Der Sommer neigt sich dem Ende, manch einer denkt wehmütig an die Ferienzeit. Am Sonntag konnten Fans klassischer Musik sich noch einmal auf eine Reise in den Süden begeben.
Das Fastrada-Streichquartett entführte mit barocken Weisen nach Venedig. Im Rahmen der Reihe „Leben im Schloss“ erklangen Werke von Antonio Vivaldi, Baldassare Galuppi und Johann Adolpf Hasse; zudem war Herzenbrecher Giacomo Casanova „höchstpersönlich“ vorbeigekommen, um amüsant-pikante Details seines bewegten Liebeslebens auszuplaudern.
Einzug mit Masken
Kaum hatte Edeltraud Rapp im Namen von Stadt und „Aktivem Mellrichstadt“ Besucher und Künstlerinnen im vollen Konzertsaal des Schlosses Wolzogen begrüßt, wurde es still. Melancholisch eröffneten die vier Damen, welche mit venezianischen Masken eingezogen waren, den Nachmittag mit dem „Concerto in g-Moll“ von Vivaldi. Nach dem letzten Ton sorgte polternd ein adretter Herr mit grauen Schläfen und schwarzem Zylinder für Aufsehen, welcher sich als Giacomo Casanova vorstellte. Natürlich war es nicht wirklich der 1798 verstorbene berühmte Sohn der Lagunenstadt, aber Christoph Klose verkörperte den Lebemann authentisch.
Verschmitzt lächelnd nahm er Platz, um zwischen den Stücken mit seinen amourösen Abenteuern zu prahlen.
Die Musik der Heimat genießen
Zudem wolle er die Musik seiner Heimatstadt genießen. Damit war er nicht alleine, auch die Gäste lauschten dem Spiel von Carola Kroczek (1. Geige), Rosemarie Beer-Schmitt (2. Geige), Dagmar Klose (Bratsche) und Robina Huy (Violoncello) mit Begeisterung. Ob ruhig und getragen oder flott und fröhlich, die Streicherinnen vermochten ziemlich jedes Gefühl über ihre Musik zu transportieren. Nach den beiden Sätzen aus Vivaldis „Concerto in g-Moll“ trug Casanova seine Vita vor. Er habe zeitlebens alles dafür getan, die Herzen des weiblichen Geschlechts im Sturm zu erobern, daher könne er mit Recht behaupten, unverfroren aber glücklich gewesen zu sein. Baldassare Galuppi, Komponist des „Concerto a quattro No. 1“, verstand es, mit seinem Werk gleichermaßen Trost und Hoffnung zu spenden. Ob das Allegro tatsächlich wie ein lustvoller Seufzer klang, lag im Auge – besser gesagt – im Ohr des Zuhörers. Casanova war sicher, ebensolchen herausgehört zu haben. Eines stand außer Frage: Der Venezianer wusste das Leben zu genießen, neben seinen Affären war er kulinarischen Genüssen nicht abgeneigt.
Immerhin brauche man Kraft und Ausdauer, wenn man viele Frauen beglücken will, so die trockene Erklärung. Auch Galuppis „Concerto a quattro No. 4“ sorgte für Gänsehaut, teils war es mucksmäuschenstill, ein andermal wippten die Füße im Takt. Selbst wenn Casanova eigenen Angaben zufolge die Frauen bis zum Wahnsinn zu lieben vermochte, zog er am Ende immer die Freiheit vor.
Scharenweise gebrochene Herzen
Wie viele gebrochene Herzen er zurückließ, bleibt sein Geheimnis. In Mühlfeld sorgte der redselige Herr voller Freude dafür, dass dem geneigten Zuhörer die Schamesröte ins Gesicht stieg. Tabus? Keine!
Sogar vor Novizinnen im Doppelpack machte der Schwerenöter nicht Halt. Kraftvoll deckten die drei Sätze aus Johann Adolph Hasses „Sinfonia Nr. I a quatre parties“ den Mantel des Schweigens – beziehungsweise der Musik – über diese intimen Geständnisse. Unverfroren plauderte der Draufgänger weiter aus dem Nähkästchen. Bei den Damen sorgte er für Schmunzeln, die Herren blickten ernst. Der selbst ernannte Hahn im Korb meinte, dass Lust bisweilen rein aus der Phantasie fließen könne. Ob wirklich alles, was er zum Besten gab, der Wahrheit entsprach, durfte angezweifelt werden.
...Wer bis hierhin noch keine gute Laune hatte, dem machte Vivaldis „Concerto für Streicher in F-Dur“ welche. Schwungvoll brachte das Quartett drei Sätze zu Gehör. Durch Moralpredigten würde die Welt nicht besser, sinnierte der Italiener weiter und erteilte sich damit selbst die Absolution für seine „ach so schmerzlichen Trennungen“. Zur Erholung aller spielte das Quartett die „Sinfonia Nr VI a quatre parties“ von Hasse. Nachdem das Allegro verklungen war, brach kräftiger Applaus sich Bahn.
Musik und Text als Gesamtkunstwerk
Das letzte Wort hatte natürlich Casanova. Mit Unschuldsmiene erklärte er, es käme ihm vor, als würde die Schilderung seiner Sünden eher zur Nachahmung denn zur Abschreckung anregen. Böse konnte dem galanten Schlitzohr ohnehin niemand sein. Christoph Klose hat seine Rolle glänzend gespielt; wunderbar waren Texte und gefühlvolle Musik zum harmonischen Gesamtkunstwerk verschmolzen.