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FLADUNGEN
Buch zum Reichsarbeitsdienst: Wirklichkeiten wahnsinniger Zeiten
Von unserem Mitarbeiter Norbert Axel Zielke
 |  aktualisiert: 13.10.2013 18:05 Uhr

Lockt es hinterm warmen Ofen hervor? Interessiert das neue Buch mit dem Titel „Der Reichsarbeitsdienst in der Rhön von 1932 bis 1945“ in besonderem Maße? Ein klares Ja auf diese Fragen erhielten Autor Gerhard Schätzlein und die Leiterin des Fladunger Freilandmuseums, Sabine Fechter, am Freitagabend zur Antwort. Beredte Zahlen: Im Vortragsraum standen vierzig Stühle fürs Auditorium bereit, fünfzehn Minuten vor Veranstaltungsbeginn waren alle bereits besetzt. Also gab Fechter weitere hinzu, hieß alle willkommen: Rund achtzig Zuhörerinnen und Zuhörer hatten sich eingefunden.

Der weitest Gereiste war aus Ostfriesland gekommen: Karl Paulus, gebürtiger Nürnberger, der 1938 am „Hellmuthlager“ des Reichsarbeitsdienstes zusammen mit anderen „Arbeitsmännern“ das Schwarze Moor trocken legen musste.

Die Veranstaltung bekam am Ende etwas den Charakter eines Klassenabends. Man tauschte Fotos. Nach Schätzleins Vortrag über den Band (wir berichteten am 8. Oktober) ergaben sich zahlreiche Gespräche. Beteiligt war auch Dr. Karl-Heinz Arnold (93) aus Bad Neustadt, der 1939 ebenfalls im „Hellmuthlager“ im Straßenbau der Hochrhönstraße und später als Erntehelfer in Ostpreußen eingesetzt war. Arnolds Konterfei als zum Reichsarbeitsdienst Eingezogener zieht auf einem nachkolorierten Foto des Buchdeckels die Blicke an.

Ein Gesamtbild der Rhön-Lager

In ihrer Einführung rechnete Sabine Fechter dem Buchautor insbesondere an, dass der frühere Konrektor in Ostheim und Willmarser Bürgermeister die mehr als achtzig Rhön-Lager des Reichsarbeitsdienstes im Gesamtbild dargestellt habe. Schätzlein habe die Organisation in Bayerns, Hessens und Thüringens Rhön erklärt und Lebenseinblicke gewährt. Er habe durch die Hinführung zum Thema ab dem Ende des Ersten Weltkriegs Verständnis geweckt für das Denken und Handeln der Generation dieser Zeit, „die eine wahnsinnige Zeit war“.

Schätzlein spannte den thematischen Bogen seiner Buchvorstellung von der Kriegsmüdigkeit 1918 bis zum Ende 1945 mit Toten, Gräbern, Friedhöfen. Er erläuterte, wie der Arbeitsdienst in der Weimarer Republik vielerorts als freiwilliger Dienst ins Leben gerufen worden war, um der Arbeitslosigkeit zu begegnen.

Opfer waren die jungen Leute

1935 wurde der sechsmonatige Dienst für junge Männer zur Pflicht, für Frauen ab 1939. Wie zu Weimarer Zeiten gehörten damals die Urbarmachung von Land sowie Infrastrukturbauarbeiten zu Mühen und Last. Zudem standen Ernteeinsätze auf dem Plan, um die fehlende Arbeitskraft von Frontsoldaten auszugleichen. Ab 1939 bekam der Reichsarbeitsdienst zunehmend Funktionen von Rädern einer Kriegsmaschinerie. Die Frauen wurden beispielsweise zur Waffenproduktion herangezogen. Schätzlein: „Die jungen Leute waren wie die Mehrzahl der Deutschen Opfer des Dritten Reiches.“

Im „Gau“ Mainfranken gab es im hiesigen Raum Lager in Fladungen, Mellrichstadt, Hausen, Leubach, Weisbach, Wechterswinkel, Waltershausen, Sternberg, Strangenroth, Münnerstadt und bei Bischofsheim. Heute existieren von diesen NS-Einrichtungen oft nur kärgliche Überreste. Augenfällig sind allerdings, wie Museumsleiterin Sabine Fechter anmerkte, die Fichtenanpflanzungen der Hochrhön. „Arbeitsmänner“ legten sie als Windschutzstreifen für Höfe an. Die Fichtenmonokulturen liegen Naturschützern des Biosphärenreservats Rhön in heutiger Zeit schwer im Magen. Mit der Motorsäge zum Kahlschnitt schreiten und Mischwald anpflanzen geht nicht. Daher müssen Forstleute behutsam vorgehen und hie und da eine Buche, Eberesche oder Elsbeere setzen.

Gerhard Schätzlein wird sein Buch weiter am Freitag, 18. Oktober, um 18 Uhr im Schloss des thüringischen Geisa vorstellen. Dann am Donnerstag, 24. Oktober, um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei des fränkischen Bad Kissingen. Und zum Abschluss am Donnerstag, 31. Oktober, um 18.30 Uhr im Stadtschloss im hessischen Fulda.

Der reich bebilderte Band hat 420 Seiten, ist in allen Buchhandlungen zu haben und kostet 25 Euro.

 
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