Zum Artikel „Bauern machen ihrem Ärger Luft“ vom 9. Januar erreichte die Redaktion folgende Zuschrift.
An die 1500 Landwirte protestierten in der Kreisstadt friedlich gegen die Kürzung von Subventionen. Unser Landrat hielt ihnen eine Rede. Dabei kritisierte er allen Ernstes, dass verstädterte Politiker „noch nie mit dem Traktor Holz im Wald gemacht hätten“. Vielleicht will er ja „Hubsi“ Aiwanger imitieren, der im Dunst der Bierzelte den Bauern nach dem Mund redet und das Land gegen die Stadt ausspielt, weil er spürt, dass ihm die Felle in Richtung AfD davonschwimmen.
Bauernfänger haben Konjunktur. Sie schüren dumpfe Unzufriedenheit. So spaltet man die Gesellschaft. Nötig wäre das Gegenteil. Denn auch ohne Städter stirbt das Land. In den Ballungszentren wird ein großer Teil der Steuern generiert, aus denen sich EU-Zuschüsse finanzieren. Die meisten Bürger stehen hinter den Bauern. Die gleichen Bürger, die sich im Discounter mehrheitlich für Billigfleisch entscheiden.
Geht es Bauern wirklich schlechter als überlasteten Pflegekräften? Oder machen sie mit ihren Traktoren nur mehr Krach? „Die Bauern“ gibt es nicht. Während in kleinen Familienbetrieben oft noch nicht einmal der Mindestlohn herausspringt, erwirtschaften Großbetriebe glänzende Ergebnisse. Mehr Fläche – mehr Zuschüsse. Es gibt „Subventionsritter“, die die Brüsseler Zuschuss-Klaviatur virtuos beherrschen.
Landwirte sind wichtig. Ohne sie funktioniert unser Land nicht. So wenig wie ohne Maurer, Kinderpflegerinnen, Bäcker, Bandarbeiter, Mechatronikerinnen, Künstler, Ärztinnen oder Politiker.
Natürlich stellt die Produktion von Nahrungsmitteln etwas Besonderes dar. Dem wird Rechnung getragen. Nur 1,3 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten noch in der Landwirtschaft. Sie erwirtschaften 0,87 Prozent des Bruttosozialprodukts. So stand es in der Tageszeitung. Dafür werden sie mit 33 Prozent des EU-Haushalts subventioniert. Keine andere Branche wird derartig unterstützt.
Deutsche Bauern werden auch künftig am Subventionstropf hängen. Sie können mit Niedriglohnländern nicht konkurrieren. Daran könnte auch eine AfD-Regierung nichts ändern. Und die großen Handelsketten werden ihnen auch weiterhin die Preise diktieren.
Subventionen halten heimische Lebensmittel künstlich billig. Natürlich knüpft der Staat seine Zuschüsse an Bedingungen, die dem Allgemeinwohl dienen. Er fördert Biodiversität, Landschaftspflege, Tierwohl und Trinkwasserschutz. Ist das schlecht?
Klar, die Bürokratie nervt. Aber warum protestieren die Landwirte erst jetzt so massiv? Der größte Teil dieser „wettbewerbsverzerrenden Überregulierung“ wurde in den Merkel-Jahren von „schwarzen“ Landwirtschaftsministern beschlossen. Sogar der Bauernverband propagiert bis heute „Wachse oder weiche“.
Warum sind ausgerechnet die Grünen zum roten Tuch geworden? Vielleicht weil sie einige unangenehme Wahrheiten offen aussprechen. Zum Beispiel, dass nach dem neuesten Bodenatlas bereits 60 Prozent der Böden innerhalb der EU infolge intensiver Landwirtschaft als geschädigt gelten. Zum Beispiel, dass überhöhter Fleischkonsum dem Klima und der Gesundheit schadet. Sogar Markus Söder will jetzt gesünder leben und hat sich für das neue Jahr vorgenommen, weniger Bratwürste zu konsumieren, wie der Presse zu entnehmen war.
Die Zusammenhänge sind komplex. Sie passen nicht auf ein Transparent am Frontlader eines Traktors.
Andreas Müller
97616 Bad Neustadt