"Schön, dass es den Anschein hat, dass Sie alle gesund sind." So begrüßte Bad Neustadts Bürgermeister Bruno Altrichter das Gremium in seiner persönlich vorletzten Stadtratssitzung. Diese fand aufgrund der Corona-Pandemie erneut im großen Saal der Stadthalle statt, damit untereinander der nötige Sicherheitsabstand gewährleistet werden konnte.
Geprägt war die mehrstündige Zusammenkunft von der Verabschiedung des Haushalts 2020. Nach einer "fruchtbaren Diskussion", so Altrichter, wurde der Entwurf, der von Stadtkämmerer Andreas Schlagmüller vorgestellt wurde, schlussendlich auf den Weg gebracht.
"Außergewöhnliches Zahlenwerk"
Die verabschiedete Haushaltssatzung ist dabei dieses Jahr in mehrerlei Hinsicht historisch. Präsentierte die Stadt bereits im vergangenen Jahr mit einem Volumen von 67,9 Millionen Euro einen Rekordhaushalt, weist er 2020 mit insgesamt 103,1 Millionen Euro einen erneuten Superlativ auf, weswegen nicht nur Schlagmüller von einem "außergewöhnlichen Zahlenwerk" und einem "Ausreißer" sprach.
Der Hauptgrund dafür liegt in einer deutlichen Steigerung der Gewerbesteuereinnahmen von rund 32,8 Millionen Euro (sonst zumeist zehn bis elf Millionen), wobei die Stadt alleine von einem großen örtlichen Unternehmen 23,5 Millionen Euro erwartet. Eine Betriebsprüfung dort habe die riesige Nachzahlung festgestellt.
Darf die Stadt die hohe Einnahme behalten?
"Ich muss aber gleich Wasser in den Wein schütten", trübte der Stadtkämmerer die Freude. Da das Unternehmen in diesem Zusammenhang eine andere rechtliche Sichtweise als die Finanzbehörde hat, wird über die Rechtmäßigkeit dieser Zahlung ein Gericht entscheiden. Ein langwierige Auseinandersetzung bis zur letzten Instanz, dem Bundesfinanzhof in München, wird erwartet. Schlagmüller rechnet nicht vor 2023 mit einer Entscheidung, ob die Stadt das Geld behalten darf oder wieder zurückzahlen muss. Auch der Bürgermeister plädierte aufgrund dieses "Sondereffekts", diesen Umstand immer im Blick zu haben und vorzusorgen, um den Haushalt nicht in Instabilität zu bringen.
Aufgrund eines guten Finanzjahres 2018 erhält die Stadt in diesem Jahr keinerlei Schlüsselzuweisungen und muss gar erstmals über zehn Millionen Euro als Kreisumlage an den Landkreis zahlen. 9,5 Millionen Euro wandern in die Rücklage, die damit auf über 21,7 Millionen Euro steigt. Trotz des großen Investitionsvolumens von 21,8 Millionen Euro will die Stadt keine Schulden aufbauen, ganz im Gegenteil sollen diese erneut etwas getilgt werden.
Zahlenwerk entwickelt vor der Corona-Pandemie
Wegen der aktuellen Corona-Pandemie und ihrer noch nicht abschätzbaren Folgen steht jedoch neben der stritten Gewerbesteuereinnahme ein weiteres dickes Fragezeichen hinter dem Rekordhaushalt, dessen Zahlenwerk auf der "Vor-Corona-Zeit" beruht, wie Andreas Schlagmüller klar stellte. Genauso wie der Kämmerer ging auch Marion Kaminski (Freie Wähler), Referentin für das Finanz- und Wirtschaftswesen, in ihrer Stellungnahme auf die Unwägbarkeiten aufgrund der Corona-Krise ein. Gerade im Bereich der Steuereinnahmen, vor allem bei Gewerbe-, aber auch Einkommenssteuer, würden die tatsächlichen Zahlen nach unten abweichen und nicht gewohnheitsmäßig über dem Plan liegen, schätzte sie.
Aufgrund einer hohen Bildung von Rücklagen und keinerlei Kreditaufnahmen in den vergangenen Jahren könne die Stadt, so Kaminski, davon nun bei den geplanten Investitionen zehren. Nicht verschiebbar sei trotz Corona der Bau des Städtischen Kindergartens in Herschfeld und die Errichtung eines Schülerhorts an der Grundschule, "um den Rechtsanspruch der Eltern auf diese Plätze bedienen zu können", so Kaminski. Daneben sind die Generalsanierung der Mittelschule (2,5 Millionen Euro) und die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes (1,65 Millionen Euro) als größte Investitionen im Haushalt enthalten.
Können alle Vorhaben überhaupt umgesetzt werden?
Bastian Steinbach von der CSU-Stadtratsfraktion gab dem Haushalt 2020 in seinen Ausführungen ein "Ja" mit auf den Weg, sprach rückblickend wegen der Corona-Krise aber von der "verrücktesten Haushaltsplanung" seit er im Gremium sitze. Laut ihm sei ein beachtliches Zahlenwerk mit interessanten und zukunftsträchtigen Vorhaben entstanden, "von denen wir - Stand heute - aber leider nicht wissen, ob wir sie alle - wie jetzt geplant - umsetzen können", relativierte er. Der zukünftige Stadtrat könne deshalb mit vernünftigen Einzelentscheidungen die Dinge auf den Weg bringen - oder eben nicht.
Auch die Freien Wähler, für die Gerald Pittner sprach, sehen den Haushaltsentwurf positiv. Man habe derzeit nach Plan 23,9 Millionen Euro für Investitionen zur freien Verfügung, die sich auch durch die Pandemiesituation nicht ändern würden. Mit dem Haushalt habe der Stadtrat, so Pittner, alle Möglichkeiten, um auf alle Eventualitäten zu reagieren.
Die kürzeste Rede hielt Peter Högn (Die Grünen). Die Fraktion gab dem Haushalt ebenfalls ihre Zustimmung, forderte aber, dass der soziale Wohnungsbau Bestandteil der weiteren Stadtplanung sein müsse. Altersgerechte und bezahlbare Wohnungen müssten realisiert werden.
SPD fordert Haushaltssperre
Längere Diskussionen geb es nach der Stellungnahme von Janis Heller. Heller erläuterte im Namen der SPD-Stadtratsfraktion, dass die Stadt aufgrund des soliden Rücklagenpolsters den Pflichtaufgaben weiterhin nachkommen und darüber hinaus auch Investitionen tätigen könne. Aufgrund des nicht vorhersehbaren Ausmaßes des wirtschaftlichen Abschwungs forderte die SPD aber eine Haushaltssperre mit anschließender Aufstellung einer Prioritätenliste.
Bruno Altrichter fasste diese Haushaltssperre so auf, dass dann keine Ausgaben mehr zulässig seien, für die nicht bereits rechtliche Verpflichtungen eingegangen worden sind. Seiner persönlichen Meinung zufolge sei dieses Instrument nicht zielführend und sinnvoll. "Wir sollten Schritt für Schritt weitere Entscheidungen im Sinne unseres Haushalts treffen", plädierte er. Für neue Beschlüsse bräuchte es laut des Stadtoberhaupts ohnehin die Zustimmung des Stadtrates. "Eine Haushaltssperre wäre dann eine vorweg genommene Verweigerung weiterer Aktivitäten."
Pittner wird deutlich
Ins gleiche Horn stieß neben Bastian Steinbach ("völlig falsches Signal") und Karl Breitenbücher ("Haushaltssperre wäre das letzte Mittel") auch Gerald Pittner. Seiner Meinung nach wäre dieses Signal nicht nur falsch, sondern führe auch nicht zum Ziel. Man würde sich angesichts des Investitionsvolumens seiner politischen Verantwortung verweigern. Pittner sprach zudem ein "verheerendes Bild in demokratischer Hinsicht" an, sollte man zum Instrument der Haushaltssperre greifen. Man würde so den neuen Stadtrat und Bürgermeister in dessen Arbeit beschneiden und ihnen signalisieren, dass man ihnen die Arbeit nicht zutrauen würde. "Die nächste Generation hat die Verantwortung und der neue Stadtrat wird damit verantwortungsvoll umgehen", schloss er sein deutliches Plädoyer.
Neben Janis Heller und Rita Rösch verteidigte und präzisierte in der Folge auch Bernhard Lorz den Antrag der SPD. Demnach gehe es der Partei nicht darum, alles auf Eis zu legen und kein Geld mehr auszugehen. Vielmehr müsse man sicherstellen, welche richtigen und wichtigen Dinge als erstes angepackt werden. Aktuell stünden im Haushalt nämlich viele Investitionen gleichberechtigt nebeneinander. Wenn es sanftere Mittel als eine Haushaltssperre gäbe, dann sollten diese diskutiert werden, war sich die gesamte Fraktion einig.
Altrichter: "Der Stadtrat hat es in der Hand"
"Der Haushalt ist nicht so gestrickt, dass er eine Prioritätenliste an sich darstellt", antwortete der Bürgermeister. "Die Verwaltung agiert nach dem Prämissen des politischen Gremiums. Der Stadtrat hat es deshalb in der Hand und im Griff, welches Stück Straße oder welches Bauprojekt angegangen wird. Das ist die richtige Methodik", betonte Bruno Altrichter.
Die öffentliche Hand müsse im Bereich der Investitionen marschieren, da so viele Unternehmen auch Arbeit finden würden. "Wir müssen jedoch immer auf Sicht fahren, da wir die Corona-Konsequenzen nur erahnen und befürchten können. Wir können es aber nicht wissen", so das Stadtoberhaupt. Die Kämmerei habe alles im Blick, überprüfe permanent und sei sehr aufmerksam.
Am Ende stimmten schließlich alle anwesenden Stadtratsmitglieder für die Verabschiedung dieses Rekordhaushaltes.