Im Rahmen eines Festaktes im Kaisersaal der Münchner Residenz wurde das Rhön-Gymnasium für den zweiten Platz des renommierten Simon-Snopkowski-Preises geehrt. Die Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition zeichnete damit das Projekt von Studiendirektor Günter Henneberger und seinen Schülern aus, das sich der Dokumentation des jüdischen Friedhofs Bad Neustadt widmet. Anwesend waren bei der Preisverleihung außer Ilse Ruth Snopkowski, Vorsitzende der Gesellschaft mit Sitz in München, Josef Schuster (Präsident des Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland) und Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle.
Die aus Bad Neustadt angereiste Delegation, bestehend aus Schulleiterin Edith Degenhardt, Günter Henneberger und einer Schülergruppe sowie Bürgermeister Bruno Altrichter und dem geschäftsführenden Beamten der Stadt, Michael Weiß, konnte viel Lob für das mit großem Einsatz betriebene Projekt entgegennehmen. Anwesend war auch Professor Stefan Simon. Der in Yale lehrende Konservierungswissenschaftler hat seine Wurzeln in der oberen Rhön und ist Ideengeber und Mitinitiator des Vorhabens.
„Bad Neustadt ist ein Ort, den man auch in Israel kennt“, sagte Stefan Scheider vom Bayerischen Rundfunk, der die Veranstaltung moderierte und der das Schüler-Projekt vorstellte. Er hob den langjährigen Schüleraustausch des Gymnasiums mit Israel heraus. „Das allein hätte schon einen Preis verdient.“ Anschließend ging er auf das Projekt (siehe Infokasten) ein, in dessen Rahmen israelische und deutsche Schüler gemeinsam den jüdischen Friedhof in der Bad Neustädter Mozartstraße dokumentierten und eine informative Datenbank erstellten. Damit sei ein nahezu schon vergessener Ort zurück ins Bewusstsein geholt worden.
Zuvor hatte Ilse Ruth Snopkowski, Gattin des verstorbenen Namensgebers des Preises, die Gäste willkommen geheißen. Lang war die Liste der Ehrengäste aus Kultur, Kirche und Politik. Der Preis wolle nicht nur wissenschaftliche Leistungen anerkennen, sondern junge Menschen motivieren, sich mit jüngerer Geschichte zu beschäftigen und sich eine Meinung zu bilden.
Josef Schuster, derzeit als Nachfolger von Dieter Graumann als Zentralratsvorsitzender der Juden in Deutschland im Gespräch, hob heraus, dass die auszuzeichnenden Jugendlichen sich um den Dialog zwischen Juden und Nichtjuden verdient gemacht hätten. Sie würden einen wertvollen Beitrag für Verständnis und Verständigung zwischen diesen Personengruppen leisten. Kurz ging er auf die drei Preisträger-Schulen ein. Als Unterfranke freue er sich besonders, dass auch eine Schule aus dieser Region unter den Siegern sei. Simon Snopkowski sei es wichtig gewesen, den Menschen jüdische Kultur näher zu bringen. Besonders habe ihm das Gespräch mit Jugendlichen am Herzen gelegen. „Die Preisträger haben in seinem Sinne an einem freundschaftlichen Miteinander von Juden und Nichtjuden mitgearbeitet.“
„Simon Snopkowski steht für ein Stück deutsche Geschichte und für deren dunkelste Stunden“, sagte Ludwig Spaenle in Vertretung von Schirmherr Ministerpräsident Horst Seehofer. Gleichzeitig stehe er für die jüdischen Bürger, die nach dem Nationalsozialismus in Deutschland einen Neuanfang wagten. „Das ist das, was Hoffnung macht, aber auch lehrt, die Geschichte nicht ruhen zu lassen.“ Die Jugendlichen hätten sich auf Spurensuche nach jüdischem Leben in unserer Mitte begeben.
Dann wurden die Preisträger auf die Bühne gebeten. Allen voran die Bad Neustädter. Man habe bei der Arbeit mit den Schülern aus Israel gemeinsame Werte und eine gemeinsame Geschichte erfahren, führte der verantwortliche Lehrer Günter Henneberger aus. Es sei nicht immer einfach gewesen, stellten die Schüler heraus. Sie trotzten dem Regen und hätten doch immer ein gemeinsames Ziel vor Augen gehabt. „Wir haben unter den Israelis Freunde gewonnen“, so die Jugendlichen. Schulleiterin Edith Degenhardt versprach, dass die Urkunde einen Ehrenplatz erhalten werde. Die Schüler versäumten nicht, sich bei allen Helfern und Unterstützern, vor allem bei ihrem Lehrer, zu bedanken. Schülersprecher Jakob Kirmse überreichte als Geschenk je ein Buch über den Landkreis an Ilse-Ruth Snopkowski und Ludwig Spaenle.
Das Rhön-Gymnasium teilt sich den zweiten Platz mit den Mittelschulen Langenzenn und Veitsbronn, die eine Ausstellung zum Thema der jüdischen Kindertransporte zu Beginn des Zweiten Weltkrieges erstellten. Den ersten Preis erhielt das Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen, das einen Audio-Guide über ihre Stadt im Nationalsozialismus schuf. Für eine lebendige Erinnerungskultur plädierte auch Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks. An die Jugendlichen richtete er den Appell, immer wachsam zu sein, die Demokratie zu verteidigen und die Würde des Menschen in jeder Hinsicht zu gewährleisten.
ONLINE-TIPP
Informationen zum Simon-Snopkowski-Preis im Internet rhoengrabfeld.mainpost.de
Der jüdische Friedhof in Bad Neustadt – Das Projekt
Das Rhön-Gymnasium pflegt seit 1992 den Schüleraustausch mit der Schule Mikve Israel bei Tel Aviv. Neben der Begegnung der Jugendlichen und dem Kennenlernen des jeweils anderen Landes steht immer ein Projekt im Mittelpunkt des Austauschprogramms. Im vergangenen Schuljahr nahmen sich Studiendirektor Günter Henneberger und seine Schüler im Rahmen eines Seminars eine große Aufgabe vor – die Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Bad Neustadt. „Das Reizvolle daran ist, dass Israelis und Deutsche beziehungsweise Christen und Juden die gemeinsame Geschichte der Juden in Deutschland auf direkte Weise kennenlernen und durch die gemeinsame Arbeit am Projekt einander näher kommen können“, hatte Henneberger in der Bewerbung für den Snopkowski-Preis die Intention der Arbeiten beschrieben. Im September 2013 waren die israelischen Austauschschüler in Bad Neustadt. In dieser Zeit untersuchte man in Teamarbeit die Grabsteine des jüdischen Friedhofs. Die Jugendlichen notierten Maße, Lage und Gestalt der Grabsteine und vor allem die Inschriften. Zudem wurde jeder Grabstein fotografiert. Im Laufe der Zeit entstand unter der Leitung von Prof. Moshe Caine (Jerusalem) eine interaktive Dokumentation des Friedhofs. Der moderne und zum Mitteilen von Informationen einladende Internetauftritt konzentriert sich nicht nur auf die fotografische Dokumentation des Friedhofes, sondern gibt auch über die Historie der einstigen jüdischen Gemeinde in Bad Neustadt und einzelne Personen und Familien Auskunft – eine Art virtuelles Museum der jüdischen Gemeinde von Bad Neustadt. Die Schüler des Rhön-Gymnasiums haben dazu das Stadtarchiv besucht und Interviews mit Zeitzeugen geführt, um die Geschichte hinter den Grabsteinen zu erkunden.
Nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass das Projekt wertvollen wissenschaftlichen Beistand sowohl aus Deutschland als auch aus Israel erfährt, hat dies längst den schulischen Rahmen verlassen und ist auf einer hohen und fundierten Forschungsebene anzusiedeln. Der Internetauftritt kann unter www.judaica-badneustadt.de/de aufgerufen werden (wobei die deutsche Übersetzung noch unvollständig ist).
Der Simon-Snopkowski-Preis
Simon Snopkowski wurde am 23. Juni 1925 in Myszków in Oberschlesien geboren und starb am 2. Dezember 2001 in München. Er war ein deutscher Arzt und von 1971 bis zu seinem Tod Präsident des Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 1975 und später wieder, ab 1996, gehörte er dem bayerischen Senat an.
Snopkowski wurde kurz nach dem Abitur in Tschenstochau wegen Kurierdiensten für Widerstandsgruppen inhaftiert und in das KZ Groß-Rosen deportiert, in dem er bis zur Befreiung im Februar 1945 einsaß. Sein Vater und sein Bruder wurden von der SS erschossen, seine Mutter und seine Schwestern in das KZ Auschwitz deportiert und vergast. Er studierte in München Zahn- und Humanmedizin. Von 1966 bis zu seiner Pensionierung 1987 war er Chefarzt im Klinikum rechts der Isar in München. Snopkowski gehörte in leitender Funktion verschiedenen jüdischen Spitzenorganisationen an. Von 1960 bis 1971 war er Vizepräsident und ab 1971 Präsident der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 1981 war er Gründungsmitglied der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition und wurde deren erster Vorsitzender. 1997 war Snopkowski maßgeblich am Zustandekommen des Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Bayern und der israelitischen Kultusgemeinden zur Gleichstellung jüdischer Religionsgemeinschaften beteiligt. Für seine gesellschaftlichen Verdienste wurde Snopkowski 1976 mit dem bayerischen Verdienstorden und 1985 mit der bayerischen Staatsmedaille für soziale Verdienste ausgezeichnet. 1995 erhielt er das Große Verdienstkreuz mit Stern.
Der Simon-Snopkowski-Preis wird seit 2006 jedes zweite Jahr für Forschungsarbeiten zur jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern und zum Holocaust vergeben.
„Die Arbeiten, die von den Schulen eingereicht werden, sind oft Zeugnisse jüdischer Geschichte, die ohne die Schüler unwiederbringlich verloren gehen würden. Sie dokumentieren häufig die jüdische Geschichte des Heimatortes oder erforschen Schicksale ehemaliger jüdischer Mitschüler bzw. Mitbürger“, heißt es auf der Homepage der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition. Im persönlichen Erforschen der jüdischen Geschichte werde diese den Schülern nachvollziehbar und das Judentum begreifbarer.