"Es reicht!" Zwei einfache Worte bringen es für Landwirte und Transportunternehmer im Streutal auf den Punkt. Am Montag haben sie ihrem Ärger über Entscheidungen der Bundesregierung Luft gemacht, die in ihren Branchen für massiven Preisdruck sorgen. Von 7 Uhr bis zum Nachmittag waren nach Schätzungen der Polizeiinspektion Mellrichstadt über 70 Akteure aus verschiedenen Berufsgruppen mit ihren Gefährten rund um Mellrichstadt und auf dem Autobahnzubringer unterwegs, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen.
Kurz nach 6 Uhr zeigten die ersten Landwirte mit zwei großen Traktoren bei klirrender Kälte an der Streuwiese Präsenz. Am Abend zuvor, beim Neujahrsempfang der Stadt Mellrichstadt, war für 6.30 Uhr eine Protestveranstaltung der Bauern und Fuhrunternehmen gegen die Sparpläne der Bundesregierung für den Agrarbereich sowie die Mauterhöhung für Lastwagen und CO₂-Abgaben angekündigt worden. Innerhalb einer halben Stunde stand die Streuwiese voll.
Bauern zeigen Flagge für ihre Anliegen
Hauptsächlich Traktoren, aber auch Lastwagen und andere Transport-Gefährte, viele mit Bannern und Protest-Bekundungen geschmückt, zeigten Flagge für die Anliegen ihrer Besitzer, die eine Politik kritisieren, "die uns in den Abgrund treibt". In WhatsApp-Gruppen wurde die lokale Aktion in den vergangenen Tagen organisiert, und schnell war abzusehen, dass die Politik der Ampel-Koalition auch hier viele Menschen auf die Straße bringen wird.
Jens Rühlemann hatte als Vertreter der Transport- und Baubranche gemeinsam mit Landwirt Karl-Heinz Schreiner die Versammlungsleitung übernommen und die Kundgebung angemeldet. Zur Protestaktion in Mellrichstadt waren Vollzeit- und Nebenerwerbslandwirte sowie Unternehmer, Handwerker und Vertreter weiterer mittelständischer Unternehmen aus Stadt und Stadtteilen, aus Oberstreu sowie dem oberen Streutal gekommen. Auch Nachbarn aus dem thüringischen Queienfeld beteiligten sich am Protest. Weitere Bauern aus dem unteren Streutal verteilten sich auf andere Kundgebungen, etwa in Heustreu und Bad Neustadt.
Daumen hoch: Große Solidarität mit den Bauern
Die große Solidarität untereinander hat am Montag alle beeindruckt. "Wir stehen zusammen", zeigten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Protestzugs traute Geschlossenheit. Doch auch von außen gab es viel Zustimmung. Mit "Daumen hoch" haben viele Autofahrer laut Rühlemann Anerkennung für die Initiative der Bauern gezeigt, auf Brücken und am Straßenrand applaudierten Zuschauer dem vorbeifahrenden Tross.
Dass die Unterstützung für die Protestaktion so groß ausfällt, freut Jens Rühlemann, in gewisser Weise hat er sie aber auch erwartet. "Der Unmut in der Bevölkerung ist groß", weiß er aus vielen Gesprächen. "Dabei merkt man, dass immer mehr Menschen Probleme mit den Entscheidungen der Bundesregierung haben." Das betreffe nun besonders die Landwirte durch die geplante Streichung von Subventionen, aber auch die Transportbranche durch die Mauterhöhung und die immer weiter steigenden CO₂-Abgaben.
Bratwürste und Brötchen für die Protestierenden
"Was uns primär trifft, trifft in der Folge alle, da die steigenden Preise auch auf die Verbraucher umgelegt werden müssen", so Rühlemann. Und durch immer weiter wachsenden Preisdruck werden seiner Meinung nach viele kleine und mittelständische Betriebe aufgeben müssen. "Um das zu verhindern, stehen wir heute Seite an Seite." Das belegten auch Landwirte, die ihre Betriebe längst aufgegeben haben, aber bei der Protestaktion ihre Unterstützung bekundeten.
Das taten auch andere, und zwar in einer Weise, die zeigt, dass mittelständische Unternehmen jetzt Seite an Seite stehen. Die örtlichen Metzgereien Other und Eckert hatten den Protestierenden 300 Bratwürste gespendet, die Bäckerei Lenhardt aus Oberelsbach steuerte die Brötchen dazu bei. Die Stärkung war bei den Beteiligten an der Zufahrt zum Autobahnzubringer bei Hendungen sehr willkommen. Getränke stellte dazu die Firma Central Getränke aus Wülfershausen zur Verfügung.
Wie geht es weiter mit der Landwirtschaft?
Rund um die Feuerstelle am Treffpunkt, wo sich die Teilnehmer etwas aufwärmen konnten, entwickelten sich Gespräche, wie es weitergehen wird – mit dem Protest und mit den heimischen Betrieben. Denn, wie Karl-Heinz Schreiner erläutert, kommt es durch Auflagen, die die Landwirtschaft in Deutschland erfährt, zu einer immer größeren Wettbewerbsverzerrung auf dem Weltmarkt. Laut Schreiner, der sich bereits bei Protesten in Frankreich und Belgien beteiligt hat, dürfen Landwirte in diesen und weiteren EU-Ländern ihre Tanks mit Heizöl füllen, also deutlich günstiger als in Deutschland, wo nun auch noch die Beihilfe für den Agrardiesel wegfallen soll.
Da alle für den gleichen Markt produzieren, deutsche Bauern aber schon allein für den Kraftstoff deutlich mehr ausgeben müssen und zudem strikte Nitrat- und Glyphosatvorgaben haben, die es in anderen Ländern so nicht gibt, werden die Bedingungen hierzulande immer schwerer, machen die Landwirte deutlich. "Wir haben die höchsten Standards, bekommen aber den Weltmarktpreis wie alle anderen auch", sagt Schreiner. "Angesichts der Sparpläne zulasten der Bauern sei nun eine Grenze erreicht, "die das Fass zum Überlaufen bringt".
Fahrt immer möglich: Straßen wurden nicht blockiert
Der Mellrichstädter ist Vollerwerbslandwirt und in den Bereichen Ackerbau und Grünland tätig. Bis 2019 standen 85 Kühe in seinem Stall, dann hat er die Milchviehhaltung als letzter Landwirt in Mellrichstadt aufgegeben. "Vor 20 Jahren gab es noch über 100 Milchviehlieferanten in der Stadt, heute keinen einzigen mehr", sagt er. Auch das mache das Dilemma in der Landwirtschaft in Deutschland ersichtlich.
Zeit also, für den Bauernstand einzustehen. Das taten viele Mellrichstädter Landwirte ab 15.30 Uhr bei der großen Demo am Festplatz in Bad Neustadt. In Mellrichstadt kam die Protestaktion am Montag jedenfalls gut an. "Wir haben eigentlich nur positives Feedback, auch von Verkehrsteilnehmern, bekommen", freut sich Jens Rühlemann, selbst wenn es kleine Behinderungen auf dem Weg zur Arbeit gab. Das mag auch daran gelegen haben, dass bei der Protestaktion rund um Mellrichstadt keine Wege und Autobahnauffahrten blockiert wurden. Auch wenn der Weg zur Autobahn ein paar Minuten länger gedauert hat: Es herrschte stets freie Fahrt.