Das Telefon klingelt bei Svenja Lonicer. Vorbei ist vorerst das entspannte Gespräch in Ostheim. Die Bionade-Marketingleiterin, seit knapp über einem Jahr im Amt, wirft sich stattdessen eine orangefarbene Warnweste mit dem großen Firmenlogo auf dem Rücken über. Sie wird bei parallel stattfindenden Dreharbeiten für einen neuen, deutschlandweiten TV-Werbespot gebraucht - Sequenzen wurden auch auf dem Betriebsgelände und rund um Ostheim gedreht. Es sind spannende und arbeitsreiche Zeiten speziell für Lonicer und im Allgemeinen für eine Getränkemarke, die nach dem Hype Anfang der 2000er Jahre und dem später folgenden Absturz wieder zurück zu der einstigen Erfolgsgeschichte finden will.
Preiserhöhung sorgte für Einbruch
Vertrauen und Sympathie soll wieder zurückgewonnen werden. Aus den vergangenen Problemen macht sie ehrlicherweise auch keinen Hehl. Gerade die saftige Preiserhöhung im Jahr 2008 schreckte viele Verbraucher ab, nach den Bionade-Flaschen im Verkaufsregal zu greifen. Nach Expertenmeinung ein schwerwiegender strategischer Fehler. Dazu kamen ein Jahr später die Querelen nach dem Einstieg der Radeberger-Gruppe. "Es kamen viele Gründe zusammen", so die Marketingleiterin, "und wir glauben, dass wir mit der Übernahme durch die Hassia-Gruppe nun gut aufgehoben sind". Seit 2018 gehört die einstige Kult-Limo nun zum hessischen Familienunternehmen mit Sitz in Bad Vilbel, das ausschließlich nicht alkoholische Marken im Portfolio hat.
"Ehrlichkeit" ist das große Schlagwort, dass über dem Neuanfang prangt und dass sich auch im neuen, bewusst mehrdeutigen Slogan "Weil ehrlich gut" wiederfindet. Wofür steht die Marke Bionade, was sind die Werte und was sind ihre Unterscheidungsmerkmale zu den Wettbewerbern, hatten sich die Verantwortlichen gefragt. "Da kommt man sehr schnell darauf, dass es bei Bionade eben stark um Transparenz, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und natürlich um die hohe Qualität der Produkte geht", so Lonicer. Der neue, nahe liegende Claim war also schnell gefunden und zieht sich durch die großangelegten Werbekampagnen, die nun gestartet sind.
Neue Plakate mit Selbstironie und Humor
Wer in den kommenden Tagen aufmerksam durch Ostheim läuft, dem werden gleich die neuen Plakate ins Auge stechen. Seit vergangener Woche hängen sie dort, sukzessive später dann auch in der ganzen Republik und sollen mit Selbstironie und einer Prise Humor für die Limo werben. "Schon immer wenig Zucker. Aber plötzlich feiern es alle", ist nur ein Spruch. Es folgen ab Anfang Juni verschiedene kurze Werbspots - die letzten liefen 2015 über die Mattscheiben.
"Für uns ein echtes Experiment. Mal zwei ganz normale Sorten rauszubringen", ist ein anderer Spruch. Gemeint sind die neuen Sorten "Naturtrübe Orange" und "Naturtrübe Zitrone", die als Zugpferde für den neuen, alten Erfolg sorgen sollen. Eine bewusste Überraschung zu den bisherigen, exotisch klingenden, aber weiter im Programm bleibenden Sorten wie beispielsweise "Ingwer-Orange", "Kräuter" oder "Schwarze Johannisbeere-Rosmarin". "Wenn er eine klassische Orangenlimo trinken wollte, musste der Bionade-Fan bisher zum Wettbewerbsprodukt greifen und das ist natürlich nichts, was wir wollen", erklärt Lonicer mit einem Schmunzeln zu den nun insgesamt zehn erhältlichen Sorten. Dazu kommen im Sinne des Nachhaltigkeitsgedanken neue Gebinde mit 0,5-Liter-Glasflaschen auf den Markt, die Etiketten haben sich schon seit Beginn des Jahres verändert. Neu ist beispielsweise der Schriftzug "Pionier seit 1994" und auch das verkürzte Wörtchen "Bio" am oberen Rand der Flasche zur besseren, frontalen Lesbarkeit. So soll die Attraktivität der Marke wieder gesteigert werden. Und Lonicer allgemein: "Das sind viele kleine Schritte, mit denen wir das Vertrauen zurückgewinnen wollen".
Gesucht: Bionade-Cocktailrezepte
Zu diesen kleinen Schritten gehört auch eine starke Präsenz im Online- und Social-Media-Bereich, auf Videoplattformen oder Influencer Kooperationen, also Werbepartner mit starker Bekanntheit, gerade im Hinblick auf die jüngere Generation. Auch die Gastronomie sei laut Lonicer ein extrem wichtiger Kanal. Um dieser Wichtigkeit Ausdruck zu verleihen, wurde der spielerische Cocktail-Mitmach-Wettbewerb "Bionade - Mix was! ... weil wir's nicht können" ins Leben gerufen. Gastronomen, Barkeeper aber auch Privatpersonen können noch bis zum 30. Juni ihre Cocktailideen einreichen. Einzige Bedingung: Bionade muss sich unter den Zutaten befinden. Eine Jury wählt die 12 kreativsten Mixer aus, deren Rezepte sich dann in einem Cocktailbuch wiederfinden sollen. Zudem winken weitere Preise.
Ob der "Bio-Pionier" aus Ostheim mit all dem an die glorreichen Erfolgszeiten wieder anknüpfen kann, wird sich nun zeigen. Erste Reaktionen zu den neuen Sorten machen Hoffnung: "Es ist schön, wenn die Menschen auch mal etwas Positives schreiben, das gibt es nicht immer", so Lonicer. Deren Hoffnungen auf eine bessere Zukunft begründen sich aber auch auf den neuen Eigentümer. "Die Hassia-Gruppe glaubt extrem an diese Marke und ist davon überzeugt, dass die Rückkehr in die Erfolgsspur gelingt". Und das soll auch weiterhin am Produktionssitz in Ostheim geschehen. Ein Weggang aus der Rhön, wie zu früheren Zeiten einmal im Gespräch, ist vom Tisch. Stattdessen wird in den Standort investiert. Nach dem Abriss der ehemaligen Ostheimer Kultdiskothek "08/15" vergrößert sich Bionade momentan mit dem Bau eines neuen Logistikzentrums. "Das ist für die Region total wichtig und ein wichtiges Signal", so Svenja Lonicer abschließend.