Die Arbeit im Gesundheitsamt ist in Corona-Zeiten richtig stressig. Doch auch wenn die Belastung der Mitarbeiter seit Monaten außerordentlich hoch ist: Wenn man dort anruft, erhält man nicht nur professionelle Auskunft, sondern wird auch immer freundlich begrüßt. "Natürlich bedeutet die Corona-Pandemie Stress und eine hohe Arbeitsbelastung. Aber wenn man einen sinnvollen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten kann, dann ist das auch sehr erfüllend", meint Dr. Anne-Rose Denzel, die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts Rhön-Grabfeld.
Ihr Büro in der Roßmarktstraße ist eher spartanisch eingerichtet. Wenn man sich mit ihr am späten Nachmittag unterhält, dann merkt man ihr schon etwas an, dass der Job schlaucht. Kein Wunder: "Kaum ist ein Telefonat beendet, kommt schon das nächste herein. Es ist oft sehr anstrengend, sich auf eine Sache zu konzentrieren", sagt Denzel. Sie sei hier sozusagen "Mädchen für alles". Dabei sind Infektionskrankheiten eigentlich gar nicht ihr Spezialgebiet. Von Haus aus ist sie nämlich Fachärztin für Psychiatrie und seit 2005 in Teilzeit am Amt angestellt. "Bisher habe ich vorwiegend psychiatrische Gutachten erstellt", sagt sie. Mit Corona hat sich hier aber einiges geändert, auch ihr Tätigkeitsbereich.
Teststation zieht wieder um
Der Umzug der Teststation ist mittlerweile erfolgt. Diese wurde vom alten Krankenhaus wieder an ihren ursprünglich Ort verlegt werden: ans Sportgelände nach Heustreu. "Das Testaufkommen hat sich in den vergangenen Wochen stark erhöht und die örtlichen Gegebenheiten am Krankenhaus waren sehr beengt", erläutert Denzel. Dazu kam, dass es Beschwerden von Anwohnern wegen der Verkehrssituation gab. "Von der Logistik her ist es in Heustreu einfacher", weiß die studierte Psychiaterin zu berichten. Auch die Bundeswehr ist wieder unterstützend mit dabei.
Ereignisse überschlagen sich
Die Zahl der Testungen seien deutlich hochgeschnellt. "Im Juli hatten wir zwischen 24 und 40 Testungen pro Testtag, an zwei Tagen in der Woche. Mittlerweile testen wir an vier Tagen in der Woche, pro Testtag haben wir zwischen 40 und 60 Testungen", informiert Denzel. Insgesamt habe man in der Corona-Krise mehr als 2300 Testungen durchgeführt. Davon wurden 1812 vom Gesundheitsamt abgestrichen, der Rest von Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). All diese Zahlen galten aber für den Donnerstag, 17. September. Inzwischen haben sich die Ereignisse durch den Ausbruch in Bad Königshofendoch überschlagen. Alleine am Montag und Dienstag dieser Woche dürften Hunderte weitere Menschen getestet werden - eine immense Aufgabe für die Einsatzkräfte.
Doch die Durchführung der Testungen inklusive Personendatenerfassung und sorgfältiger Vorbereitung der Testkits, um Verwechslungen zu vermeiden, ist nur ein Schritt im Rahmen der Corona-Prävention. "Wenn bekannt wird, dass einer der Getesteten positiv ist, dann geht die Arbeit erst richtig los", so die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts. Denn zum einen muss für die Betroffenen möglichst sofort rechtswirksam die Quarantäne angeordnet werden. Hier brauche Klarheit im Auftreten und gleichzeitig Fingerspitzengefühl, denn die Betroffenen seien oft sehr verunsichert. 'Was kommt auf mich zu, wie läuft die Quarantäne ab, wer kauft für mich ein?', seien nur einige der Fragen, die den Betroffenen durch den Kopf gehen. "Diese Fragen zu beantworten kostet natürlich Zeit. Wichtig ist es, dass man auf das Gegenüber dann beruhigend eingeht. Manchmal ist auch eine Portion Humor notwendig", meint Denzel. "Die Sache ernst angehen, aber keine Panik verbreiten" ist ihr Motto. Ihre Berufserfahrung als Psychiaterin habe ihr dabei geholfen, auf die Menschen am Telefon einzugehen. "Das war zwar sehr anstrengend, aber die Arbeit macht eigentlich Spaß. Auch wenn man des Öfteren an seine Grenzen kommt. Nicht zuletzt zeichnet sich jetzt schon ab, dass auch die Wochenenden wieder durchgearbeitet werden müssen und unter den Fachkräften die Personaldecke sehr dünn ist."
Nachverfolgung von Infektionsketten ist das A und O
Mit den Menschen zu reden und aufzuklären, wie man sich als Infizierter verhält ist das eine. Das andere ist, dass die Kontaktpersonen nachverfolgt werden müssen. Wenn beispielsweise ein Reiserückkehrer positiv getestet wird, werde das Gesundheitsamt von den testenden Laboren informiert. "Leider ist es so, dass sich einige der Reiserückkehrern nicht an die Quarantänepflicht halten und beispielsweise auf Feiern gehen", so Denzel.
Bei der Kontaktpersonennachverfolgung werden sodann die Betroffenen aufgefordert, umgehend Listen zu erstellen, mit welchen Personen sie während der letzten vier bis fünf Tage Kontakt hatten. "Je nach Aktivität sind die Listen dann unterschiedlich lang", so Denzel. Wichtig sei im Einzelnen zu klären, ob und wie eng die Kontakte zu anderen Personen waren, ob draußen oder in geschlossenen Räumen und wie lange man mit Infizierten zusammen war. Sämtliche übermittelte Personen werden daraufhin so schnell wie möglich telefonisch kontaktiert und dann in die Kategorie I oder II eingestuft. "Personen der Kategorie I, d.h. solche mit näherem Kontakt zu den Infizierten werden umgehend unter Quarantäne gestellt und zum Test vorgeladen. Während der etwa 10- bis 14-tägigen Quarantäne werden sie täglich von den Mitarbeitern des "Contact-Tracing-Teams" des Gesundheitsamters telefonisch kontaktiert. Dabei werden sie bezüglich möglicher Symptome wie etwa Fieber, Husten, Schnupfen, Heiserkeit oder Müdigkeit befragt", sagt die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes. Betroffene hätten dabei Anspruch auf eine Quarantänebescheinigung für ihren Arbeitgeber, der sich die Ausfallkosten wieder beim Staat holen kann.
Von Fall zu Fall entscheiden
"Man wird sehen, ob die Quarantänezeit in absehbarer Zukunft verkürzt wird", meint Denzel. Sie hält das für vertretbar, aber es sei wichtig, dies von Fall zu Fall zu entscheiden. Die Betroffenen hätten sich in Rhön-Grabfeld meist sehr kooperativ gezeigt. "Von so genannten Reichsbürgern oder Corona-Leugnern wurden wir bisher glücklicherweise verschont", sagt die Psychiaterin.
Auch wenn die Arbeitsbelastung im Amt sehr hoch ist. "Das Team im Amt ist sehr gut. Die Hilfsbereitschaft ist enorm. Jeder packt an, wo er gebraucht wird. Es gibt trotz Stress keinerlei Reibungsverluste", ist die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts begeistert. Und auch in stressigen Zeiten ist ein Lächeln Gold wert. So, wie man es bei Dr. Anne-Rose Denzel oftmals sieht.