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Bad Neustadt
Aussage gegen Aussage: Vergewaltigung oder einvernehmlicher Sex?
Die Vorwürfe liegen Jahre zurück, dazu kommt ein überwundenes Alkoholproblem: Am Bad Neustädter Amtsgericht musste nach einem alten Grundsatz entschieden werden.
Wenn Aussage gegen Aussage steht, kommt vor Gericht häufig ein alter juristischer Grundsatz zur Anwendung. So war es auch am Bad Neustädter Amtsgericht der Fall.
Foto: Johannes Eisele | Wenn Aussage gegen Aussage steht, kommt vor Gericht häufig ein alter juristischer Grundsatz zur Anwendung. So war es auch am Bad Neustädter Amtsgericht der Fall.
Eckhard Heise
 |  aktualisiert: 20.09.2024 02:33 Uhr

Heikel wird es für ein Gericht, wenn es um Vergewaltigung geht, die Vorfälle acht Jahre zurückliegen und ein Urteil sich nur auf die Aussagen des Angeklagten und des angeblichen Opfers stützen kann.

Verantworten musste sich vor dem Bad Neustädter Amtsgericht ein 30-jähriger Mann aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld, der sich gleich mehrfach an seiner Lebensgefährtin vergangen haben soll. Verhandelt wurde unter anderem ein Vorfall aus dem Jahre 2016, bei dem die vier Jahre jüngere Lebensgefährtin von ihrem Partner neben der im selben Bett schlafenden Tochter zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden sein soll. Bei einem anderen Fall soll der Angeklagte sogar massive körperliche Gewalt angewendet haben, um den Beischlaf zu erzwingen.

Aussagen unter Tränen

Mehrfach soll der Mann in sie eingedrungen sein, während sie schlief, sagte die junge Frau aus. Häufig habe sie erst am Morgen bemerkt, was geschehen ist, sagte die Hauptzeugin unter Tränen aus. Oft habe sie sich gegen die Zudringlichkeit gewehrt, aber irgendwann den Widerstand aufgegeben, zumal sie zeitweise in der fünf Jahre währenden Beziehung auch ein starkes Alkoholproblem gehabt habe und emotional von ihrem Partner abhängig gewesen sei.

Zeitweise seien sie auch getrennt gewesen, und dann doch wieder zusammengekommen. Um das gemeinsame Kind habe sich der Angeklagte in keiner Weise gekümmert, so die Aussage der jungen Frau. Nach dem endgültigen Beziehungsaus habe sie sich einer psychiatrischen Behandlung unterzogen, in deren Verlauf ihr die Geschehnisse erst richtig bewusst geworden seien. Daraufhin habe sie schließlich - allerdings erst vier Jahre nach den Vorkommnissen - Anzeige erstattet. Außerdem habe sie eine Alkoholentzugstherapie absolviert und sei nun schon seit mehreren Jahren trocken.

Angeklagter: Sex war einvernehmlich

Der Angeklagte wies hingegen alle Vorwürfe zurück. Sex habe immer einvernehmlich stattgefunden, beteuerte der derzeit Arbeitslose. Er räumte lediglich einige Vorfälle ein, bei denen er selbst geschlafen habe, als er sich seiner Partnerin näherte. Dieses ungewöhnliche Phänomen gebe es tatsächlich, wie er sich informiert habe, sagte er vor Gericht. Wenn er in einem solchen Fall aufgewacht ist, habe er sich sofort abgewendet, wenn seine Partnerin ihn abgewiesen habe.

Das Wort "Rosenkrieg" fiel dann auch, als der Angeklagte nach den Gründen für die Beschuldigungen gefragt wurde. Seine ehemalige Partnerin wolle sich lediglich für die Trennung rächen. Außerdem sei sie selbst gegen ihn gewalttätig geworden. Bei einer Gelegenheit habe er sich mit einer Ohrfeige gegen die Angreiferin gewehrt.

Eine junge Frau aus dem Freundeskreis des Paares bestätigte, dass sich das angebliche Opfer der Übergriffe noch während der laufenden Beziehung an sie gewendet und von den Geschehnissen berichtet habe. Weil die Ereignisse Jahre zurückliegen, könne sie sich aber nicht an Einzelheiten erinnern und sich nur auf Aussagen bei der Polizei vor drei Jahren stützen. Sie könne sich lediglich an die Beschuldigungen erinnern, in denen von mehrfachem, erzwungenem Beischlaf die Rede war. Sie wisse noch, dass die junge Frau "ziemlich fertig" gewesen sei.

Ein Akt der Vergeltung?

Eine weitere Zeugin, die schon länger mit dem Angeklagten befreundet gewesen war, erinnerte sich ebenfalls an Gespräche mit der Frau und Nebenklägerin. Dabei sei aber nie der Begriff der Vergewaltigung gefallen. Sie vermute vielmehr einen Akt der Vergeltung und dass sie den Angeklagten an sich binden wolle.

Während am Ende der Staatsanwalt eine mehrjährige Haftstrafe forderte, sah das Gericht die Schuld des Angeklagten nicht zweifelsfrei als erwiesen an. Durch den starken Alkoholkonsum, die Einflüsse der Therapie und durch den langen Zeitraum zwischen den Vorkommnissen und der Anzeige könnten auch Fehler in der Erinnerung entstanden sein. In diesem Fall sei die Schuld nicht eindeutig erwiesen, weshalb der Angeklagte frei gesprochen wurde.

Freispruch auch bei einem zweiten Vorwurf

Das gilt auch in einem zweiten Anklagepunkt. Im Herbst 2023 soll der Mann einer neuen Partnerin, von der er mittlerweile aber ebenfalls wieder getrennt sei, aus deren Wohnung mehrere Hundert Euro entwendet haben. Auch in diesem Fall wies der Angeklagte den Vorwurf zurück und erklärte, dass andere Personen ebenfalls Zugang zu dem Aufbewahrungsort gehabt hätten. Da nicht alle Zweifel an der Schuld des Mannes ausgeräumt werden konnten, erfolgte auch hier ein Freispruch durch Richter wie Schöffen nach dem Grundsatz "In dubio pro reo", im Zweifel für den Angeklagten.

 
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