Aus rasendem Galopp vom Rücken eines Pferdes mit Pfeil und Bogen genau zu schießen ist eine ganz hohe Reiterskunst. In Ungarn, in der Türkei und in Korea haben berittene Bogenschützen eine jahrhundertealte Tradition. Zum zweiten Mal nach 2019 fanden in drei länderspezifischen Disziplinen Wettbewerbe des deutschlandweit agierenden Vereins "Steppenreiter e.V." am Ortsrand von Neustädtles statt. Zum zweiten Rhön Cup, der als Qualifikationsturnier für die Deutschen Meisterschaften zählt, kamen 18 Reiterinnen und Reiter mit Pferd, Pfeil und Bogen sowie (teilweise) in traditioneller Gewandung.
Neunzig Meter lang ist die Galoppstrecke, an deren Beginn der Reiter mit seinem Pferd steht. Nach dem Startzuruf geht ist mit hoher Geschwindigkeit über das Geläuf. Der Schütze lässt die Zügel seines Pferdes los, erhebt sich aus dem Sattel, kontrolliert nur mit den Beinen das Pferd und sein Verbleiben auf demselben und schießt zielgenau drei Pfeile in weniger als 16 Sekunden Laufzeit über die gesamte Strecke auf drei Zielscheiben. So einfach die Regeln beim Ungarischen Reiten sind, so schwer ist es, auf dem Rücken eines galoppierenden Pferdes genau mit Pfeil und Bogen zu schießen. Richtig gute Schützen schaffen es sogar, sechs Pfeile in der kurzen Zeit abzuschießen.
Von der Steppe in die Rhön
Aber wie kommen ungarische Steppenreiter eigentlich in die Rhön? Eine Frage, die Christine und Rainer Virus gemeinsam mit Tochter Anne Dohrmann gerne beantworten. Die Familie lebt seit zwanzig Jahren in Neustädtles. Zu ihrem 13. Geburtstag, der schon einige Jahre zurückliegt, bekam die bis dahin bereits passionierte Reiterin Anne Pfeil und Bogen zu Weihnachten geschenkt. Da ihr beide Sportarten viel Spaß bereiteten, lag es nahe, beide miteinander zu verbinden. Zumal in der gern gelesenen Fantasy-Literatur berittene Bogenschützen immer wieder eine große Rolle gespielt haben.
Erste Kurse wurden von Anne Dohrmann besucht, erste richtige Trainings mit Experten unter anderem in Ungarn absolviert. Mutter Christine Virus hat sehr bald selbst ihren Spaß an der hochanspruchsvollen Sportart gefunden und reitet und schießt ebenfalls. Mit dem Rhön Cup vor zwei Jahren trat die Familie auch als Veranstalter eines Wettkampfes in Erscheinung und kann hierbei auf viel Unterstützung aus dem heimatlichen Dorf und von Seiten der Landwirtschaft bauen.
Nicht nur in Ungarn haben berittene Bogenschützen in der einstigen Kriegskunst eine lange Tradition. Auch in Korea sowie in der Türkei schossen die Angreifer früher ihre Pfeile vom Rücken der Pferde ab. Da liegt es nahe, auch einen koreanischen Wettbewerb in Neustädtles durchzuführen, bei dem nur auf eine Scheibe jeweils ein Pfeil vorwärts sowie ein Pfeil nach hinten möglichst zielgenau geschossen werden muss. Im türkischen Wettbewerb, dem Qabaq, steht das Ziel nicht auf dem Boden, sondern befindet sich in neun Metern Höhe.
Der Erfolg hängt zum großen Teil vom Pferd ab
Das Steppenreiten hat neben den sportlichen Qualitäten zudem eine lange Tradition. Schon seit Jahrhunderten messen sich Reiter und natürlich auch Reiterinnen, die Wettbewerbe finden übrigens gemeinsam statt, in der Kunst des Bogenschießens vom Pferd. "Der Erfolg hängt zum größten Teil vom Pferd ab", betont Organisatorin Christine Virus. Nur wenn das Pferd auf der geraden Strecke den Weg gleichmäßig laufend beibehält, kann der Reitende auch schießen. Wobei er oder sie sich absolut auf das Pferd verlassen können muss.
"Deshalb sind in großen internationalen Wettbewerben auch die Pferde die Stars, nicht die Reiterinnen und Reiter", sagt Christine Virus. Welche Pferde zum Einsatz kommen, ist hierbei ganz unterschiedlich. Ob Kalt- oder Warmblut, unter den Wettkampfpferden finden sich zahlreiche Rassen. Die hohen sportlichen Anforderungen an die Reiterinnen und Reiter betonte Vinzenz Wagner, der vom Ammersee in die Rhön gereist war: "Die Schwierigkeit liegt darin, den Adrenalinkick des Reitens im Galopp mit der meditativen Ruhe des Bogenschießens in Einklang zu bringen." Was selbstredend nur Reiterinnen und Reitern mit viel Erfahrung gelingt. Und mit einem äußerst zuverlässigen wie schnellen Pferd.
Die Ergebnisse aus den drei Wettbewerben: Den Ungarischen Wettkampf entschied Andrea Seidel aus Mohorn (Sachsen) für sich vor Lukas Pfister und Johanna Pfister, beide aus Neuhof im Steigerwald. Lukas Pfister und Johanna Pfister siegten im Koreanischen Wettkampf vor Andrea Seidel. Im Qabaq war Johannes Hofmeister vor Ralph Traunbauer (beide aus Falkenfels in Bayern) und Andrea Seidel erfolgreich.