Es gibt sie überall inmitten von dicht bebauten Wohnsiedlungen: verwilderte und zugewucherte Grundstücke, die Anwohnern, aber auch den Verantwortlichen in den Rathäusern, ein Dorn im Auge sind. Derzeit baut sich eine breit angelegte Initiative von Kommunen auf, die gegen diesen Missstand vorgehen will. Über die Einführung einer Steuer soll auf Eigentümer Druck ausgeübt werden, die Grundstücke zu bebauen oder zu veräußern. Aber gibt es überhaupt so viele Fälle, die diesen weitreichenden Schritt rechtfertigen? Wir hörten uns innerhalb der NES-Allianz um.
Brandbriefe nach München
Vor ein paar Tagen hatten die Bürgermeister der NES-Allianz erst einen Beschluss gefasst, der ausdrücklich die Einführung einer Grundsteuer C fordert. Auch die übrigen Gemeindeallianzen im Landkreis warten mit einer ähnlichen Aktion auf. Die Streutal-Allianz bereitet ein Schreiben nach München vor oder hat es schon geschickt, auch die Kreuzberg-Allianz ruft die Staatskanzlei zum Handeln auf, nicht anders sieht es in der Grabfeld-Allianz aus. Und auch Birgit Erb arbeitet als Kreisvorsitzende wie Vizepräsidentin des Bayerischen Gemeindetags an einer Stellungnahme. Im Kreistag ist eine entsprechende Resolution der SPD allerdings abgelehnt worden.
Hintergrund für die Initiative ist die Suche nach Bauland. Danach sollen Grundstücksbesitzer nach einem Hebesatz, den die Gemeinden festlegen, jährliche eine Steuer für ihre Flächen zahlen. Dass damit keine Einzelfälle angesprochen sind, ergab eine Umfrage bei den Ortsoberhäuptern.
Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner bekommt permanent Anfragen, muss aber die Bauinteressenten vertrösten. "Im gesamten Stadtgebiet gibt es etwa 200 ungenutzte Grundstücke in privater Hand, auf die die Stadt keinen Zugriff hat", so Werner. Das Problem konzentriere sich nicht nur auf das Baugebiet "Langer Hans", sondern trete in allen Stadtteilen auf. Die Stadt versuche der Nachfrage nach Bauland deshalb entgegenzukommen, indem sie auch aktuell wieder weitere Baugebiete plane.
Der Sälzer Bürgermeister Martin Schmitt kann mit einem besonders grotesken Beispiel aufwarten. Innerhalb seiner Gemeinde gibt es etwa 20 Grundstücke, die ungenutzt brachliegen, einige davon bereits seit 50 Jahren. Trotz mehrfacher Nachfragen sträuben sich die Besitzer, die Flächen zu veräußern. Die Gemeinde habe gerade noch ein einziges Grundstück im Altort. Derzeit sei ein Baugebiet in Planung, das in etwa zwei Jahren baureif sei. Täglich erhalte er Anfragen, die Grundstücke könnte er inzwischen dreimal verkaufen.
Noch prekärer scheint die Situation in Hohenroth. Über die drei Ortsteile verteilt, befinden sich 44 Bauplätze in privaten Händen, die seit längerer Zeit unbebaut sind. Wie es dazu kam, wiederholt sich über die Gemeinden, erklärt Bürgermeister Georg Straub. Die Ureigentümer des Areals, das zu Bauland gemacht wurde, reservierten beim Verkauf für sich oder Kinder Grundstücke, doch eine Bebauung erfolgte nicht. Auf seiner Liste zähle er inzwischen 80 Anfragen. Dabei besitze die Gemeinde keinen eigenen Bauplatz mehr.
Ähnlich in Wollbach, wo Thomas Brückmüller nach eigenen Angaben pro Woche etwa eine Anfrage erhält. Dabei gebe es noch etwa 30 unbebaute Grundstücke. Mehrfach seien die Eigentümer angeschrieben worden. Die Gemeinde selbst habe in den vergangenen zehn Jahren etwa 25 Bauplätze erschlossen, die inzwischen längst genutzt werden.
In der Verwaltungsgemeinschaft Bad Neustadt wird das Thema insgesamt über ein Flächenmanagement behandelt. Als Grundlage dienen die Zahlen, die Klaus Wohlfahrt zusammengestellt hat. Danach sind in Niederlauer insgesamt etwa 40 Grundstücke betroffen. In Burglauer wurden 50 Eigentümer angeschrieben. Bei einer Rückmeldung von knapp zwei Dritteln haben 23 Eigentümer einen Verkauf abgelehnt, fast deckungsgleich die Situation in Schönau.
In Wülfershausen ist gerade ein Baugebiet mit 20 Bauplätzen erschlossen worden, davon stünden noch sechs zur Verfügung, berichtet Ortsoberhaupt Wolfgang Seifert. Insgesamt befinden sich etwa zehn Grundstücke in privater Hand, die aber zurückgehalten werden.
Birgit Erb macht sich in ihrer Funktion als Vorsitzende des Unterfränkischen Gemeindetags für die Grundsteuer C an vorderster Front stark. Zu ihrem Bedauern wird nach derzeitigem Stand die Einführung wohl nicht erfolgen. Insbesondere Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist zu ihrem Unverständnis ein vehementer Gegner. Sein Gegenargument: Grund und Boden könnten noch mehr zum Spekulationsobjekt werden und weiter verteuern. Damit sei Bayern das einzige Bundesland, das die Grundsteuer C nicht eingeführt habe – obgleich sie im Koalitionsvertrag verankert sei. Und das Problem zeige noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange auf.
Zunehmend haben Kommunen Sorgen mit den sogenannten "herrenlosen Anwesen". Das sind Immobilien, deren Eigentümer zum Beispiel verstorben und die Nachfahren nicht auffindbar sind oder kein Interesse zeigen. Für solche Fälle bräuchten die Kommunen ebenfalls ein möglichst unbürokratisches Instrument, um Zugriff auf die Anwesen zu erhalten. "Es geht schließlich um eine nachhaltige Entwicklung der Gemeinden – gerade auf dem Land".
Gemeinsam ist man bekanntlich stärker.