„Vor acht Wochen war die Situation noch übersichtlich, dann explodierte der Bestand und nun werden wir vom Borkenkäfer überrollt“. Hubert Türich, Abteilungsleiter vom Bad Neustädter Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ist gewöhnlich nicht aus der Ruhe zu bringen. Jetzt fällt es ihm genauso wie dem Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Fränkische Rhön und Grabfeld, Jörg Mäckler, schwer, die aktuelle Lage zu beschreiben. „So etwas habe ich bisher noch nicht erlebt“, sagen beide übereinstimmend.
Warnstufe rot in der Region
Ein Blick auf die Karte der Landesanstalt für Wald und Forsten, auf der der Borkenkäferbefall Bayerns verzeichnet ist, spricht eine eindeutige Sprache: Fast alle Regionen leuchten in der Warnstufe rot. In den Landkreisen Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen sind praktische alle Fichtenbestände betroffen, am stärksten der Bereich des Grabfelds, erklären die beiden Forstleute bei einem Rundgang im Gemeindewald von Saal.
Für den Bereich ist Holger Tillmann zuständig. Und damit sehr beschäftigt. Ein Anruf unterbricht ihn, als er gerade die Zustände in seinem Revier beschreibt. Sein Miene erhellt sich nach dem Telefonat, „der Rücker hat sich angekündigt, in einer Stunde ist er da“.
Zu wenig Rückeunternehmen
„Das ist nämlich das nächste Problem: Es gibt zu wenig Rückeunternehmen, die das Holz aus dem Wald holen“, und zeigt auf eine Reihe von gefällten Stämmen, die kreuz und quer im Wald liegen. Nach dem immensen Preisdruck vor einigen Jahren hätten viele Unternehmen kapituliert, jetzt räche sich diese Vorgehensweise und seit Tagen liegen die Stämme zum Abholen bereit.
Das Bild, das sie bieten, ist erschreckend. Einige Stämme haben überhaupt keine Rinde mehr. Auf dem nackten Holz ist deutlich das typische farnartige Muster der Gänge des Schädlings zu erkennen. Daneben liegt eine etwa 70 Jahre alte, knapp einen Meter starke Fichte. „Der Borkenkäfer befällt eher schwache Bäume, jetzt fällt er auch über gesunde, vitale Fichten her“.
Trockenheit begünstigt Schädlinge
Allerdings ist es mit der Vitalität im Augenblick nicht weit her. „Denn die Trockenheit begünstigt einerseits die Fortpflanzung der Schädlinge, andererseits setzt sie dem Wald gewaltig zu“, erklärt Türich. Die Bäume hätten keine Abwehrkräfte und zudem keine Chance, den massenhaften Befall zu verhindern. Durch einen relativ nassen Winter habe sich der Grundwasserspiegel zwar etwas erholt, davon sei jetzt aber nichts mehr zu sehen. „Schauen sie sich nur in den Bächen um, einige sind sogar komplett ausgetrocknet“.
ergänzt Jörg Mäckler. Für Fichte wird nur noch die Hälfte bezahlt, weil das befallene Holz als minderwertige Ware verkauft werden muss.
1000 Privatwaldbesitzer angeschrieben
„Das motiviert nicht gerade die Waldbesitzer, nach den Bäumen zu schauen“, befürchtet Türich. Seine Mitarbeiter haben schon über 1000 Privatleute angeschrieben und sie auf den Befall aufmerksam gemacht – „im Vorjahr waren es nicht einmal hundert“. Dabei hätten die Waldbesitzer nicht nur die Pflicht zur Kontrolle, sie sei auch in ihrem ureigenen Interesse. Die Ausbreitung verlaufe so rasant, dass schon in kürzester Zeit Nachbarbäume befallen werden. „Darauf zu hoffen, dass sich der Baum erholt, wäre fatal“.
Der Käfer wird auch den Winter schadlos überstehen. „Die kalte Jahreszeit, in der der Käfer nicht aktiv ist, gibt den Forstleuten aber hoffentlich Zeit, das Holz aufzuarbeiten“. Es könne nur darauf gehofft werden, dass das nächste Frühjahr kalt und nass ist, ansonsten passiert das gleiche wie in diesem Jahr. Und vielleicht noch schlimmer, „die Bäume sind durch die Vorschädigungen geschwächt“, befürchten die Forstleute. Wenn es dann ans Wiederaufforsten geht, warnt Türich eindringlich davor, auf die Fichte zu setzen. „In unseren Breitengraden hat die Fichte keine Chance mehr“.