Bestmöglich auf neue Herausforderungen durch Klimawandel und Artenschwund reagieren können und Lösungen im Konfliktfeld Rohstoffproduktion und Naturschutz finden: Das ist das Ziel von Hessen Forst, dessen Betriebe sich für den alljährlichen „Best Practice Day Naturschutz“ im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön getroffen haben. Ausrichter war das Forstamt Hofbieber, Modellbetrieb für Biodiversität, das mit zahlreichen Partnern laufende und geplante Naturschutzprojekte vorstellte. So ging es in Vorträgen und bei Exkursionen zum Beispiel um den Schutz von Quellen und Libellen sowie das Monitoring von Fledermäusen, Eulen und Spechten.
Das Interesse sei groß gewesen, heißt es in einer Pressemitteilung des Biosphärenreservats Rhön. Rund 70 Gäste seien der Einladung des Landesbetriebs Hessen Forst ins Bürgerhaus Langenbieber gefolgt. Unter den Referenten und Gästen waren nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forstämter, sondern auch Haupt- und Ehrenamtliche aus unterschiedlichen Bereichen des Naturschutzes – darunter NABU, Hessische Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön und Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Fulda.
Modellbetrieb für Biodiversität PLUS
„In Zeiten von Klimawandel und Artensterben können wir uns nicht mehr auf unsere bisherigen Erfahrungen verlassen“, betonte Bernd Mordziol-Stelzer vom Forstamt Hofbieber in der Pressemeldung. „Dieses Wissen müssen wir hinterfragen und daraus neue Lösungen für den Waldnaturschutz entwickeln.“
Im Sommer 2020 ist das Forstamt mit Erlass des Umweltministeriums zum „Modellbetrieb für Biodiversität PLUS“ ernannt worden. Im Zuge dessen werden verschiedene Maßnahmen entwickelt, die dem Erhalt und der Steigerung der Biodiversität im Landeswald dienen sollen. Hierfür arbeitet das Forstamt zum Beispiel intensiv mit der hessischen Verwaltung des Biosphärenreservats zusammen. Bei einem Fledermaus-Monitoring wurden insgesamt 13 Arten festgestellt – inklusive eines Hinweises auf ein Vorkommen der Nymphenfledermaus, für die es aktuell in Hessen keinen weiteren Nachweis gibt, erklärte der Forstreferendar Raphael Rau laut Biosphärenreservat. Zu Schutzmaßnahmen gehören der Ankauf von Habitatbäumen in Privatwäldern, die Sicherung von Fledermaus-Winterquartieren in Stollen und Bunkeranlagen und die Ausbringung von Fledermauskästen.
Russland und die heimische Holzernte
Mit Projekten wie diesen – hinzukommen Themen wie Streuobst, Waldweide und Wasserrückhalt – soll das Forstamt als Modellbetrieb Ideen für andere liefern. „Wir wollen aus der Praxis für die Praxis lernen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden“, sagte Jörg Burkard aus der Landesbetriebsleitung von Hessen Forst. Der Naturschutz werde, so ist weiter der Pressemitteilung zu entnehmen, künftig im Staatswald eine noch größere Rolle spielen. Für den Staatswald werde das Veränderungen mit sich bringen – zum Beispiel bei der Anzahl der Habitatbäume. Trotzdem: „Der Druck auf die heimischen Rohstoffquellen wird kommen“, betonte Burkard. Vor allem mit Blick auf Russland gelte es, in Sachen Holzernte und Holzverkauf autark zu werden und unabhängig zu sein. Umso wichtiger sei es, Ernte und Naturschutz in Einklang zu bringen.
100 Teiche und ein ungewöhnlicher Kreuzblütler
Die existenzielle Bedeutung von Quellen als Lebensraum für hoch spezialisierte Arten stellte Stefan Zaenker vor. Bisher wurden in einem länderübergreifenden Monitoring im Biosphärenreservat fast 4000 Quellen kartiert, in denen die beeindruckende Zahl von 2641 Tierarten nachgewiesen werden konnten.
Zu den klimasensiblen und hochspezialisierten Arten zählen neben Rhönquellschnecke, Schel-lenberg-Grundwasserkrebs und Co. auch die Libellen in der Rhön: Um ihren Erhalt zu sichern, ist ebenfalls Hilfe notwendig – zum Beispiel durch das Anlegen von Teichen. Welche besonderen Anforderungen es hierbei zu beachten gilt, stellte die Biologin Ellen Ploß vor, die das Libel-lenvorkommen in der hessischen Rhön untersucht. Die konkreten Maßnahmen im sogenannten 100-Teiche-Projekt zugunsten von Libellen, Amphibien und dem Schwarzstorch standen auch bei der anschließenden Exkursion im Fokus.
Wie Artenschutz im „Kleinen“ aussehen kann, wurde im Vortrag von Uwe Barth deutlich: Im Rahmen eines Artenhilfsprojekts wird an Quellbächen im Waldbereich versucht, das Pyrenäen-Löffelkraut wiederanzusiedeln, lässt das Biosphärenreservat verlauten. Der Kreuzblütler, den selbst der erfahrene Biologe als ungewöhnliche Art bezeichnete, ist ein Relikt aus der Eiszeit und kommt hessenweit nur in der Rhön vor – und das bisher nur in sehr kleinem Ausmaß.
In weiteren Vorträgen ging es um das Monitoring von Eulen und Spechten in den Kern- und Pflegezonen (Jonas Thielen, Sachgebietsleiter bei der hessischen Verwaltung des Biosphärenreservats), gezielte Maßnahmen zum Schutz des Schwarzstorchs (Martin Hormann, Landesbetrieb Hessen Forst) sowie das Bibermanagement beim Forstamt Hofbieber (Gunther von Lorentz, Funktionsbeschäftigter Naturschutz).