Während zahlreiche Tierarten im Unesco-Biosphärenreservat Rhön derzeit unter den erschwerten Bedingungen leiden, kommen einem sechsbeinigen Winzling Frost und Schnee genau recht: Der Eiszeitkäfer Boreaphilus henningianus mag es kalt. So heißt es in einer Pressemitteilung des Biosphärenreservats. Die bundesweit vom Aussterben bedrohte Art ist nun erstmals seit über zwei Jahrzehnten in Bayern und Hessen nachgewiesen worden. Um die Zukunft des Kurzflügelkäfers ist es wohl aber auch in der Rhön schlecht bestellt.
Die nur drei Millimeter kleine Käferart bewohnt feuchtes Moos und altes Laub - bevorzugt unter einer dicken Schneeschicht. Der wissenschaftliche Name Boreaphilus bedeutet "nordliebend" und beschreibt das Vorkommen des Käfers sehr treffend. Während der letzten Eiszeit war der Käfer in Mittel- und Nordeuropa wahrscheinlich weit verbreitet.
Rhön als einziges Vorkommen in Mitteleuropa
Als sich vor circa 14 000 Jahren das Eis zurückzog, wurde es der kälteliebenden Art dann vielerorts zu warm und sie konnte sich nur noch in besonders kalten Regionen halten. Hierzu gehören der norwegische Fjell, die westrussische Tundra, das Hochgebirge Kasachstans - und die Rhön, die heute als einziges Vorkommen des Kurzflügelkäfers in ganz Mitteleuropa gilt.
Bereits 1926 wurde Boreaphilus henningianus im Roten und im Schwarzen Moor nachgewiesen, weitere Funde gab es 1986 im Schwarzen sowie 1995 im Schwarzen und im Roten Moor. In diesem Winter hat der Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V. den kälteliebenden Käfer nun an einer Quelle im Naturschutzgebiet Schwarzwald bei Wüstensachsen entdeckt.
Käfer kommt doch noch vor
Fast zeitgleich konnte die Art von der Bayerischen Verwaltung des Biosphärenreservats Rhön im Schwarzen Moor nachgewiesen werden. "Diese Funde zeigen, dass der bundesweit vom Aussterben bedrohte Käfer in der Rhön noch vorkommt und neben den Mooren auch in Quellbereichen der Hochrhön Lebensraum findet“, erklärt Dr. Tobias Gerlach von der Bayerischen Verwaltung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön in der Mitteilung.
Zunächst eine erfreuliche Nachricht - aber: "Wenn der Klimawandel, dessen Auswirkungen in den letzten beiden Trockensommern sehr deutlich wurden, weiter voranschreitet, wird es dem schneeliebenden Kurzflügelkäfer in Zukunft wohl auch in der Rhön zu warm werden."
Wie viele andere Insekten wäre der Rhöner Kurzflügelkäfer dann darauf angewiesen, in klimatisch geeignete Lebensräume auszuweichen. Das nächste Vorkommen in Skandinavien ist allerdings rund 1500 Kilometer entfernt - für einen drei Millimeter kleinen Käfer eine unüberwindbare Distanz.