Der Weiler Silberhof im Truppenübungsplatz Wildflecken stand an diesem Osterwochenende im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die beiden Heimatforscher Walter Kömpel (Oberbach) und Matthias Elm (Speicherz) haben schon vor einigen Jahren ein Buch über den abgesiedelten Weiler herausgegeben. Nun planen sie über den Nachbarort Reußendorf eine Chronik herauszugeben. Der Weiler Silberhof mit den etwas außerhalb gelegenen Höfen Adamshof, Sarahof, Heinrichshof und Marxehof gehörten zur Gemeinde Reußendorf.
Am Ostersonntag waren die ehemaligen Friedhöfe Reußendorf, am Fuße des großen Auersbergs, und Altglashütten, im Tal der kleinen Sinn, zu besuchen. Viele Interessierte und Nachkommen ehemaliger Bewohner der abgesiedelten Orte nutzten die Gelegenheit, um Ahnenforschung zu betreiben und auf den Spuren ihrer Altvorderen zu wandeln.
Für Karl Kehm (Bad Neustadt) ist ein Besuch im Truppenübungsplatz auch immer eine Kindheitserinnerung. Seine Großmutter stammt aus dem Auershof und heiratete nach Reußendorf. Seine Familie hat Reußendorf schon 1938 verlassen. Doch die Verbindung in die Rhön riss nicht ab. Als elfjähriger Bub kam er für drei Jahre zum Auershof, er musste bei einem Bauern Kühe hüten und ging in Wildflecken zur Schule. Damals, 1960 bis 1963, waren die Orte schon abgesiedelt, doch die Kühe wurden in den Bereich des heutigen Truppenübungsplatz getrieben.
Für Elke Altwein aus Bad Kissingen war es eine Spurensuche. Ihre Familie stammt aus dem Haus Nummer sieben des Weilers Silberhof. Ihr Großvater wurde dort geboren. Wann immer es möglich ist besucht sie den Truppenübungsplatz, um ein Gefühl dafür zu bekommen wo ihre familiären Wurzeln sind. "Es ist schön zu sehen wo mein Opa lebte, welche Berge er gesehen hat und mir vorzustellen, wie er hier Kühe hütete."
Matthias Elm und Walter Kömpel freuten sich über das große Interesse und beantworteten bereitwillig die vielen Fragen. Sie haben versucht die ehemaligen Standorte der Häuser mit den dazu gehörigen Bilder aus der Zeit der Absiedelung zu markieren. Aus Sicherheitsgründen mussten diese Markierungen am Straßenrand bleiben, niemand sollte verleitet werden quer durchs Gelände zu gehen, was auf militärischem Gebiet viel zu gefährlich sei.
Immer wieder tauchten Fragen nach den ehemaligen Kirchen der Orte auf. Aber auch die Kirchen wurden mit der Absiedelung zurück gebaut, zerstört oder gesprengt. "Man wollte nach dem Krieg keinen Tourismus zu den Kirchen. Die Leute sollten nicht in die Kirche der abgesiedelten Orte pilgern", erklärte Elm. Einzig Maria Ehrenberg ist erhalten geblieben.
Familie Schmitt war aus der Nähe von Fulda in den Truppenübungsplatz gekommen, um den Spuren von Oma Emma Schmitt, geborene Schleicher zu folgen. Im Haus 1a des Silberhofs wurde sie 1913 geboren, heiratete 1933 nach Motten. Für die Familie sind die Heimatbücher von Elm und Kömpel ein wertvoller Schatz, um ihre Geschichte in Erinnerung zu behalten.
Für die Autoren sind diese Begegnungen und Erfahrungen Lohn für die vielen Mühen und Recherchen, die so ein Buch über die abgesiedelten Orte mit sich bringe. Einerseits seien von nahezu allen Häusern Fotos vorhanden. Sie wurden vor der Absiedelung aufgenommen. Andererseits sei es oftmals schwer zu rekonstruieren wohin die Bewohner verzogen sind. Die offiziellen Listen stimmen nur bedingt, durch Gespräche mit Nachfragen erfahren sie oft genauere Details.
Die Nachfahren ihrerseits seien dankbar, dass die Geschichte bewahrt wird. Die Markierung der Hofstellen, auch wenn sie nicht direkt begangen werden können, sei eine große Hilfe, sich vorzustellen, wie der Ort ausgesehen haben mag. "Es wird sehr gut angenommen und hilft der Vorstellung, als wenn hier nur Hecken zu sehen wären", so Elm. Oft interessiere die allgemeine Ortsgeschichte nicht so sehr wie die Häuser- und Familiengeschichte.
Spannend immer wieder die Frage, wie würde es heute dort aussehen, wenn der Truppenübungsplatz nicht gekommen wäre und die Orte abgesiedelt und aufgegeben worden wären? Das Dammersfeld ein beliebtes Skigebiet, mit dem Wiesenhaus als Touristischer Höhepunkt der Region? Die Orte würden vermutlich so aussehen wie die umliegenden Orte auch. Neubauten aus den 1970er Jahren, Neubaugebiete, die Kirche im Ort, der eine oder andere Ort hätte eine Umgehungsstraße. Die Schönheit der Landschaft in diesem Gebiet wäre sicherlich deutlich mehr Rhönern und Gästen zugänglich.
Durch die Einrichtung des Truppenübungsplatzes ist heute ein Naturrefugium entstanden, das einem Nationalpark gleichkomme. Auf 7300 Hektar Fläche hat sich ein Rückzugsraum für eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt bilden können, vor allem Arten, die Ruhe brauchen, sind hier heimisch geworden. Die Störungen durch die militärische Nutzung ist heute nur noch gering, es gibt große Flächen, die nicht betreten werden und in denen auch nicht gejagt wird.
Für das neue Buch über Reußendorf werden noch Bilder und Informationen gesammelt. Wer alte Bilder von Reußendorf im Familienbesitz oder Informationen zur Familien- und Ortsgeschichte hat, kann sich bei Walter Kömpel in Oberbach melden, Tel.: (09749) 614 oder per E-Mail wkoempel@t-online.de