
Es ist für Jochen Pechthold eine mittlerweile schon bekannte Situation. Die große, rote Tür der Weinschenke Dörr in der Bad Neustädter Schuhmarktstraße in der Innenstadt zieht die Menschen scheinbar magisch an. Viele unterbrechen ihren Spaziergang kurz, um die "neue" Weinschenke von außen zu begutachten. Andere packt die Neugierde beim Blick der offenen Tür, um zu sehen, wie die Räumlichkeiten von innen aussehen. "Schön, sehr schön", heißt es von einer Passantin, die früher dort auch den einen oder anderen Schoppen Wein genossen hat.

Allgemein hat der Maurermeister und neue Besitzer des Hauses, Jochen Pechthold, beim Wiederaufbau viel Wert auf Details gelegt - aus gutem Grund. "So eine Tradition wie hier muss erhalten werden, bevor ein Investor die ganze Ecke kauft und alles platt macht", erklärt der 60-Jährige. Für Pechthold selbst war die Weinstube Dörr - so der langjährige Name - schon immer so etwas wie ein zweites Wohnzimmer, war er hier schließlich 35 Jahre lang Gast und hatte auch eine enge Freundschaft zur langjährigen Wirtin Marianne Weidt gepflegt. "Ich habe ihr zum Beispiel beim Weinkauf geholfen oder wenn es darum ging, im Winter Kohle zum Heizen zu besorgen".
Im April 2018 rückten die Bagger an
Nachdem sich 2015 abzeichnete, dass Weidt aus gesundheitlichen Gründen die Weinstube, gleichzeitig ihr Elternhaus, nach jahrzehntelanger Führung abgeben muss, zeigte Pechthold Interesse. Vor etwa zwei Jahren folgte schließlich der Kauf des Gebäudes und damit der Start der Bauphase. Bevor im April 2018 die Bagger für die Abbrucharbeiten anrückten und damit für das Ende des jahrehundertealten Altstadthauses sorgten, gestalteten sich laut Pechthold die Vorbereitungen im Inneren als gar nicht so einfach. "Weil das Haus eben von drei Seiten zugebaut war." Im Juni begann der Wiederaufbau. Bis zur Eröffnung dauerte es noch bis zum 14. Juli - pünktlich zu den Donnerstagskonzerten.
Erhalt von Tradition und Charme

Beim Blick ins Innere zeigt sich ganz schnell, dass der neue Besitzer viel Wert auf den Erhalt der Tradition und des Charmes der alten Weinstube gelegt hat. So ist das komplette Inventar inklusive Eingangstür und Zugang zur Toilette sowie den Bleiglasfenstern noch das originale von damals mit der entsprechenden, nötigen Restaurierung und Überholung. Auch die bei vielen noch in Erinnerung gebliebenen Wandfliesen konnte Pechthold in ähnlicher Ausführung kaufen und wieder anbringen, alte Familienfotos der Familie Dörr hängen an den Wänden oder stehen auf der Fensterbank.
Ein Stückchen Tradition hält jeder Besucher, der die Geselligkeit pflegen und sich der Weinseligkeit hingeben möchte, sogar in der Hand. Denn das Holz, auf dem die Weinkarte befestigt ist, wurde von den alten Eichenbalken verwendet. Das gilt auch für die Brotzeitplatten. "Ich wollte eben das Alte erhalten, das mir ans Herz gewachsen ist, auch aufgrund der herzlichen Freundschaft zu Marianne Weidt und ihrer Familie", freut sich Pechthold.
Neuer Name und neuer Keller
Neben einer neuen Decke und Theke gibt es aber noch entscheidende Veränderungen. Als Hommage an die frühere und im Januar 2019 verstorbene Wirtin Marianne Weidt heißt der frühere Vorratskeller nun "Mariannen-Keller". Er wurde erweitert, ist mit zwei langen Tischreihen ausgestattet worden und soll für Livemusik-Veranstaltungen, Weinproben oder ähnlichem dienen. Auch ein Wirtshaussingen im Gasthaus im Erdgeschoss ist geplant. Außerdem wurde sichtbar für jeden aus der "Weinstube Dörr" nun die "Weinschenke von Alois Dörr" - auch hier laut Jochen Pechthold der Tradition wegen. Schließlich prangte dieser Schriftzug als erster Lokalname schon um das Jahr 1900 auf alten Postkarten von Bad Neustadt.

Neben dem neuen Namen dürfen sich die Besucher auch auf eine viel größere Weinauswahl als zuvor freuen. Früher gab es vier bis fünf Weinsorten. Jetzt bewegt sich die Auswahl im zweistelligen Bereich (27). Neben den klassischen Frankenweinen gibt es als Besonderheit unter anderem "einen blauen Silvaner, der erst 1960 wiederentdeckt und um 1980 erneut im Sortenverzeichnis geführt wurde", so Pechthold, der die Weinschenke mit seiner besseren Hälfte Kerstin führt. Daneben gibt es Kleinigkeiten zum Essen.
Die Reaktionen der Besucher seit der Eröffnung im Juli seien durchwegs positiv gewesen. "Es hat sich ja kaum etwas verändert", hört Jochen Pechthold des Öfteren Lob. Und das war gewissermaßen ja auch sein Ziel, das er vor allem dank vieler Helfer erreichen konnte. Pechthold hebt vor allem Peter Dechant hervor: "Er hat mir während der Bauphase beratend zur Seite gestanden und daraus hat sich eine wirkliche Freundschaft entwickelt. Leider konnte er die fertige Weinstube nicht mehr genießen."