Morgens, kurz vor acht Uhr an der Werner-von-Siemens-Realschule. Der Unterricht hat noch nicht begonnen, einige Schüler sitzen entspannt auf einer Bank im Gang. Plötzlich ertönt von der Foyer-Treppe her freundlich, aber bestimmt: "Ey, Händ' aus die Dösche!" Als Realschüler weiß man sofort: Dieser Spruch kann nur von Günther "Günni" Krisam, dem Hausmeister, kommen. Zumindest war das bis zum 31. Mai so. Doch seit Anfang Juni ist Günther Krisam im Ruhestand. Mit Wehmut, aber auch Stolz blickt er zurück auf 22 Jahre Hausmeister-Dasein an der Bad Neustädter Realschule und in der Bürgermeister-Goebels-Halle.
Keine kleinen Plaudereien mehr mit Lehrern auf dem Gang, keine Horden von Schülern, die gerne ein Bonbon von ihm hätten, aber auch kein Ärger mehr über übervolle Mülleimer. Letzteres wird Günther Krisam zwar gewiss nicht vermissen, die Schüler und Lehrer aber durchaus, erzählt er einige Wochen nach seinem Ruhestandseintritt beim Pressegespräch. Unzählige Erinnerungen hat er in seinen 22 Jahren als Hausmeister gesammelt, zahlreiche Fotoalben, die er immer wieder gerne durchblättert, zeugen davon.
Den Spitznamen hat sich ein Schüler ausgedacht
Dabei hatte er die Hoffnung auf die Stelle als Hausmeister eigentlich schon aufgegeben, damals im Frühjahr 1999. Auf seine Bewerbung bei der Stadt hin erhielt er nämlich erst im zweiten Anlauf eine Zusage. Sein Glück war, dass der zunächst eingestellte Kandidat nach der Probezeit nicht mehr wollte: zu viel Arbeit. "Es wurde damals speziell ein Schreiner als Hausmeister gesucht. Das hat gut gepasst, denn ich absolvierte von 1972 bis 1975 eine Schreinerausbildung bei der Firma Gans in Bad Neustadt und war dann bis 1991 in diesem Beruf tätig. Danach arbeitete ich bei Papierschmitt in der Möbelmontage, bis sich die Möglichkeit des Schulhausmeister-Jobs ergab."
Und so klappte es doch noch und Günther Krisam trat am 10. Juni 1999 seine Stelle als Hausmeister der Realschule und Bürgermeister-Goebels-Halle an. Vor allem zum damaligen Schulleiter Hartmut Schikora hatte Krisam gleich einen guten Draht, die beiden treffen sich auch heute noch. Die Schüler fassten ebenso schnell Vertrauen zu "Günni" - den Spitznamen verpasste ihm übrigens ein Schüler in einem Interview - und stießen bei ihm stets auf offene Ohren. Wenn es nötig war, setzte sich Günni auch bei den Lehrern für die Schüler ein. Oder fuhr mit auf Klassenfahrt, wenn ein Lehrer ausfiel.
Er leistete nicht nur Dienst nach Vorschrift, sondern suchte auch mal in der Pause das Gespräch, half schnell und unkompliziert - und hatte immer Bonbons "für brave Schüler" in den Taschen seiner Arbeitshose. Die Schüler dankten es ihm auf ihre Art, schrieben ihm Gedichte und verzierten gar einmal zu seinem Geburtstag den Pausenhof mit einem Herz aus Bonbons und Glückwunschworten aus Kreide.
Marianne und Michael und die Schoßhündchen
"Und ja, der Job ist wirklich mit viel Arbeit verbunden. Winterdienst, Laubrechen, Reparaturen, Vor- und Nachbereiten von Veranstaltungen und Handballspielen in der Halle...", zählt Krisam einige Beispiele auf. Es passierte da schon mal, dass er nachts mit der Polizei hoch zur Bürgermeister-Goebels-Halle fahren musste, weil jemand vergessen hatte, dort das Licht auszuschalten. Und dennoch habe er meistens Freude an seiner Aufgabe gehabt, auch wenn er sich mal ärgern musste - Stichwort zum Beispiel Müllsünder oder mutwillige Zerstörung.
Um etwas Unterstützung zu bekommen, rief er auf Initiative von Hartmut Schikora 2000 das "Günni-Helfer-Team" ins Leben. Eine Gruppe Schüler, die ihm fortan bei kleineren Arbeiten zur Seite stand. Bemerkenswert, dass sich bis zu Krisams Ruhestand immer wieder Schüler für dieses Amt fanden, auch wenn es - wie der ehemalige Hausmeister bedauert - immer weniger wurden mit den Jahren. Sie halfen beim Auf- und Abbau für Elternabende, beim Kuchenverkauf oder auch der Abfallentsorgung.
Gerne denkt Günther Krisam unter anderem an die Zeit vor dem Umbau der Bürgermeister-Goebels-Halle zurück, als die ein oder andere Musikgröße dort gastierte. "Patrick Lindner war mal da und Waltraud und Mariechen. Oder Marianne und Michael, die hatten so Schoßhündchen dabei. Als ich ihnen gesagt habe, dass die nicht mit rein dürfen, meinten sie: 'Ach, dann stecken wir die in die Einkaufstüten'", erinnert er sich mit einem Schmunzeln.
Immer wieder eine Überraschung beim Straße kehren
"Ich freue mich, dass viele ehemalige Schüler sich heute noch an mich erinnern. Erst letztens war ich bei der Physiotherapie. 'Herr Krisam, nehmen Sie bitte mal die Maske ab', hieß es da. Und dann rief die Mitarbeiterin plötzlich: 'Ach, der Günni!'. Sie war eine ehemalige Schülerin". Begegnungen dieser und ähnlicher Art hat Günther Krisam immer wieder. Da kann es schon mal passieren, dass er vor seinem Haus in Löhrieth die Straße kehrt, plötzlich ein Autofahrer laut hupt, winkt und dann umdreht- um die Scheibe herunterzudrehen und zu rufen: "Mensch Günni, kennst du mich nicht mehr?"
Das zeigt, wie beliebt Krisam mit seiner bestimmten, aber stets sehr herzlichen und humorvollen Art war und ist. Denn auch von den Lehrern der Realschule bekam er zum Abschied unzählige Geschenke und Karten. Einer legte ihm sogar eine Ruhestands-Schultüte vor die Haustür. Im September soll noch eine Abschiedsfeier an der Realschule stattfinden. Seinen Ruhestand widmet Günni nun vor allem seiner Frau und den drei Enkelkindern, aber auch in Haus und Garten ist immer was zu tun. Dabei ist ihm eines vor allem wichtig, denn nur so schafft es sich richtig: "Immer Händ' aus die Dösche!"