Wie war die wirtschaftliche Situation in den Jahren 1953 bis 1955 in Bad Neustadt? Welche Geschäfte, welche Gaststätten gab es? Wolfgang Kitscha wuchs in der Storchengasse auf und schildert seine persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen aus Sicht eines Sechs- bis Achtjährigen. Unterstützend zur Seite stand ihm dabei Harry Rauch. Nachfolgend seine Beschreibungen:
Es gab in dieser Zeit im Gegensatz zu heute eine Menge kleiner Geschäfte und viele Gaststätten in unserer Stadt. Alleine in der Storchengasse gab es drei Gasthäuser. Zum einen das Gasthaus bzw. die Bäckerei Kirchner. Hier holten wir das tägliche Brot und ab und zu Brötchen (fünf Pfennige pro Stück). Dann war da die Poppenhäuser Bierstube (jetzt: Stergios) gegenüber dem Gefängnis. Damals kam das Fernsehen auf und ich als kleiner Steppke schaute hier ab und zu am Samstagnachmittag ein Fußballspiel der damaligen Oberliga. Eine weitere Kneipe in dieser Gasse war die Storchen- oder auch Schützenwirtschaft (jetzt städtischer Kindergarten).
Montags war Schlachttag
Die nächste Gaststätte (Popps Ella) war in der Bauerngasse präsent. Hier holte ich des öfteren immer montags - da war Schlachttag - eine Kanne Gretelsuppe (Wurstbrühe). Nicht weit vom Hohntor entfernt hatte Schustermeister Lindl sein Domizil. Für uns war diese Schuhwerkstätte sehr wichtig, denn neue Schuhe gab es ganz selten. Die alten Schuhe wurden sehr lange getragen und aus Kostengründen immer wieder repariert. Weitere Geschäfte in der Storchengasse waren die Firmen Berninger und Baustoff-Appl sowie die Bäckerei Herbst. Dazu kamen die Glaserei Demling, die Schreinerei Damm und der Schneider Werling.
Unser Haupteinkaufsbereich war im Gegensatz zu heute vor allem in der Hohnstraße zu finden. Die frische Milch wurde (in einer Blechkanne) im Milchgeschäft Fuchs oberhalb des Hotels Löwen geholt. Butter war damals ziemlich teuer, deshalb gab es des öfteren Rama oder Sanella aufs Brot. Mir war das sehr recht, erhielten wir doch immer eine kleine Figur (Tiere, Krieger, Soldaten usw. aus Kunststoff) dazu geschenkt. Ich erinnere mich noch an das Jahr 1954. Zu der WM, die ja sensationell von Deutschland gewonnen wurde, gab es auch Bilder von bekannten deutschen und Weltfußballern, die man dann in ein Album einkleben konnte.
Als Zucker und Mehl noch abgewogen wurden
Das Friseurgeschäft Mützel befand sich ebenfalls auf dieser Straßenseite, genauso wie der Kunstgewerbeladen Schuhmann, die Modefirma Link und die Firma Ofen-Schmitt. Auf der anderen Seite der Hohnstraße bot das Hotel Schwan und Post seine Dienste an. Die Bäckerei und Weinstube Zoll, das Fahrrad-Fachgeschäft Raab, die Drogerie Köppe und das Damen- und Herrenbekleidungsgeschäft Schewa waren die weiteren Geschäfte, die hier ihre Waren anboten.
An der Salzpforten-Ecke gab es ein kleines Lebensmittelgeschäft mit Namen Hayd. Hier wurden von den Inhabern (zwei damals ältere Brüder) die Lebensmittel, zum Beispiel Salz, Zucker oder Mehl, auf einer großen Waage in einer Papiertüte abgewogen und verkauft. Gut kann ich mich auch noch an das Café Wehe erinnern. Hier kaufte ich mir für ein paar Pfennige Bonbons und bekam dann von Frau Zahner, die dort Verkäuferin war, eine ganze Tüte voll. Über das Sportfachgeschäft Leder-Wehe ,dem Schuhgeschäft Dietz, dem Blumengeschäft Kantner ging es dann weiter zum Modehaus Pecht und dann zur Firma Eisen-Schmitt, wo man alle Dinge, die man so im Haushalt brauchte, kaufen konnte.
Auf der anderen Seite befanden sich der Ofen-Schmitt und die Metzgerei Büchs. Gerne erinnere ich mich daran, dass wir Kinder hier auch immer ein Stückchen Wurst zum Probieren bekamen. Es folgten der Elektro-Goller, die Drogerie Sturm, die Firma Guck, ein Bücher- und Schreibartikel-Geschäft sowie der Schuh-Pecht. Das bekannte Hotel „Gold'ner Mann“ (jetzt Sparkasse) schloss die Hohnstraße ab. Dort stiegen die Gäste, die per Kutsche ankamen, aus und gingen durch das große Tor auf der Rückseite ins Hotel.
Fortsetzung folgt.