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BAD NEUSTADT
Bäcker sportelt mit seinen Azubis
Es nieselt und windet fies in Neuhaus. Nichtsdestotrotz sporteln sieben Menschen mit Walkingstöcken über die Wiese am Tretbecken. Quälen sich da fünf Töchter Anfang Zwanzig lachend mit Mama und Papa durchs Grüne? Mitnichten! Es sind der Neustädter Bäcker Helmut Ruß, dessen Frau Ute und fünf Auszubildende.
Bäcker Helmut Ruß (vierter von links) und seine Frau Ute (fünfte von links) sporteln zusammen mit ihren Angestellten.
Foto: FOTO Ines Renninger | Bäcker Helmut Ruß (vierter von links) und seine Frau Ute (fünfte von links) sporteln zusammen mit ihren Angestellten.
Von unserem Redaktionsmitglied Ines Renninger
 |  aktualisiert: 10.07.2008 15:01 Uhr

Zwischen Ostern und Pfingsten trimmten sich Bäcker Ruß und seine Angestellten unter Anleitung von Klaus Kromer, geprüfter Nordic-Walking-Trainer. Sechs Doppelstunden samt Prüfung haben sie bei dem Fitnesstrainer mit B-Lizenz für den Breitensport absolviert. Wohlgemerkt in der Freizeit!

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Gesponsert wurde der Kurs zu 80 Prozent von den Krankenkassen, den Rest der Kosten trug Chef Ruß. Auch in Zukunft wollen Nadine Woywod (20), Anna Miller (21), Anna Tschebunjaew (18), Melanie Rüttiger (23) und Swetlana Michaelis (20) alle 14 Tage nach Geschäftsschluss gemeinsam Nordic Walken.

Ute Ruß (50) hat die Aktion ins Rollen gebracht: Zu Weihnachten schenkte sie ihrem Mann (52) Langlaufstunden bei Kromer. Nicht, dass der Bäcker es nötig gehabt hätte. „Ich habe einen super sportlichen Mann“, versichert die Bäckersfrau und Bäcker-Azubi Nadine Woywod (20) betont: „Der Herr Ruß ist fit.“

Dennoch, seit er den Betrieb übernommen hat, sei er sportlich kürzer getreten, gesteht der Bäcker. „Das Weihnachtsgeschenk meiner Frau habe ich täglich gespürt.“ Dass es seinen Angestellten in Sachen Fitness nicht viel besser geht, hat er vermutet. Und sie überredet, im Februar beim 1. Nordic-Fitness-Biathlon am Haus am Roten Moor anzutreten.

„Ich hab geahnt, dass sie sportlich nix machen, beim Spaß-Biathlon kam's dann raus.“ Erfolgreich teilgenommen hat die Bäcker-Mannschaft zwar, eine Platzierung blieb allerdings aus. „Aber nächstes Jahr machen wir sie alle platt“, ist Azubi Nadine sicher.

Klar, die Ruß-Mannschaft scheint schon immer lustiger gewesen zu sein als andere. An Weihnachten wichteln sie, kürzlich haben die Azubis von Chefin Ute Ruß einen Kochkurs bekommen und mit ihr eine Dessous-Modenschau besucht.

„Die Mädels verbringen mehr Zeit in der Bäckerei als mit ihren Eltern. Sie erzählen von ihrem ersten Freund und vom ersten Liebeskummer. Da will ich auch ein bisschen Hilfestellung geben“, sagt die Chefin. „Wir sind der verrückte Betrieb“, so Bäcker Ruß. „Und wir stehen dazu“, ergänzt Azubi Nadine.

Auch zum Nordic-Walking-Kurs musste Helmut Ruß seine Belegschaft nicht lange überreden: „Eine Frage, dann hat's gepasst.“ Chefs und Auszubildende sind mit Spaß bei der Sache, verausgaben sich bei Koordinations-, Ausdauer- und Konditionsübungen.

„Wir halten den Stock höher und achten darauf, dass wir uns nicht gegenseitig aufspießen“ – Azubi Nadine steht vor der Gruppe und erklärt eine Übung. Die Belegschaft soll Nordic Walking nicht nur passiv konsumieren, sondern auch lernen, in Eigenregie die Gruppe anzuleiten, so Kromers Konzept. Der soziale Aspekt ist ihm genauso wichtig wie der sportliche. „Miteinander sprechen über Komplikationen, auf die Arbeit gehen und Spaß haben“ – Kromer glaubt an die Wirkung des Kurses.

Auch die Azubis bestätigen es: „Wir arbeiten mehr zusammen, unser Teamwork ist noch besser geworden“, so Bäcker-Azubi Anna. Und das „Küken“ des Teams – wie ihre Kollegen Swetlana nennen – ist selbstbewusster geworden. „Wir haben ihr das laute Reden beigebracht“, erzählt Nadine. Und Swetlana raucht nicht mehr. „Zumindest nicht vor der Arbeit“, sagt sie.

Demnächst kommt Physiotherapeut Sven Härtel in die Ruß-Bäckerei. Auch dieser Service gehört zum Nordic-Walking-Kurs. Härtel überprüft, wie effizient und gesund die Belegschaft arbeitet, gibt Tipps für Dehnübungen zwischendurch.

Die Bäckerei Ruß ist der erste mittelständische Betrieb, den Kromer betreut. Sein Fitnessprogramm für Firmen möchte er ausweiten. „Es muss nicht immer Nordic Walking sein“, sagt er. Er könnte sich auch eine Firmenfußballmannschaft vorstellen. Die Ruß-Truppe trollt sich von dannen. „Wie samma?“, ruft der Chef. „Gut samma!“, antworten die Mädels.

 
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