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WECHTERSWINKEL
Ausstellung „Zwischen Minne und Kloster - Frauenleben im Mittelalter“ eröffnet
In der nachgebauten Klosterzelle sind (von links) Kreiskulturmanagerin Astrid Hedrich-Scherpf, die drei Musikerinnen Paula Kaiser, Larissa Wehner und Irene Wehner, die Kuratorin der Ausstellung, Alice Selinger und stellvertretender Landrat Peter Suckfüll zusammengekommen.
Foto: Hahn | In der nachgebauten Klosterzelle sind (von links) Kreiskulturmanagerin Astrid Hedrich-Scherpf, die drei Musikerinnen Paula Kaiser, Larissa Wehner und Irene Wehner, die Kuratorin der Ausstellung, Alice Selinger und ...
Klaus-Dieter Hahn
 |  aktualisiert: 05.02.2016 03:49 Uhr

Die Januarkälte kriecht langsam durch die dicken Klostermauern. Die spartanisch eingerichteten Zellen der Nonnen bieten keine Wärme. Vor dem geistigen Auge sieht man die frommen Frauen förmlich, wie sie vor dem Kreuz an der Wand auf dem hölzernen Betstuhl knien.

Im Hintergrund steht ein einfaches Bettgestell aus Holz mit einem Strohsack, der ein wenig Wärme und Bequemlichkeit zu bieten scheint. Es fällt dem Betrachter dieser Szenerie nicht schwer, sich das entbehrungsreiche Leben im Mittelalter vorzustellen.

In der Galerie des Wechterswinkler Kreiskulturzentrums ist eine kärglich eingerichtete Klosterzelle nachgebaut. Sie vermittelt dem Besuchereinen Eindruck vom damaligen klösterlichen Leben. So ähnlich wird es auch im früheren Frauenkloster Wechterswinkel ausgesehen haben, als es im 12. Jahrhundert gegründet wurde. Im vergangenen Jahr war die Kreiskulturagentur mit einer Ausstellung über die mittelalterliche Küche in ihre neue Reihe „Kloster erleben“ gestartet. Heuer richtet man unter dem Titel „Zwischen Minne und Kloster – Frauenleben im Mittelalter“ den Fokus auf die Lebensumstände der Frauen, ihre Aufgaben und Positionen in der Gesellschaft des Mittelalters.

Dazu haben die Mitarbeiter des „Klosters Wechterswinkel - Kunst & Kultur“ unter Regie von Kreiskulturmanagerin Astrid Hedrich-Scherpf nach der Ausstellungskonzeption von Alice Selinger nicht nur eine Klosterzelle nachgebaut, sondern auch Schautafeln, Alltagsgegenstände, einen Webstuhl und sakrale Gegenstände aus dem Mittelalter installiert. Zum großen Teil Leihgaben des Rhön- beziehungsweise Freilandmuseums Fladungen. „Nur der alte Beichtstuhl hat wegen seiner Dimensionen nicht in die Ausstellung gepasst“, schmunzeln stellvertretender Landrat Peter Suckfüll und Hedrich-Scherpf bei der Vernissage. Doch auch ohne bietet die neue Ausstellung Anschauungsunterricht und Gelegenheit, das oft so romantisch angehauchte Bild des Mittelalters geradezurücken. Peter Suckfüll weist eingangs auf die „reine Männergesellschaft“ im Mittelalter hin. Die Kuratorin der Ausstellung, Alice Selinger, greift das Thema auf. In von Männern dominierten Mittelalter hatten Frauen nur als Heilige, Mystikerinnen oder Königinnen eine Chance, in literarischen Texten Erwähnung zu finden.

Erst ab dem 12. Jahrhundert gibt es häufiger Texte weiblicher Autoren, wie von Hildegard von Bingen. Seit dem 19. Jahrhundert werden Frauengestalten in der Geschichte erforscht. Harte körperliche Arbeit prägte den Alltag der Frauen im Mittelalter. Eindrucksvoll führte die Kunsthistorikerin aus Dreieich vor Augen, dass das „schwache Geschlecht“ seinerzeit nicht nur für Nahrungszubereitung, Wäschewaschen, Erziehung der Kinder und Pflege der kranken Menschen zuständig war. Nein, die Frauen mussten auch Kleidung herstellen, auf den Feldern und im Stall mit anpacken, Gemüse anbauen – und sogar Bier brauen.

Dass Gleichberechtigung, geschweige denn gesellschaftliche Anerkennung für die damalige Frauenwelt in unerreichbarer Ferne lagen, machte Selinger an zahlreichen weiteren Beispielen fest. Die Geburt eines männlichen Nachkommen wurde als „fröhliche Geburt“, ja angeblich als „leichte Geburt“ klassifiziert. Empfängnisverhütung galt für die Theologen als Todsünde. Dennoch gab es abstruse Methoden zur Empfängnisverhütung, die von der Anwendung von Hasenmist über reizende Dämpfe von brennenden Eselshufen oder Eselsmist bis zum Gebräu aus Milch und Mäuseblut reichten.

Während regelmäßiger Geschlechtsverkehr der Gesundheit des Mannes eher zuträglich eingeschätzt wurde, mussten sich Frauen in Zurückhaltung üben. Die Vormundschaft oblag bei freien Frauen den Vätern und später den Ehemännern. Üblicherweise heirateten die Mädchen bereits ab 14 Jahren. In dieser rohen mittelalterlichen Männerwelt blieb Frauen oft nur die Flucht ins Kloster vorbehalten. Dort bestand für Frauen auch die einzige Möglichkeit, Bildung zu erlangen.

Erst ab dem 13. Jahrhundert ermöglichten es die wachsenden Städte, dass auch Frauen einen Beruf ausüben konnten. Getreu dem Motto „Stadtluft macht frei“, wurden zum Beispiel in Frankfurt 65 Frauenberufe notiert.

Für die musikalische Umrahmung der Vernissage sorgte das Trio „Fontegara“. Die Musikerinnen Irene Wehner (Flöten, Gambe), Paula Kaiser (Flöten) und Larissa Wehner (Schlaginstrumente) entführten mit ihren historischen Instrumenten in die Klangwelt des Mittelalters. Sie faszinierten das Publikum mit italienischen und englischen Tänzen sowie einem Klagegesang, dem „lamento de tristano“.

Auch die „Klosterküche“ präsentierte sich mittelalterlich und servierte Linsensuppe und sogenannte „Nonnen-Förzlich“.

Die Ausstellung

Die Ausstellung „Kloster erleben“ mit dem Titel „Zwischen Minne und Kloster: Frauenleben im Mittelalter“ ist bis 3. April im Kloster Wechterswinkel während der Öffnungszeiten (Mittwoch bis Sonntag jeweils von 13 bis 17 Uhr) zu besichtigen. Führungen sind für die Sonntage, 21. Februar und 13. März,(je ab 14.30 Uhr), anberaumt. Außerdem findet eine Führung im Rahmen des „art after work“ am Donnerstag, 3. März, ab 18.30 Uhr an statt.

 
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