Der Raum im Bildhäuser Hof ist fast überfüllt. Wer rechtzeitig gekommen ist und einen Sitzplatz ergattern konnte, darf sich glücklich schätzen. Besucht ist der diesjährige Dichterwettstreit ausgesprochen gut, aus allen Richtungen lauschen aufmerksame Ohren den vorgetragenen Texten. Man sitzt auf Stühlen, dem Boden, der Treppe.
Moderator Enrico Josche führt humorvoll durch den Abend, zu Beginn erklärt er erst einmal die Wettbewerbsregeln. Die sechs Poeten treten mit selbst geschriebenen Texten jeweils paarweise gegeneinander an. Jeder hat eine maximale Redezeit von sieben Minuten und dreißig Sekunden, danach darf der nächste. Die Zuschauer entscheiden, nachdem beide Texte vorgetragen wurden mit der Lautstärke ihres Klatschens, welcher der beiden Kontrahenten ins Finale einzieht. Nachdem das geklärt ist, geht es auch schon los.
Was das Leben mit einem Text zu tun hat
Den Anfang macht Adina Wilke mit einem Text, welcher zunächst verwirrt, da ihm der "rote Faden" zu fehlen scheint. Das allerdings ist genau ihr Ziel. Am Ende wird klar: sie erzählt über das Leben allgemein und das hat selten eine klare Struktur. Ihre Gegnerin May Luchs berührt das Publikum mit einem zutiefst persönlichen Gedicht über den Verlust ihres Vaters. Mit diesem überzeugt sie und wird von den Zuschauern in Finale "geklatscht".
Beim nächsten Duell treten Raphael Breuer und Flemming Witt an. Ersterer klagt mit "wir sitzen doch allem im selben Treibhaus" Streitigkeiten in der Klimabewegung an. Es sollten doch alle am gleichen Strang ziehen, anstatt die Authentizität anderer zu kritisieren. Im Gegensatz zu diesem ernsten Thema steht der Vortrag Witts. In seinem Gedicht besingt er sein Verhältnis zum Mangold. Ein Gemüse, welches er im vergangenem Sommer hassen lernte. Die Zuschauer amüsieren sich und wählen die humoristische Darbietung Witts ins Finale.
Öfter mal im Dauerlauf stehen bleiben
Die letzten Kontrahenten in der Vorrunde sind Maron Fuchs und Marcel Schneuer. In einem Wettstreit zwischen einem gerappten Text über das Bienensterben und einem Stück über eine Partynacht gewinnen die Bienen. Maron Fuchs, Flemming Witt und May Luchs erreichen also das Finale, wo sie erneut einen Slam vortragen müssen.
Witt beginnt und sinniert ironisch über vergeudetes Vertrauen. Er meint seine Eltern, welche sich vor dem ersten Schultag einen Scherz mit ihm erlaubt hatten. Die zweite Finalistin, Maron Fuchs, kritisiert den ständigen Optimierungswahn der heutigen Gesellschaft. Man müsse manchmal einfach "mitten im Dauerlauf stehen bleiben", um zu leben, stellt sie fest.
Publikum ist sicht- und hörbar begeistert
Im letzten Text des Finales spricht May Luchs über das schnelle Erwachsenwerden und den Wunsch, wieder Kind zu sein. Als im Anschluss an das Finale die Siegerehrung stattfindet, geht der dritte Platz an Flemming Witt. Bei der Klatschlautstärke zwischen den beiden anderen Finalistinnen kann der Moderator Enrico Josche aber keinen Unterschied feststellen, sodass der erste Platz einfach doppelt besetzt wird.
Nachdem die Preise von den Gewinnern entgegengenommen wurden, wird der Eimer mit den gesammelten Sach- und Geldspenden unter den Teilnehmern aufgeteilt. Dieser Eimer wurde während der Veranstaltung durch die Reihen gegeben und jeder konnte etwas zum Preis beisteuern. Das Publikum war sichtlich und hörbar begeistert von den vorgetragenen Slams und nach einer kurzen Zugabe durch die beiden Gewinnerinnen ging ein gelungener Abend im Bildhäuser Hof zu Ende.