Ein Tisch mit einem dunkelroten Tuch, darauf eine Lampe und ein dickes, großes Buch: Wie ein Altar wirkte der Leseplatz direkt vor dem Westturm der Osterburg, an dem Stefan Schael Platz nahm. Mit seiner ausdruckstarken und äußerst wandlungsfähigen Stimme sicherte er sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer beim Abend der "Burg-Poesie".
Der Abend war wie geschaffen für diesen Vortrag. Nach der Hitze des Tages tat das frische Lüftchen auf der Bergkuppe gut. Die Besucher waren bestens ausgerüstet, hatten sich Klappstühle oder Picknickdecken mitgebracht und etwas zu essen und zu trinken.
Seinen Auftritt untermalte Stefan Schael musikalisch, spielte Töne ein. "Der Erlkönig" wurde mit dem Geräusch eines vorbeigaloppierenden Pferdes angekündigt. Die Darbietung dieses Textes brachte die Zuhörer zum Frösteln und unwillkürlich zog manch einer die Decke etwas fester um die Schultern. Die untergehende Sonne, schräg hinter Schael stehend, wurde von sich in dramatischer Färbung auftürmenden Wolkenbergen verdeckt. Als wäre das schon so vorgesehen gewesen, verstärkten sie die Wirkung seiner Stimme beim Vortragen der teils tragischen Balladen, welche die Zuhörerschaft fesselten.
Die Touristinfo Bischofsheim veranstaltete diese "Burg-Poesie" und holte sich mit Stefan Schael keinen Unbekannten auf die Osterburg. Vor zwei Jahren wirkte er bei der Eröffnung der Gemeinschaftsausstellung Rhöner Künstler mit.
Die Natur spielte mit
Der Schauspieler, Sänger und Musiktherapeut ist vielen vom Meininger Theater bekannt. Er gilt zudem als einer besten Elvis-Interpreten Deutschlands.
Seine stimmliche Wandlungsfähigkeit bewies Schael erneut, als er vom "Erlkönig", der mit voluminöser Stimme daherkam, zum "Zauberlehrling" wechselte. Man lächelte amüsant über den ungehorsamen Lehrling, der – lispelnd – so forsch beginnend erkannte: "die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los!"
Nach der kurzen Pause leuchtete der Mond über der Bergkuppe. "Die Heinzelmännchen" wurden von lautem Grillenzirpen begleitet. Oder gehörte das zu den Musikeinspielern? Fontanes "Herr von Ribbeck" oder "Der Knabe im Moor" von Droste-Hülshoff: Schael fesselte die Zuhörer.
Am Ende amüsierte er mit "Die Winde des Herrn Prunzelschütz", dem kuriosen Ritter, dessen Burg nach seinem Tode verfiel – vielleicht was es ja die Osterburg? Und wie sich das auf einer großen Bühne gehört, fiel am Ende der Vorhang. Sprich, es schob sich eine große dunkle Wolke vor den fast vollen Mond und beendete so perfekt den unterhaltsamen Poesie-Abend auf der Osterburg.