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Bad Neustadt
Bad Neustadt: Wie digitale Helfer die Menschen im Pflegeheim unterstützen
Altenpflege ist eine menschliche Dienstleistung. Doch ohne Digitalisierung ist sie künftig kaum denkbar. Das BRK-Pflegeheim in Bad Neustadt probiert die Zukunft schon aus.
Pflegerin Verena Golz beim Einstellen der Sensorik.
Foto: Daniel Golz | Pflegerin Verena Golz beim Einstellen der Sensorik.
Martina Harasim
Martina Harasim
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:25 Uhr

Es ist in der Pflegebranche oft wie anderswo auch: Die Chefs bestimmen, welche Arbeitsmittel angeschafft werden. Die Belegschaft muss zusehen, wie sie damit klarkommt. Beim Assistenzsystems DiCo wird ein anderer Weg beschritten. Das System, dessen Abkürzung für "Digital Companion" (Digitaler Begleiter) steht und das die Digitalisierung in der Pflege vorantreiben soll, wird zusammen mit Pflegerinnen und Pflegern entwickelt: Die Mitarbeitenden des BRK-Alten- und Pflegeheims Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) gestalten DiCo von Beginn an mit.

Und so beschäftigen sich die Pflege-Fachkräfte dort zurzeit mit Themen wie künstliche Intelligenz, Robotik und Digitalisierung. Im Fokus steht die Frage, wie Digitalisierung die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner verbessern und gleichzeititg die Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger erleichtern kann. Der individuelle und menschliche Faktor in der Pflege müsse immer gewahrt bleiben, darauf legt Einrichtungsleiterin Elke Müller bei der Einführung von technischen Neuerungen großen Wert. Ihr Credo: "Die Menschlichkeit steht immer an erster Stelle."

Wenn der Bewohner nachts aufsteht und den oberen Teil vom Bett entlastet, aktiviert sich ein Timer. Legt sich der Bewohner nicht innerhalb der eingestellten Zeit wieder ins Bett und belastet die Sensoren in der Matratze,  dann wird ein Signal auf die Rufanlage der Pflegenden gesendet.
Foto: Daniel Golz | Wenn der Bewohner nachts aufsteht und den oberen Teil vom Bett entlastet, aktiviert sich ein Timer. Legt sich der Bewohner nicht innerhalb der eingestellten Zeit wieder ins Bett und belastet die Sensoren in der ...

Wer bei "Robotik in der Pflege" an Pflegeroboter denkt, liege falsch, sagt Pflegedienstleiter Daniel Golz. Natürlich würden die Mitarbeitenden auch auf körperliche Entlastung durch intelligente Robotik hoffen. Es gehe aber nicht darum, menschliche Pflegekräfte durch Maschinen zu ersetzen. Vielmehr sei Robotik  eine Unterstützung im Arbeitsalltag, die den Pflegekräften mehr Zeit und Raum für die eigentliche Pflege verschaffen soll.

Sensoren im Boden oder am Bett geben Sicherheit

In technischen Assistenzsystemen liegen das besondere Potenzial, sagt Golz. Die Bad Neustädter Einrichtung habe bereits gute Erfahrungen mit intelligenten Fußbodenbelägen und Sensoren gemacht. Eingebaut in Fußmatten oder Bett, melden sie den Pflegekräften, sobald ein Bewohner mit Demenz nachts aufsteht und nicht wieder zu Bett geht, weil er die Orientierung verloren hat.  Solche Sensoren können auch das Licht aktivieren, damit der Bewohner im Dunkeln nicht stürzt. "Freiheitsentziehende Maßnahmen wie das Hochziehen der Bettseitenwände brauchen wir durch den Einsatz dieser Sensoren nicht mehr", sagt Leiterin Elke Müller.

Durch eine sogenannten Sensfloormatte und Sensoren am Bett können Einrichtungen auf  freiheitsentziehende Maßnahmen verzichten. 
Foto: Daniel Golz | Durch eine sogenannten Sensfloormatte und Sensoren am Bett können Einrichtungen auf  freiheitsentziehende Maßnahmen verzichten. 

Viel verspricht man sich im BRK Alten- und Pflegheim auch von der Erweiterung der elektronischen Pflegedokumentation. Alle pflegerelevanten und medizinischen Informationen würden derzeit zwar schon in digitaler Form erfasst und festgehalten, sagt Golz. Jedoch kommt über den Tag hinweg ganz schön viel Schreib- und Dokumentationsarbeit zusammen: „Es wäre eine Erleichterung, wenn man alle Daten und Leistungen direkt im Zimmer in die digitale Bewohnerakte eintragen und diese auch im Bedarf einsehen könnte. Das würde Zeit und Laufwege einsparen, es wird nichts vergessen und alle Mitarbeiter hätten immer alle Daten zur Hand.“

Ein Weg in Richtung Telemedizin

Man kann dieses System auch erweitern: Wenn der Bewohner zustimmt, erhält sein Hausarzt Zugriff auf diese Akte. So kann er aus der Ferne die Gesundheit seines Patienten im Auge behalten und digital Anweisungen zur medizinischen Behandlung geben. „Dies bringt sowohl ein Zeitersparnis für das Pflegepersonal, als auch für die Hausarztpraxis. Man muss nicht immer alles sofort telefonisch erledigen und der Hausarzt hat auch immer die Möglichkeit, den aktuellen Ist-Zustand seines Patienten einzusehen“, erläutert der Pflegedienstleiter. 

Pflegeheime als Experimentierräume

Arbeitsentlastung ist nur ein Aspekt der Digitalisierung in der Pflege. Digitalisierung könne auch als Motor dienen, um junge und motivierte Leute für die Pflege zu begeistern. "Langfristiges Ziel ist, mit DiCo zur Modernisierung der Pflegebranche beizutragen und dadurch die Attraktivität des Pflegeberufs und der Einrichtung zu steigern", hofft Daniel Golz.

'Person in Gefahrenzone' - diese Meldung erhalten die Pflegenden auf da Handy, wenn Bewohner die Sensoren auslösen.
Foto: Daniel Golz | "Person in Gefahrenzone" - diese Meldung erhalten die Pflegenden auf da Handy, wenn Bewohner die Sensoren auslösen.

Für Erfolg versprechend hält er das Projekt,  weil seine Kolleginnen und Kollegen seit dem Start 2020 in die Gestaltung von DiCo eingebunden sind. Das BRK-Alten- und Pflegeheim versteht sich als Experimentierraum, in dem die Pflegenden herausfinden, welche Technologien sie benötigen und wie diese in ihren Arbeitsalltag integriert werden können. Um DiCo praxistauglich zu gestalten, legen sie fest, was das Programm aus ihrer Sicht unbedingt können muss und wie es aussehen soll, damit sie gerne mit ihm arbeiten. Die Bad Neustädter, die vom Bad Kissinger Zentrum für Telemedizin ins Boot geholt wurden, sind nicht die einzigen Projektteilnehmer. Weitere Experimentierräume sind das Seniorenheim Saaleufer  in Bad Bocklet, die Ökumenische Sozialstation Ludwigshafen und ein Pflegeheim des Caritasverbandes Speyer.

Datenbank für alle Technologien aus Bad Kissingen

Um die Erfahrungen und Anregungen der Pflegenden in DiCo einzuarbeiten, braucht es viele Mitwirkende, berichtet Projektleiterin Dr. Vanessa Kubek vom Institut für Technologie und Arbeit an der  Technischen Universität Kaiserslautern: Das Zentrum für Telemedizin in Bad Kissingen beispielsweise erstellt eine Datenbank, die alle Technologien auflistet, die im Bereich der Pflege vorhanden sind – inklusive aller Vor- und Nachteile und dem Schulungsbedarf. So können Pflegeeinrichtungen durch DiCo später unkompliziert Entscheidungen zur Einführung passender digitaler Technologien treffen. Die Firma Ergosign  aus München entwickelt die Benutzeroberfläche, für den Bereich Künstliche Intelligenz ist das Berliner Unternehmen Zana zuständig. 

DiCo:  Der digitale Begleiter

Bei DiCo geht es um die Planung und Realisierung eines technischen Assistenten, der auf einer Web-Plattform ("Homepage") läuft und alle interessierten Pflegeeinrichtungen bei der digitalen Transformation unterstützt.
Gefördert wird DiCo vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen der Ausschreibung "Zukunftsfähige Unternehmen und Verwaltungen im digitalen Wandel: Lern- und Experimentierräume – Schwerpunkt Künstliche Intelligenz". Ziele der Initiative sind digitale Systeme, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Beschäftigten in die Entwicklung der Anwendungen einbezogen werden und dass die Lösungen, die in den Experimentierräumen gefunden werden, auf das gesamte Unternehmen sowie auf weitere vergleichbare Organisationen übertragbar sind.
Das Projekt läuft bis Herbst 2023 am Institut für Technologie und Arbeit in Kaiserslautern. Unterstützt wird es vom Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen, der Zana Technologies GmbH (Berlin), der Ergosign GmbH (München), von Das Demographie Netzwerk e.V., der Ökumenischen Sozialstation Ludwigshafen, dem Seniorenheim Saaleufer Bad Bocklet, dem Bayerischen Roten Kreuz - Alten- und Pflegeheim Bad Neustadt und dem Caritas-Altenzentrum St. Hedwig Speyer.
Quelle: Institut für Technologie und Arbeit
 
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