Sten Nadolny soll sich seine Anregung für seinen berühmten Roman in Bad Neustadt geholt haben. Das Buch setzt sich damit auseinander, wie man durch Kontemplation, durch tiefe innere Einkehr zu mehr Genuss und einer höheren Urteilsfähigkeit gelangt und dementsprechend handelt. Lange Jahre blieb uns dies verweigert. Wir brausten durch die Stadt und ehe wir uns versahen und bemerkten, was um uns herum geschah, gelangten wir von einem zum anderen Ende. Da hatten Verkehrsplaner, inspiriert von einem ähnlichen philosophischen Ansatz wie das Erzählwerk, eine simple Idee: Schluss mit der grünen Welle.
So stehen wir, nachdem wir die Mautpreller der B 279 passieren ließen, neben dem Autohaus und träumen von den neuesten Modellen. Beim Mac Donald kommt die Ernüchterung bei der Erkenntnis, dass wieder der TÜV fällig ist und wir erörtern im Stillen die Frage, ob es für Autos ein Leben nach dem Schrottplatz gibt. An der BayWa-Kreuzung lesen wir an den Litfaßsäulen nicht nur, dass jetzt auch böhmische Gestörte in Sandberg sind sondern können sogar das Impressum entschlüsseln. Beim Finanzamt folgen wir der Sparkassenanzeige dem Wechsel zwischen Uhrzeit und Temperatur und können in Ruhe die Zeiger im Armaturenbrett korrigieren. An der Post ärgern wir uns, dass wieder einmal alle Parkplätze frei sind, weil sie niemand wegen der Schranke benutzen kann und machen uns Gedanken über den Werteverlust beim einstigen Monopollisten. Vor der Polizei sehen wir Bekannte die Fahrbahn vor uns überqueren, die eigentlich mal wieder besucht werden sollten.
An der Falaiser Brücke können wir uns den durchdringenden Blicken lächelnder Wahlobjekte nicht entziehen, umso angenehmer ist der Anblick der Preh-Sekretärinnen, wenn sie in der Mittagspause durchs Hohntor zum Latte Macchiato in die Stadt schlendern.
Hundert Meter weiter machen die Teilzeitkräfte der VG Feierabend und eilen zu ihren Autos am Festplatz. Beim nächsten Halt kann man die Benzinpreise vergleichen und eine Theorie entwickeln, wie das rasche Auf und Ab zustande kommt und warum die eine Tankstelle immer um einen Cent günstiger ist als die andere. Der letzte Halt an der HaWeGe-Kreuzung: Gelegenheit darüber nachzudenken, welche Erfahrungen man in der letzten halben Stunde gemacht hat; Welche Informationen aufgenommen wurden; Welche Lehren aus dem Gesammelten zu ziehen sind. So wurden vielleicht zwar gerade drei Liter Sprit mehr als sonst durch den Tank gejagt, aber was sind schon materielle Werte gegenüber der Entdeckung der Langsamkeit.