Schaut man sich um unter den Zeitgenossen unserer Tage, gibt es etwas, das sie nahezu fortwährend zur Hand haben, auch wenn es gerade mal in irgendeiner Tasche steckt und nicht in der Hand gehalten wird: das Handy.
Klingelt es, eilt der Handy-Besitzer dem Ton nach. Er unterbricht jede Tätigkeit sofort, das Gespräch, das er gerade mit einem leibhaftigen Gegenüber führt, ist abrupt unterbrochen. Das Handy verschafft sich absolute Vorfahrt.
Es hat sich im allgemeinen Bewusstsein inzwischen so weit an die Spitze gedrängelt, dass Szenen wie diese keine Seltenheit sind:
In der Jahreshauptversammlung eines Vereins blickt ein Vorstandsmitglied gerade auf das zurück, was alle gemeinsam bewegt hat. Da passiert das Unvermeidliche: Aus einer Handtasche schallt der Handy-Ton. Wie elektrisiert nimmt die solchermaßen Aufgeforderte laut vernehmlich das Gespräch auf, ihre Stimme gerät in einen Wettstreit mit der Stimme von vorne, die eigentlich alle erreichen möchte.
Da hat jemand eine Idee, wie man diese Konkurrenz beenden könnte: „Warte doch mal, bis das Telefonat zu Ende ist“, schlägt er dem rechtmäßigen Vorstandsredner vor.
Kann es wirklich wahr sein, dass einem Handy die Macht eingeräumt wird, sich ganz selbstverständlich über alle Formen der Höflichkeit hinwegzusetzen?
Zwar regte sich nur wenig Protest, aber befolgt wurde folgende Anweisung dann doch (noch?): „Wer telefoniert, geht raus“. Ganz überzeugt von dieser Regelung war die Handy-Dame wohl nicht, das sagten ihre verächtlichen Blicke, als sie den Saal wieder betrat.
Wo, bitte, geht unser menschliches Miteinander in diesen Zeiten nur hin?