
Der Weg ist schlammbedeckt. Der Schnee der letzten Tage, der aufgrund der zwischenzeitlich milderen Temperaturen weggetaut ist, hat den Untergrund matschig gemacht. Munter stapfen an diesem Wochenende mit Mützen, Winterjacken und Handschuhen ausgestattete und mit Bügelsäge oder Fuchsschwanz "bewaffnete" Gestalten Richtung Wald am südlichen Ortsausgang von Braidbach, um einmal mehr die Tradition des "Christbaumschlagens" fortzuführen und zu erleben.
Ein Erlebnis, ja für den einen oder anderen sicherlich auch ein Genuss, ist es alle Jahre wieder, eigenhändig in der "Bräbbicher" Weihnachtsbaum-Schonung das Bäumchen auszusuchen und zu schlagen, das dann in wenigen Tagen am Heiligen Abend im Lichterglanz erstrahlen und die Blicke aller Familienmitglieder auf sich ziehen wird. Und dazu auch noch ein Brauch mit regionalem Bezug.
Doch noch ist es nicht so weit. Die Schonung ist eingezäunt. Das Jahr über gibt es nur wenige Spaziergänger, die sich hierher verirren. Die Blaumann-Tannen, aber auch einige wenige Fichten können sich daher unter der Aufsicht von Revierförster Andreas Henig und dem Bastheimer Forstwirt Valentin Hofmann in Ruhe entwickeln, wachsen und gedeihen. Nur zweimal im Jahr herrscht hier buntes Treiben.
Stolz wird das Bäumchen Richtung Auto geschleppt
Valentin Hofmann ist es auch, der, wie schon in den Vorjahren, die Kunden am altgedienten, dunkelgrünen Wald-Bauwagen empfängt. Auch heuer achtet er ganz besonders darauf, dass in Coronazeiten das Hygienekonzept beachtet wird. Ansonsten gibt er einem noch ein herzliches "Viel Erfolg bei der Christbaumsuche!" mit auf den Weg. Noch vor der Baumkultur kommen einem die ersten glücklichen Christbaumträger entgegen. Alois aus dem Nachbarort Wollbach war mit Schwiegersohn Ralf und den Enkelkindern auf der Suche nach dem "allerschönsten Baum", den sie nun auch gefunden haben und zufrieden mit nach Hause nehmen. Auch der gebürtige Reyersbacher Tobias ist mit seinem Schwiegervater Dietmar unterwegs und fündig geworden. Stolz schleppt auch Dietmar ein hübsches Bäumchen Richtung Auto.

Den kürzesten Weg hat der Braidbacher Albert hinter sich, der ebenfalls schon mit seiner Schwester Christine durchs Tannengrün streift und nun ein Bäumchen geschultert hat. "Aber natürlich hat man den besten Weihnachtsbaum noch für die Neuankömmlinge stehen gelassen", sagt er mit einem Schmunzeln. Nur allzu gerne wird bei den Begegnungen während der Christbaumsuche auch einmal gefrotzelt und der Gegenüber hochgenommen. Das gehört einfach dazu, macht mit den Reiz dieser alten Tradition aus.
Das Weihnachtsbaumschlagen hier in der Braidbacher Kultur hat schon eine jahrzehntelange Tradition. Früher verlief die Hochspannungsleitung quer über den Wald. Wegen des daraus resultierenden Unterbauverbots – Großbäume durften nicht unter der Leitung gepflanzt werden - nutzte die Gemeinde Bastheim die Fläche einfach als Christbaumkultur. Und das mit großem Erfolg. Alljährlich werden hier an die 150 Weihnachtsbäume von den Menschen aus der ganzen Umgebung geschlagen.
Auch die Kirchen werden von dort mit Christbäumen versorgt
Auch die Kirchen im Besengau werden dort mit Christbäumen versorgt, wie auch die örtlichen Vereine für ihre Weihnachtsfeiern immer wieder gerne einen Baum aus der Braidbacher Kultur geholt haben. Vor allem für die Kinder, aber auch für ihre Eltern und Großeltern ist die gemeinsame Christbaumsuche immer wieder ein aufregendes Erlebnis, das schon ein wenig den Hauch von Weihnachten und die Ahnung, dass es nun wirklich nicht mehr weit ist bis zum Geburtsfest unseres Herrn ist, in sich trägt.
Unermüdlich stapfen Groß und Klein durch die Schonung, schütteln von dem Bäumchen hier und dem Nordmann-Tännchen dort den Schnee ab, begutachten es kritisch, gehen weiter, beäugen den nächsten Baum ebenso aufmerksam und haben hier die fehlenden Äste, dort die beiden Spitzen usw. auszusetzen.

Oft landen viele am Ende der Prozedur dann doch wieder beim ersten Bäumchen, das dann plötzlich eine besondere Strahlkraft hat und nun mit der Hand abgesägt und stolz zum Bauwagen getragen wird. Dort sitzt Valentin Hofmann inzwischen im Inneren, wärmt sich die klammen Finger am munter bullernden Holzofen, berechnet den Preis für das Bäumchen und nimmt das Bargeld in Empfang. Früher in der Vor-Corona-Zeit wurden auch schon mal Glühwein und Lebkuchen angeboten und noch ein wenig geplaudert. Heute verrät Valentin Hofmann nur, dass an diesem Nachmittag schon mehr als 50 Bäume einen neuen Besitzer gefunden haben.
Eine Familie hat einmal den Baum sogar ausgegraben
Schmunzelnd berichtet er von einer Familie, die im letzten Jahr ihren Christbaum nicht abgesägt, sondern ihn sogar ausgegraben hat. "Wenn die in diesem Jahr wiederkommen, weiß ich, dass der Baum nicht angegangen ist", so der "Hüter der Christbaumkultur".
Ärger gab es in früheren Jahren einmal bei seinem Vorgänger, Forstwirt Edmund Johannes aus Reyersbach. Der musste zu Beginn der Adventszeit feststellen, dass ein Übeltäter in die Kultur eingedrungen war und die Spitzen vieler junger Christbäume einfach abgezwickt hatte. Probleme dieser oder ähnlicher Art hat Valentin Hofmann glücklicherweise in den letzten Jahren und auch heute nicht.
Es fängt bereits leicht zu dämmern an, während der "allerallerschönste Weihnachtsbaum" auf dem durch den Schlamm arg verdreckten Pkw-Anhänger festgezurrt wird. Valentin Hofmann nimmt das Geld entgegen und freut sich nun auf seinen verdienten Feierabend.