
Es ist Sommer, es ist warm, die Kleidung ist knappe – das ist die Zeit der Tattoos. Aber auch in einer kleineren Stadt wie Bad Neustadt? Wohl kaum, würden viele meinen. Beim Gespräch mit Madlen Wittmann, Tätowiererin im Tattoostudio „Art Rock“ am Marktplatz, kann man sich vom Gegenteil überzeugen.
Derzeit sind Wittmann zufolge in Bad Neustadt Piercings und Tattoos sehr gefragt. Wie viele Tattoos in der Woche gestochen werden, kann die Tätowiererin nicht mit Sicherheit sagen. An einem Tag wird kein Tattoo angefertigt, am nächsten Tag, dann wieder gleich drei. In der Region sind Motive wie Blüten, Tribals und Schriftzüge sehr beliebt. Vor allem Kindernamen werden gerne tätowiert. Der Renner sind Sternentattoos.
„Da Tattoos in vielen Berufen immer noch nicht gerne gesehen werden, lassen sich die meisten unauffällige Dinge am Handgelenk stechen“, so Madlen Wittmann. Das Schulterblatt und der Knöchel werden kaum noch tätowiert. Das sei jedoch auch szenenabhängig. In der Rockerszene werden eher auffällige Stellen wie die Hände oder der Hals bevorzugt.
Am liebsten sticht Madlen Wittmann Porträts oder Totenköpfe. „Porträts machen ultra Bock. Das ist was Aufwendigeres. Da wird nicht nur eine Linie nachgestochen, sondern da werden auch Schattierungen gemacht.“ Von Tattoos mit Namen der Freundin oder des Freundes rät die Tätowiererin immer ab. Es kam sogar schon vor, dass ein Kunde einen alten Reichsadler, anlehnend an den Nationalsozialismus, gestochen haben wollte. Das hat die Tätowiererin aber abgelehnt.

Bei den meisten Tattoos stecken keine Geschichten dahinter, hat uns Madlen Wittmann verraten. Viele Kunden kommen einfach in den Laden und lassen sich ohne darüber nachzudenken ein beliebiges Motiv stechen. Von Bockwürsten bis hin zu einem Stier mit Holzbein, musste die Tätowiererin schon alles unter die Haut bringen.
Manche Kunden haben die 27-Jährige jedoch tief berührt. Eine ältere Frau ließ sich beispielsweise niemals ein Tattoo stechen, weil ihr Mann dagegen war. Nach seinem Tod – sie war damals 80 Jahre – erfüllte sie sich aber ihren Traum. Das Motiv war die Unterschrift des Mannes auf dem ersten Liebesbrief, den er an seine Frau geschrieben hatte.
Auch Andreas Trieser hat länger über das richtige Motiv für die Innenseite seines Oberarms nachgedacht. Das Ergebnis ist ein Anker mit der Inschrift NES. Der soll seine Heimatverbundenheit symbolisieren. Die Leinen des Ankers sind abgerissen, weil Trieser in Bad Neustadt seine Wurzeln sieht und auch für immer in dieser Stadt leben möchte.
„Ein Tattoo kann auch einfach praktisch sein“, sagt Madlen Wittmann. Ein Mann hatte sich zum Beispiel nach seinem Schlaganfall ein Tattoo stechen lassen. Das Motiv waren die Umrisse der Elektroden, die der Mann seitdem dauerhaft am Fußgelenk tragen musste. Nach bestimmter Zeit mussten diese nämlich ausgetauscht werden. Damit der Arzt wusste, wo er die neuen Elektroden anzusetzen hatte, diente das Tattoo als Orientierung.
Der Preis des Tattoo hängt nicht nur von der Größe ab, sondern auch von der Farbe und der Körperstelle, an der tätowiert werden soll. Manchen Stellen seien einfach schwer zu tätowieren, weil sich die Haut dort mehr dehne, so Wittmann. Außerdem schmerzen solche Stellen mehr und der Kunde braucht mehr Unterbrechungen. Die Tätowiererin musste sogar schon eine ganze Sitzung über Kinderlieder singen, damit die Kundin vom Schmerz abgelenkt ist.
Tätowieren darf Madlen Wittmann aber nicht jeden. Ohne die Erlaubnis der Eltern, sind Tattoos grundsätzlich erst ab dem 18. Lebensjahr möglich. Auch Schwangere, Bluter und Betrunkene dürfen nicht gestochen werden.
Derzeit werden auch viele Cover-up's gemacht, also das Überstechen von alten Tattoos. Vor allem Tätowierungen, die im Gefängnis gestochen werden, bereuen die Kunden dann schnell und wollen sie einfach nur noch weg haben. Das ist dann aber nicht immer einfach. „Es ist einfacher auf einer leeren Leinwand zu malen, als auf einer, die bereits bemalt ist“, sagt Wittmann.
Eine Ausbildung zum Tätowierer gibt es nicht. „In den Beruf rutscht man rein“, sagt Madlen Wittmann. Sie selbst hatte Plakate und Werbung für das Tattoostudio Jackys in Bad Neustadt entworfen. Daraufhin hatte sie der Besitzer, Bernd Bretscher, gefragt, ob sie nicht Lust hätte bei ihm zu arbeiten. Zusammen tätowieren sie nun im Art Rock Tattoostudio.