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RHÖN-GRABFELD
Balearen statt Bosporus
Türkei-Krise: Reisebüros im Landkreis verzeichnen starke Einbrüche bei den Urlaubsbuchungen für das euroasiatische Land. Stattdessen gefragt sind wie eh und je etwa Spanien und sogar wieder Ägypten.
Zwischen Terror und Politik: Türkei will als Reiseziel überzeugen       -  Reisen in die Türkei (im Bild Istanbul) sind derzeit weniger gefragt.Foto: Michael Kappeler/dpa
Foto: A4265/_Michael Kappeler (dpa) | Reisen in die Türkei (im Bild Istanbul) sind derzeit weniger gefragt.Foto: Michael Kappeler/dpa

Von unserem Mitarbeiter

Johannes Schlereth

 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:39 Uhr

Nazi-Vergleiche oder der Vorwurf, Deutschland unterstütze Terroristen, sind Aussagen, die momentan aus der Türkei zu hören sind. Die diplomatische Krise beschränkt sich jedoch nicht nur auf die politische Ebene. Die angespannte Situation wirkt sich inzwischen auch auf die Urlaubsplanung der Rhöner und Grabfelder aus.

Die Sparte der Türkeireisen ist nach nahezu gleichlautenden Auskünften von Reisebüros im Landkreis Rhön-Grabfeld um durchschnittlich 50 Prozent eingebrochen. Im Reisebüro von Kurt Kastner in Bad Neustadt wurde sogar ein Rückgang von 90 Prozent verzeichnet.

Die Reisenden begründen ihren persönlichen Boykott zum Beispiel mit Äußerungen und dem Verhalten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Theresia Braungart-Zink vom Reisebüro Schreiber aus Bad Neustadt fasst Stimmen der Kunden zusammen: „Erdogan beleidigt uns, also kriegt er auch unser Geld nicht.“

Verunsicherte Kunden

Viele Kunden der Reisebüros sind nach den Ereignissen der vergangenen Monate in der Türkei verunsichert. „Der Militärputsch und die zahlreichen Inhaftierungen in der Türkei machen den Leuten Angst, selbst an der Ausreise gehindert zu werden“ stellt auch Dorothee Fries vom „Reiseladen“ in Bad Königshofen fest.

„Selbst das Lockmittel des günstigen Preises zieht kaum noch Touristen an“, so Matthias Kastner vom Reisebüro Kurt Kastner, das auch eine Filiale in Mellrichstadt unterhält. Kollegin Theresia Braungart-Zink versucht die wenigen verbliebenen Türkeiurlauber einzuordnen: „Die bei uns gebuchten Türkeireisen stammen überwiegend von Traditionstouristen.“ Die begründen ihre Entscheidung für ihren Türkeiurlaub vorwiegend damit, dass sie im Hotelkomplex nicht direkt mit der politischen Lage in der Türkei konfrontiert werden.

Auch Verena Göpfert vom „Reiseland“ in Bischofsheim betont:„ Die Türkeireisen sind stark rückläufig, wenn überhaupt noch Urlaub in der Türkei gebucht wird, dann meistens Last-Minute.“

Neue Reisetrends der Rhön-Grabfelder

„Der Großteil der ehemaligen Türkei-Touristen hat sich anderen Zielen zugewandt“, stellt auch Dorothee Fries vom Bad Königshofener „Reiseladen“ fest. Alle Reisebüros verzeichnen einen Trend hin zum westlichen Mittelmeerraum. Die spanischen Inseln wie auch das spanische Festland seien hier beliebte Reiseziele. Auch beim Hotelurlaub in Ägypten oder Marokko sei allmählich wieder ein Aufschwung festzustellen, während Reisen nach Tunesien stagnieren, sind sich die Vertreter der Reisebüros einig.

Ebenso stellen sie einen Trend zum Urlaub mit eigenem Auto fest. Ein beliebtes Ziel sei vor allem die Adriaküste in Kroatien oder Italien. Dass die politisch bedingte Trendwende im Urlaubsgeschäft nicht nur Staatschef Erdogan, sondern auch die am Eklat unbeteiligte Bevölkerung trifft, ist den Kunden meist bewusst, findet jedoch wenig Berücksichtigung.

Preisanstieg bei Ausweichzielen

Verena Göpfert merkt an, dass sich die aktuelle politische Lage in der Türkei und die damit verbundenen Verschiebungen deutlich im Preis bei Ausweichzielen niederschlägt, „die meisten anderen Ziele im Mittelmeerraum sind ausgebucht, die übrigen Unterkünfte gehen zu höheren Preisen im Vergleich zu den Jahren vor der Türkeikrise weg“.

Die Preissteigerung beruht auf dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Auch Kurt Kastner stellt einen Preisanstieg für die Ausweichziele fest. „Prozentual können wir den Anstieg nicht benennen, da wir tagesaktuelle Preise verwenden.“ Auch betont er die Tatsache, dass die Nachfrage und damit die Preise von der politischen Lage abhängen.

Was die Türkei als Reiseziel betrifft, blickt er zuversichtlich in die Zukunft: „Wir hatten bereits immer wieder politische Krisen, als Reisebüros sind wir letztlich davon abhängig, aber es gab und es gibt immer wieder Ausweichmöglichkeiten für Reisende, die auch genutzt werden.“

Gestützt wird seine Zuversicht außerdem durch Erfahrungen, dass Reisen in Länder, die noch vor wenigen Jahren als problematisch galten, heute wieder gebucht werden.

Deutsche Urlaubstrends

In der aktuellen Tourismusanalyse der „Stiftung für Zukunftsfragen“, die sich der Erforschung sozialer und kultureller Lebensqualität verschrieben hat, wurden 4000 Bürger nach ihren Reisegewohnheiten im Jahr 2016 befragt. Hierbei kam die Stiftung zu dem Ergebnis, dass Bundesbürger mehrmals im Jahr verreisen, länger am Urlaubsort bleiben und bereit sind, für ihren Urlaub mehr Geld zu zahlen als im Vorjahr. Im Durchschnitt verreisten 57 Prozent der Bürger länger als fünf Tage. Der Durchschnittswert der Reisedauer betrug 12,9 Tage und kostete im Schnitt 1166 Euro. Das Hauptziel der deutschen Urlauber in Europa stellte das Heimatland dar, das von 34,2 Prozent bereist wurde. Den zweiten Platz belegte Spanien mit 14,1 Prozent aller Reisenden. Als drittbeliebtestes Reiseziel der Deutschen in Europa galt 2016 Italien (7,9 Prozent). schl
 
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