilnahme der Nachbarn und Freunde, sogar Landrat Thomas Habermann hat uns eine E-Mail geschrieben", sagt Mathias Gerstner. "Ein Nachbar hat jeden zweiten Tag für uns eingekauft und uns die Tüten vor die Tür gestellt. Wir haben dann das Geld überwiesen." Zum Glück hatte Gerstner die Möglichkeit, trotzdem zu arbeiten, soweit er konnte. "Das lenkt ab und hilft über die schwere Zeit", sagt er. Was sich auch positiv auswirkte, war der Garten, in den die Familie gehen konnte. "Das alles in einer kleinen städtischen Wohnung durchzustehen, stelle ich mir schrecklich vor", sagt der Bänker. Dann gab es endlich gute Neuigkeiten aus dem Krankenhaus: Der Schwiegervater sei aus dem Koma erwacht und lerne langsam wieder das selbstständige Atmen. Inzwischen ist er ganz genesen.

130 Todesopfer im Landkreis Tirschenreuth

Wütend mache es ihn jetzt immer, wenn er Demonstranten sieht, die gegen die Corona-Beschränkungen protestieren. "Die haben keine Ahnung davon, wie schlimm eine Erkrankung verlaufen kann. Von 30 Beatmeten im Krankenhaus ist nur einer wieder gesund geworden, das sollte zu denken geben", sagt Mathias Gerstner. Insgesamt sind im Landkreis Tirschenreuth von ungefähr 1137 Erkrankten 130 in Verbindung mit Covid-19 gestorben.

Gibt es auch positive Erkenntnisse? "Wir haben gelernt, dass man nicht zu jeder Konferenz fahren muss, vieles kann auch per Videokonferenz abgesprochen werden", beantwortet Gerstner die Frage. Außerdem hätten viele Leute Bio-Nahrungsmittel und die Regionalität neu entdeckt. Es sei generell eine sehr schwere Situation, mit der man derzeit konfrontiert werde. Trotz aller Sorgen ist er der Meinung: "Die Politik hat vieles gut und richtig gemacht."

 
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