
"Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel." Unwillkürlich erinnert einen der Titel des Stückes von Theresia Walser um drei Diktatorenwitwen und einen Simultandolmetscher an den Ausspruch von Stasichef Erich Mielke nach dem abrupten Ende seiner Karriere: "Ich liebe euch doch alle." – Frank Behnke inszenierte nun die bitterböse Komödie in den Meininger Kammerspielen.
Ursprünglich stammt die Apfelanbiederung ans Volk einem Buch des libyschen Diktators Gaddafi, wird hier aber einer der drei Damen zugeschrieben: Leila, der Gattin des ehemaligen tunesischen Diktators Ben Ali. Die beiden anderen Herrscherwitwen sondern allerdings nicht weniger Fürchterliches ab. Margot Honecker spricht von sich als "Ich stehe hier als Idee, nicht als Frau". Und Imelda Marcos, Schuhfetischistin und Kleptokratin aus Manila, prahlt mit "Mein Leben muss als Oper gesungen werden."
Machtgeschöpfe der Moderne geistern durch die Zeitgeschichte
In der Tat wäre das, was die drei in achtzig Minuten auf der Bühne präsentieren, fürs Publikum eine Übung in Fremdscham, wenn es nicht so bitterbitterböse lustig wäre. Aber Vorsicht! Ähnliche Machtgeschöpfe der Moderne geistern nach wie vor in nicht geringer Zahl durch die Zeitgeschichte. In himmelschreiender Egomanie und Selbstgerechtigkeit.
Eine geniale Idee von Theresia Walser also, den drei Damen ein Podium zu geben, auf dem sie sich mit jedem ihrer authentischen Sätze – und in vielen von der Autorin passgenau zugeeigneten – in ihrer absoluten Lächerlichkeit entblößen. Man bekäme am Ende fast Mitleid mit ihnen, wenn man nicht wüsste, für welche Verbrechen an der Menschlichkeit sie mitverantwortlich und an wie vielen kriminellen Akten sie beteiligt waren.

Eine schier unlösbare Aufgabe
Das fiktive Podium ist eine karge Hinterbühne (Bühnenbild und Kostüme: Christian Rinke), kurz vor einer Pressekonferenz. Gleich sollen sich die Damen den Fragen der Presse stellen, warum gerade ihre Lebensgeschichte verfilmt werden sollte.
Da sich zwar Frau Imelda und Frau Leila verständigen können, Frau Margot aber kein Wort Englisch spricht, fällt dem Simultandolmetscher Gottfried eine schier unlösbare Aufgabe zu: Eine Konversation zwischen drei Frauen in Gang zu setzen, die um nichts anderes als um sich selbst kreisen. Notfalls mit falschen Übersetzungen, die gegenseitiges Interesse heucheln. Allein hier fragt man sich, wie Dolmetscher im Lauf der Zeit die Weltpolitik durch Weglassungen oder Hinzufügungen beeinflussten, wenn sie nicht gleich von beleidigten Diktatoren gemeuchelt wurden.

So sind die Diktatorenwitwen
Drei bequeme Bürosessel für die Grazien und ein harter Bürostuhl für den Dolmetscher. Und eine Besetzung, wie man sie sich nur wünschen kann. Hut ab vor den drei Schauspielerinnen, die ihren Figuren so unterschiedliche Profile geben und gleichzeitig die Gemeinsamkeit der Diktatorenwitwen mit großer Leidenschaft und Spielfreude hervor kitzeln: Christine Zart als aufgedonnerte Frau Imelda im nachtblauen Gewand vom besten aller Couturies, einer überirdischen Frisur und der Ausstrahlung einer über alle Zweifel erhabenen Operndiva als Hauptdarstellerin in ihrem eigenen Stück.
Das glatte Gegenteil: Ulrike Knobloch als Margot Honecker, blaustrümpfig aus Prinzip, eisern in Mimik, Gestik und Gesinnung und grau in grau bis in die Haarspitzen. Evelyn Fuchs als die gespielt empfindsame Frau Leila, die immer wieder en passant ihre akademische Bildung und ihre poetische Natur ins Gespräch einfließen lässt.
Und schließlich Hut ab vor Lukas Umlauft als Mann zwischen allen Stühlen, der vergeblich versucht, etwas zusammenzufügen, was nicht zusammenpasst. Auch seine DDR-Biografie als Kind und die Beziehung zu Frau Margot als Ministerin für Volksbildung wird bald eine Rolle spielen. Aber die wird nicht verraten. Hingehen, ansehen und staunen.
Nächste Vorstellungen: 17. und 20.10., 2.12, 3.1. Kartentelefon: 03693-451 222. www.staatstheater-meiningen.de