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Bad Neustadt
Bad Neustadt: 26 Kilogramm Medaillen für "Herzenswünsche"
Sehr viele Medaillen errangen Helga Thiem und Gert Müller bei zahlreichen Schwimmwettkämpfen.
Foto: Gert Müller | Sehr viele Medaillen errangen Helga Thiem und Gert Müller bei zahlreichen Schwimmwettkämpfen.
Peter Hüllmantel
 |  aktualisiert: 20.03.2021 02:15 Uhr

Medaillen und Orden mit einem stolzen Gesamtgewicht von 26 Kilogramm werden für einen guten Zweck, die Aktion "Herzenswünsche", gespendet. Damit unterstützt Gert Müller vom VfL Sportfreunde Bad Neustadt die Aktion der Neuschter Karnevalsgesellschaft NES-KA-GE. Diese hat einen Aufruf gestartet, Faschingsorden und Zinnteller im Wertstoffzentrum in Brendlorenzen, Am Aspen, abzugeben. Dort werden sie gesammelt (Abgabe noch bis 2. April möglich) und dann an einen Wertstoffhändler verkauft. Der Erlös ist für "Herzenswünsche" bestimmt. "Herzenswünsche e. V." ist ein bundesweit tätiger Verein, der schwer kranken Kindern und Jugendlichen lang ersehnte Wünsche erfüllt, um ihnen damit neuen Mut, Kraft und Freude zu schenken.

Erinnerung an Helga Thiem

Bevor Gert Müller seine Medaillen und die aus dem Vermächtnis von Helga Thiem aus der Hand gibt, schwelgt er noch einmal in Erinnerungen. Erworben haben diese zahlreichen und wertvollen Stücke die Masters-Schwimmer des VfL 1860 Sportfreunde Bad Neustadt, Gert Müller und Helga Thiem, die 2009 im Alter von 81 Jahren verstorben ist. Hinzu gesellen sich die Orden von diversen Karnevalsgesellschaften, die dem langjährigen Schatzmeister und Elferrat der NES-KA-GE, Heinz Müller, verliehen wurden. Müller hatte sich ein Vierteljahrhundert um die Finanzen der "Neuschter Narren" gekümmert. Die Orden der NES-KA-GE erzählen seit 1956 zeitgeschichtliche Ereignisse von Bad Neustadt, wie einst die Umgehungsstraße Mühlbacher Straße, das erste Hallenbad oder eine Bürgermeisterwahl.

Helga Thiem (links) und Gert Müller (rechts) vor der Fahne der 1. World Masters-Games in Toronto im Jahr 1985. Dort gingen sie in der Disziplin Schwimmen an den Start.
Foto: Bildrechte: Gert Müller | Helga Thiem (links) und Gert Müller (rechts) vor der Fahne der 1. World Masters-Games in Toronto im Jahr 1985. Dort gingen sie in der Disziplin Schwimmen an den Start.

Auch die zahlreichen Sitzungen bei befreundeten Karnevalsgesellschaften konnte man damals nahezu als sportliche Höchstleistungen bezeichnen, reichten die Verbindungen der Narren doch von Bad Neustadt bis nach Berlin-Reinickendorf, Kassel und ganz Süddeutschland. Die Jahresorden des Fastnacht-Verbandes Franken von Gert Müller symbolisieren die dem Verband angeschlossenen Karnevalsgesellschaften. Die letzten Ausgaben wurden als Sammlerstücke mit besonderer Prägung verliehen.

Medaillen aus Porzellan

Die Unternehmen der Jecken sind jedoch kaum zu vergleichen mit den Reisen, die Masters-Schwimmerin Helga Thiem in ihrer aktiven Zeit unternommen hat. Die erfolgreiche Sportlerin begann erst im Alter von 40 Jahren mit dem Schwimmsport und nahm ab 1973 an Wettkämpfen teil. Erst einmal in den fränkischen Bädern, später über die Bezirks-, bayerischen-, deutschen Meisterschaften bis hin zu den Europa- und Weltmeisterschaften wie die zweiten World-Masters-Games 1989 in Aarhus (Dänemark), wo sie als 61-Jährige u. a. zwei 3. Plätze über 400 und 800 Meter Freistil (8:04,62 Minuten) und einen 4. Platz über 1500 m Freistil (32:42,36) belegte.

Nicht alle Ehrenbezeugungen müssen aus Metall gefertigt sein. Die aus Aarhus wurden von der königlich dänischen Porzellanmanufaktur gestaltet und hergestellt. Ein anderweitig einmaliges Medaillenstück aus Kitzingen wurde nicht über den Kopf verliehen, sondern wurde als Schlüsselbund-Anhänger am Hosenbund getragen. Ein absolutes Highlight waren 1990 die Weltmeisterschaften in Rio de Janeiro, wo Helga Thiem u. a. Platz fünf über 200 m Freistil in 3:48,87 Minuten belegte. Die 100 m absolvierte sie in ihrer Altersklasse als Neuntbeste in 1:46,46 Minuten – zehn Jahre zuvor hatte sie diese Distanz in 1:45,00 Minuten bewältigt, was ihr ein stets verbessertes Training attestierte. Die World-Masters-Games 1994 in Montreal (Kanada) waren ein weiterer Höhepunkt ihrer internationalen Karriere.

Diese Auszeichnung weckt bei Gert Müller die Erinnerung an die 1. World-Masters-Games im Schwimmen in Toronto (Kanada) im Jahr 1985, an denen er und Helga Thiem teilnahmen.
Foto: Gert Müller | Diese Auszeichnung weckt bei Gert Müller die Erinnerung an die 1. World-Masters-Games im Schwimmen in Toronto (Kanada) im Jahr 1985, an denen er und Helga Thiem teilnahmen.

Zehn Weltmeisterschaften

Jahre zuvor, 1985, hatten für sie und ihren Schwimmkollegen Gert Müller die 1. World-Masters-Games (Olympische Spiele für Masters) in Toronto (Kanada) auf dem Plan gestanden. Müllers erstaunlichstes Erlebnis hatte er beim Einschwimmen, als eine Dame mittleren Alters locker an ihm vorbeizog. Wie sich bei einem kurzen Plausch herausstellte, war es Dawn Fraser aus Australien, die bei drei Olympischen Spielen 1956, 1960 und 1964 auf ihrer Paradestrecke, den 100 m Freistil, jeweils Gold errang. Zudem unterbot sie als erste Frau über die 100 m Freistil die Ein-Minuten-Marke und stellte in ihrer aktiven Zeit 39 Weltrekorde auf. Helga Thiem kam bei späteren Großveranstaltungen ebenfalls mit Dawn Fraser in Kontakt. Thiem startete sieben Mal bei Europa- und zehn Mal bei Weltmeisterschaften.

Bei einem ihrer letzten Wettkämpfe verriet Helga Thiem, dass sie bestimmt über 300 Medaillen in ihrem Fundus hat. Zählt man die Veranstaltungen hinzu, bei denen keine Medaillen überreicht wurden, stattdessen z. B. ein Fläschchen Wein wie in der Pfalz oder beim Silvana-Masters in Schweinfurt, kam Helga Thiem auf mehr als 350 Schwimmwettkämpfe.

VfL-Trio in Toronto

Auch der langjährige Stützpunkttrainer der VfL-Springerschule für das Kunst- und Turmspringen, Volker Knopp, hatte damals aktiv an den Meisterschaften in seiner Spezialdisziplin in Toronto teilgenommen. Danach unternahm Gert Müller mit Volker Knopp eine erlebnisreiche Tour auf der Traumstraße Nummer eins, von Calgary bis Jasper/Kanada.

Zuvor hatten die bayerischen Junioren- und Seniorenmeisterschaften im Juli 1985 zur 125-Jahr-Feier des VfL im Freibad von Bad Neustadt stattgefunden. Der Gründer der Bad Neustädter Senioren-Schwimmgemeinschaft in den 70er Jahren und Initiator der Wettkämpfe war Dr. Ernst Behrmann, der damals sagte, als er seine beiden Söhne bei ihren Wettkämpfen begleitete: "Warum soll ich meinem Nachwuchs nur zuschauen? Ich schwimme lieber selber bei den Senioren mit." Im Verlauf der Zeit scharte er ein erfolgreiches Masterteam in Bad Neustadt um sich.

Helga Thiem drehte jahrein, jahraus ihre etwa 2000-Meter-Runden im Neuschter Hallen-Freibad und Triamare. Ihre Maxime: "Du lebst vielleicht dadurch nicht länger, indem du Sport treibst, aber viel intensiver und leistungsfähiger." Als Leistungssportlerin gab Helga Thiem ihren Erfahrungsreichtum schon früh an die Jüngsten weiter. Über Jahrzehnte hinweg brachte sie den Kindern die ersten sauber ausgeführten Schwimmzüge bei und legte einen soliden Grundstock für viele erfolgreiche Wettkampfschwimmer des VfL.

Trainingsschweiß und Herzblut

Gert Müller beschränkte sich bis auf wenige Ausnahmen auf Einladungswettkämpfe und Meisterschaften im Bezirk und in Bayern. Müller trainiert seit vier Jahrzehnten als lizenzierter Übungsleiter eine Gruppe der Schwimmabteilung. In allen vier Schwimmstilen gut trainierte Athleten/innen rücken in die Wettkampfmannschaft auf. Aber auch gehandicapte Menschen, z. B. aus Maria Bildhausen, und Nichtschwimmer, die vom Kinderschutzbund gefördert werden, lernten von ihm das Freistilschwimmen. Bei so viel Trainingsschweiß und Herzblut werden aber nicht alle Orden und Medaillen den Weg in den Wertstoffhof gehen. Die schönsten und wertvollsten Exemplare verbleiben mit den besten und abenteuerlichsten Erinnerungen im Archiv. 

 
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