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Bischofsheim
Ausstellung zum 100. Geburtstag: Die Wandbilder von Walter Niebergall schmücken viele Häuser in der Rhön
Neben den Fotos der Werke Niebergalls steht das Handwerkszeug eines Verputzers. Diese Technik wird heute in der Ausbildung nicht mehr gelehrt.
Foto: Barbara Enders | Neben den Fotos der Werke Niebergalls steht das Handwerkszeug eines Verputzers. Diese Technik wird heute in der Ausbildung nicht mehr gelehrt.
Barbara Enders
 |  aktualisiert: 01.07.2024 02:37 Uhr

Kraftvoll, ausdrucksstark und heimatverbunden, in der Farbigkeit reduziert und sehr plastisch wirkend: So könnte man die großen Wandbilder in der Sgraffito-Technik umreißen, die in der gesamten Rhön zu finden sind. Diese Wandgemälde kennt fast jeder, den Namen des Künstlers hingegen nur wenige.

Walter Niebergall, 1924 in Dorndorf/Thüringen geboren und 1999 im hessischen Hilders gestorben, war schon als Jugendlicher für sein großes Talent bekannt. Mit 16 Jahren zog er in den Krieg und geriet in französische Gefangenschaft. Ein Dorndorfer riet ihm, nicht mehr in seinen Heimatort zurückzukommen, denn dieser gehörte zur russischen Besatzungszone. Die Kriegserlebnisse haben einen absolut friedliebenden Menschen aus ihm gemacht.

Walter Niebergall studierte in Göttingen Kunst, heiratete und ließ sich mit seiner Frau Gertrud (Trudi) in Hilders nieder. Hier traf ihn auch Brigitte Vorndran (geb. Niebergall) aus Bischofsheim wieder. Ihrem "Onkel Walter", wie ihn die ganze Familie nannte, hatte sie als Kind zugeschaut, wie er an seinem Elternhaus in Dorndorf das Wandgemälde anbrachte. Seine Werke hatten sie schon immer beeindruckt und sind bis heute in der gesamten Familie erhalten geblieben.

Das Andenken an den Onkel bewahren

"Onkel Walter hatte keine Kinder", sagt Brigitte Vorndran, "wer sollte sich sonst um sein Andenken kümmern, wenn nicht wir"? Vier Jahre lang steckte das Vorhaben in den Startlöchern und wurde von Corona ausgebremst.

Hauptsächlich mit ihrer Schwägerin Susanne Niebergall ging sie auf Spurensuche, sie liehen sich Werke von Göttingen bis zum Bodensee aus, um sie in einer Ausstellung präsentieren zu können.

Eine große Hilfe war den beiden der Hilderser Albert Kirchner, der eine umfangreiche Fotosammlung von Niebergalls Wandbilder besaß, die er den Damen übergab. Daraus ließ Brigitte Vorndran großformatige Leinwandbilder anfertigen, die den Charakter der Sgraffiti oder landläufig auch Kratzputzbilder genannten Werke gut darstellen. Diese Wandbilder sind ein Alleinstellungsmerkmal der Rhön.

Der Künstler war auch Bademeister

Hilders' Bürgermeister Ronny Günkel drückte bei der Feierstunde zur Ausstellungseröffnung seine Freude aus, dass die Werke Niebergalls in der Rathausgalerie gezeigt werden können. "Walter Niebergall und seine Frau Trudi führten fast 30 Jahre lang das Hilderser Freibad", ergänzte Günkel. "In dieser Zeit als Bademeister brachte Walter fast allen Bürgern, die heute etwa zwischen 35 und 55 Jahre alt sind, das Schwimmen bei."

Für seine großen Wandgemälde, für die er mehrere dünne, farbige Putzschichten auf die Fassade aufbrachte und kratzend das Motiv entwickelte, verlangte Niebergall nicht viel Geld, berichten Hausbesitzer. Walter Niebergall war ein äußerst bescheidener Mensch, er verzehrte auf seinem Gerüst sitzend, mitgebrachte Brotzeit und trank Tee aus selbst gesammelten Kräutern.

Landschaften, Pflanzen und Tiere der Rhön

Seine Zeichenleidenschaft wird in einigen Anekdoten überliefert, so diese, dass er mit Trudi zum Wandern wollte, kurz nach dem Start ein Motiv sah, den Zeichenblock zückte und alles um sich herum vergaß. Seine Frau Trudi wanderte alleine zurück. Diese Motive fanden sich in seinen Wandbildern und Gemälden wieder. Sie zeigen Landschaften, Pflanzen und Tiere der Rhön, in großer Detailtreue, in manchen sind die Gesichter der Hausbewohner verewigt.

Als die Dorfkirche zu Habel in den 1960er Jahre renoviert wurde, bemalte Walter Niebergall das Deckengewölbe mit Engelchen, die Gesichter von Dorfbewohnern und Filmsternchen bekamen.

100 Jahre Walter Niebergall, ein Rhöner Künstler: Als 'Lilie von Onkel Walter' bezeichnet Brigitte Vorndran die Signatur des Malers, die sich auf allen seinen Werken findet, manchmal in Verbindung mit den Initialen 'WN'
Foto: Barbara Enders | 100 Jahre Walter Niebergall, ein Rhöner Künstler: Als "Lilie von Onkel Walter" bezeichnet Brigitte Vorndran die Signatur des Malers, die sich auf allen seinen Werken findet, manchmal in Verbindung mit den Initialen "WN"

Ein Auftrag schien Walter nicht ausführbar. Ein Hausbesitzer in Völkershausen wollte ein Gemälde, um die Fledermauslöcher in seiner Wand zu integrieren. Kurze Zeit später hatte der Künstler die Lösung, schuf einen Baum auf die Ecke der Hauswand, der die Fledermauslöcher einband.

Durch die Initiative der Bischofsheimerin Brigitte Vorndran konnte mit dem künstlerischen Werk von Walter Niebergall ein weiteres Stück Rhöner Zeitgeschichte dokumentiert und gesichert werden.

Alle Schaffensperioden des Künstlers

Diese Ausstellung seines Lebenswerkes zum 100. Geburtstag des Künstlers stellt alle Schaffensperioden Niebergalls dar. Sie ist zeitlich geordnet und beginnt mit Werken aus seiner Jugend vor dem Krieg und Skizzen aus der Gefangenschaft, die er auf allen verfügbaren Blättern wie aufgeschnittenen Briefumschlägen oder Kartons festgehalten hat.

Im Erdgeschoss des Rathauses findet man Ölgemälde, Aquarelle und die Fotos eines Teils der unzähligen Wandbilder. Die genaue Anzahl nicht bekannt ist, derzeit weiß man von 300 Bildern.

Skizzen aus der Kriegszeit gehören ebenfalls zum Werk Niebergalls, alle Infos zum Künstler sind in einer kleinen Broschüre zusammengefasst.
Foto: Barbara Enders | Skizzen aus der Kriegszeit gehören ebenfalls zum Werk Niebergalls, alle Infos zum Künstler sind in einer kleinen Broschüre zusammengefasst.

Brigitte Vorndrans Wunsch ist es, die Bilder Walter Niebergall mehr in den Focus der Betrachter zu rücken. Sie selbst entdeckt immer wieder neue Werke. "Die kleine Lilie von Onkel Walter" mit der Jahreszahl der Entstehung ist für sie die eindeutige Zuordnung. Manchmal sind die Buchstaben "wn" ergänzt.

Die Ausstellung im Rathaus Hilders ist noch bis zum 31. Juli 2024 während der Öffnungszeiten zu besichtigen. Zur Ausstellung gibt es einen Katalog, der vor Ort erhältlich ist.

Sie freuen sich über die Ausstellung in Hilders: (von links) Albert Kirchner, der mit seiner Kamera die Werke Niebergalls festhielt, Bürgermeister Ronny Günkel, Heidi Richter, Dorndorfer Ortsteilbürgermeisterin, Brigitte Vorndran und Susanne Niebergall, die die Ausstellung zusammenstellten.
Foto: Barbara Enders | Sie freuen sich über die Ausstellung in Hilders: (von links) Albert Kirchner, der mit seiner Kamera die Werke Niebergalls festhielt, Bürgermeister Ronny Günkel, Heidi Richter, Dorndorfer Ortsteilbürgermeisterin, ...
 
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