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Bastheim
Bienen-Volksbegehren: "In der Praxis läuft Einiges schief"
Warum ein Bio-Landwirt aus Rhön-Grabfeld ein Jahr nach dem erfolgreichen Volksbegehren "Artenvielfalt - Rettet die Bienen" frustriert ist. Und welche Lösungen er vorschlägt.
Landwirt Eberhard Räder (links) mit seinem Sohn Veit im Juli 2019 auf einem Sonnenblumenfeld neben seinem ökologischen Betrieb in Bastheim im Landkreis Rhön-Grabfeld.
Foto: Alexander Dietz | Landwirt Eberhard Räder (links) mit seinem Sohn Veit im Juli 2019 auf einem Sonnenblumenfeld neben seinem ökologischen Betrieb in Bastheim im Landkreis Rhön-Grabfeld.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:14 Uhr

Was ist aus dem Volksbegehren Artenvielfalt "Rettet die Bienen!" in Bayern geworden? Im Februar 2019 haben fast 1,8 Millionen Menschen unterschrieben. Zuvor hatten Forscher in einem Mammutprojekt den drastischen Schwund der Insekten nachgewiesen. Ihr Ergebnis: in nur zehn Jahren ein Drittel weniger Arten. Außerdem nahm die Gesamtmasse an Insekten in Wiesen um fast 70 Prozent ab. Dann kam das Volksbegehren. Plötzlich ging alles ganz schnell. Der Landtag übernahm die Vorschläge eins zu eins. Seit dem 1. August soll ein neues Naturschutzgesetz den Artenrückgang stoppen. Ein voller Erfolg also? Einer, der das anders sieht, ist Eberhard Räder. Er führt seit 20 Jahren in Bastheim einen ökologischen Betrieb, ist ehrenamtlicher Sprecher der Biobauern im Landkreis Rhön-Grabfeld. Warum der 54-jährige Agrartechniker, der dem Präsidium des Anbauverbandes Naturland angehört, ernüchtert ist, erklärt er im Interview.

Frage: Vor einem Jahr haben Sie für das Volksbegehren Artenvielfalt geworben. Es wurde 1:1 in ein Gesetz gegossen. Sind Sie rundum zufrieden?

Eberhard Räder: Nein. Ich denke, die Regierung wollte nach außen signalisieren "Wir haben verstanden". Offensichtlich auf Druck der Verbraucher, doch ohne eigene Überzeugung.

Ein hartes Urteil. Dabei sollen zehn Prozent aller Wiesen in Blühwiesen umgewandelt, der Pestizideinsatz reduziert und die ökologische Landwirtschaft auf 30 Prozent gesteigert werden.

Räder: ...soweit die Theorie. In der Praxis läuft gerade Einiges schief.

Ein Beispiel, bitte!

Räder: Seit Januar bietet die Staatsregierung uns Bauern über das Kulturlandschaftsprogramm eine Fülle neuer Maßnahmen an, die wir freiwillig machen können und dafür entschädigt werden. Zum Beispiel bekommen konventionell wirtschaftende Betriebe 160 Euro pro Hektar auf die gesamte Ackerfläche, wenn auf 30 Prozent der Fläche blühende Kulturen angebaut werden.

Das ist doch gut. Schließlich geht es um´s Artensterben, auch durch den Verlust der Lebensräume. 

Räder: Ja. Aber auch Raps wird gefördert. Er ist zwar gut für die Honigbiene, doch schlecht für die Artenvielfalt. Raps ist eine der intensivsten Früchte in der Landwirtschaft. Er wird mit Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden behandelt. Er braucht viel Stickstoff, mit der Gefahr, dass Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen wird.

Was ist schlecht daran? Es werden doch auch viele andere Blühpflanzen gefördert.

Räder: Weil sich Landwirte wahrscheinlich aus einem Sortiment von Blühfrüchten, für die sie Geld bekommen, die Frucht heraussuchen, die für sie am wirtschaftlichsten ist. Deshalb entscheiden sich jetzt viele für den Raps. Da müssen sie nicht viel umstellen und bekommen trotzdem die Förderung. So wird auch noch der Ökolandbau geschwächt.

"Die kommerzielle Landwirtschaft wird für die nächsten Jahre noch stärker zementiert."
Eberhard Räder, Bio-Landwirt aus Rhön-Grabfeld
Was hat der Raps mit dem Anteil des Ökolandbaus zu tun?

Räder: Viele Bauern, die mit dem Gedanken gespielt haben, auf Ökolandbau umzusteigen, sagen jetzt: Wenn es diese super Förderung für den konventionellen Landbau gibt, sprich: diese 30 Prozent Raps, dann lassen sie lieber alles beim Alten. Daneben gibt es eine Förderung für Wiesen: Wenn der Landwirt auf Mineraldünger und chemischen Pflanzenschutz verzichtet, bekommt er 220 Euro pro Hektar. Die Umstellung auf Öko, bei der der ganze Betrieb inklusive Tierhaltung umgestellt werden muss, wird gerade mal mit 273 Euro pro Hektar gefördert. Da ist fast kein Unterschied. Die Folge: Die konventionelle Landwirtschaft wird für die nächsten Jahre noch stärker zementiert.

Doch gerade jetzt demonstrieren viele Bauern wegen immer höherer Umweltauflagen. Landwirte geben aus finanziellen Gründen ihren Hof auf.

Räder: Die Agrarpolitik hat über Jahrzehnte die Devise ausgegeben: Der Liter Milch, das Kilo Fleisch, der Doppelzentner Weizen, müssen noch billiger produziert werden. Viele Landwirte bleiben dabei auf der Strecke. Sie können keine Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Es sind Unternehmer, die überleben und etwas verdienen wollen. Hier könnte der Staat mit gutem Beispiel vorangehen, etwa durch Ökoprodukte in Kantinen und Schulen. Auch hier passiert nicht viel. 

Bio-Bauer Eberhard Räder im Juli 2019 auf seinem Weizenfeld bei Unterelsbach im Landkreis Rhön-Grabfeld, auf dem sich viele blaue Kornblumen selbst ausgesät haben.
Foto: Alexander Dietz | Bio-Bauer Eberhard Räder im Juli 2019 auf seinem Weizenfeld bei Unterelsbach im Landkreis Rhön-Grabfeld, auf dem sich viele blaue Kornblumen selbst ausgesät haben.
Wären regionale Produkte in öffentlichen Kantinen die Lösung?

Räder: Nein. Der fränkische Bauer spritzt sein Gemüse genauso wie der norddeutsche. Man spart Transportkosten, aber für die Artenvielfalt ist nichts gewonnen. Wir brauchen endlich einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft. Das heißt: regional, saisonal und bio. Vor 30 Jahren hätten wir in aller Ruhe etwas verändern können. Heute brauchen wir radikale Schritte und mutige Politiker. Die Folgen des Artensterbens und des Klimawandels sind bald nicht mehr rückgängig zu machen.

Sollten mutige Politiker die Verbraucher zu höheren Lebensmittelpreisen zwingen?

Räder: Verbraucher werden nicht freiwillig mehr Geld für regionale Produkte ausgeben, die auch noch gut für unsere Umwelt sind. Die Politik muss den Rahmen vorgeben. Wir brauchen eine Lösung wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz: Jeder sollte einen ehrlichen Preis für Lebensmittel bezahlen. Einen Preis, der sowohl die Produktions-, als auch die Umweltkosten widerspiegelt. Der Staat hat nicht die Aufgabe, Einzelinteressen zu schützen. Er muss das tun, was für das Gemeinwohl richtig ist. Das, was im Sinne unserer Kinder und Enkel ist.



 
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  • herzblatt79
    Bekommen die Biolandwirte nicht schon eine extra Förderung? Dachte der Biobauer kann sein besseres Einkommen über die höheren Erlöse erzielen. Dies ist anscheinend nicht so.
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  • roba0815
    ...lieber Olofson - es geht doch hier erstmal darum dass jemand den Mut hat, Probleme deutlich beim Namen zu nennen und dazu auch noch Lösungen aufzeigt!
    Es wird doch hier niemand angegriffen- doch jeder interpretiert das rein, was er für sich gern möchte!?😉
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  • martin.markert@zf.com
    … lieber JoLo24, vieles richtig, aber nicht alles.
    Die Fördersätze und Prozentangaben sind etwa richtig. Das bekommt der konventionelle Bauer, wenn er das macht.
    Der Ökobauer eben nicht. Im neuen KULAP gibt es diese Möglichkeit für Ökobauern NICHT mehr.
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  • JoLu24
    Lieber mgs1g, das ist richtig, es liest sich aber so als würde ein konventioneller Betrieb einfach so bekommen. Ich habe auch lange hin und her gerechnet, aber mit meinen Böden als Marktfruchtbetrieb habe ich mich dagegen entschieden.
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  • Ludwig-geis@t-online.de
    Worum geht es im Artikel?
    Geht es um kostenlose Werbung bei der Komunalwahl für bestimmte Personen oder eine bestimmte Partei? Dann bitte den Werbehinweis geben.
    Oder geht es darum, dass Herr Räder ein größeres Stück vom Kuchen will? Ich glaube fast jeder will immer das größere Stück, deswegen bekommt aber nicht jeder einen Artikel.
    Oder geht es um Insenktenschutz? Dann kann ich laut Artikel mit 1000 € Förderung 4,5 ha Wiese beim konventionellen Landwirt vor Pflanzenschutz und Düngung bewahren, beim Biobauern sind es 3,66 ha, die aber gedüngt werden können. Was ist besser für die Insekten?
    Oder geht es einfach darum, einen weiteren Keil zwischen Konventionell und Öko zu treiben? Herzlichen Glückwunsch!
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  • JoLu24
    Liebe Mainpost, bitte genau recherchieren, ein konventioneller wirtschaftender Betrieb bekommt nicht einfach 160€ wenn er 30 Prozent blühende Kulturen anbaut, er muss eine mindestens fünf gliedrige Fruchtfolge einhalten und eine Frucht darf maximal 30 Prozent ausmachen. Also schafft er das nicht genau mit Raps. Ich wollte diese Jahr Sonnenblumen anbauen, bekomme sie aber nicht vermarktet, keiner konnte mir sagen was ich bekomme. Ich denke kein Arbeiter oder Angestellter geht zur Arbeit ohne zu wissen was er bekommt, oder schreiben Sie Frau Kleinhenz ihre ganzen Artikel umsonst für die Mainpost.
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