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Bad Neustadt
Anspruch an Europa: Was regional ist, soll regional bleiben
Landrat Thomas Habermann ist in Brüssel im Ausschuss der Regionen. Er und seine Kollegen verstehen sich als Lobbyisten der Regionen. Was meint er damit?
Upload-Filter oder Fridays for Future - Landrat Thomas Habermann glaubt, dass Jugendliche sich für Europa und die Europawahl interessieren.
Foto: Carmen Jaspersen | Upload-Filter oder Fridays for Future - Landrat Thomas Habermann glaubt, dass Jugendliche sich für Europa und die Europawahl interessieren.
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:17 Uhr

Mit EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (46, CSU), der als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (64) gilt, wäre Bayern in Europa gut vertreten. Aber schon jetzt redet Bayern und sogar der Landkreis Rhön-Grabfeld in Brüssel mit, denn Landrat Thomas Habermann vertritt die Interessen der deutschen Landkreise im europäischen Ausschuss der Regionen. 

Frage: Herr Habermann, sie sind Vertreter der Interessen der deutschen Landkreise im europäischen Ausschuss der Regionen in Brüssel, was genau sind ihre Aufgaben?

Landrat Thomas Habermann: Der Ausschuss der Regionen zählt für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten 350 Mitglieder, die jeweils lokale und regionale Gebietskörperschaften vertreten. Die Mitglieder kommen fünf- bis sechsmal im Jahr zu Plenartagungen und in gleicher Zahl zu Ausschusssitzungen in Brüssel zusammen, um politische Prioritäten zu erörtern und Stellungnahmen zu EU-Rechtsvorschriften zu verabschieden. Der EU-Ministerrat ernennt die Mitglieder für die Dauer von fünf Jahren auf Vorschlag der Mitgliedsstaaten. Aus Deutschland kommen 24 Mitglieder.

Was können sie als bayerischer Kommunalpolitiker einbringen und wie gelangen ihre Gedanken und Ziele ins Europäische Parlament?

Habermann: Ich bin neben dem Plenum Mitglied in der Fachkommission für Wirtschaftspolitik (ECON). Wie in jedem Parlament werden in den Ausschüssen die einzelnen Fragestellungen für das Plenum vorbereitet. Derzeit bin ich zum Beispiel als Berichterstatter mit dem Entwurf einer Stellungnahme zum Europäischen Vergaberecht befasst. Die Berichterstattung wird im Oktober 2019 erfolgen. Hier geht es ganz konkret um die Frage, wie Ausschreibungen auf europäischer Ebene – da ist jede Gemeinde in unserem Landkreis und der Landkreis selbst betroffen – zu erfolgen haben und auch darum, ob neben dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit auch soziale, innovative und ökologische Kriterien stärkere Berücksichtigung finden sollten.

Haben die Landkreisvertreter eine Chance gegen die großen Lobbyisten?

Habermann: Die Mitglieder des AdR stehen nicht so im Fokus von Lobbyisten in großen Verbänden wie die Parlamentarier. Wir sind eigentlich selbst Lobbyisten, deren Aufgabe es ist, die regionalen Interessen zu vertreten.

Landrat Thomas Habermann ist in Brüssel im Ausschuss der Regionen vertreten.
Foto: Stefan Kritzer | Landrat Thomas Habermann ist in Brüssel im Ausschuss der Regionen vertreten.
Welche Themen stehen für sie im Vordergrund?

Habermann: Mir geht es im ECON-Ausschuss und im Plenum vor allem darum, die Belange der Daseinsvorsorge zu bearbeiten. Dies betrifft vor allem die notwendige Subsidiarität. Was vor Ort erledigt werden kann, muss auch nicht auf europäischer Ebene erledigt werden. Beispielhaft möchte ich hierbei die Wasserversorgung nennen. Ein anderes Beispiel sind Richtlinien, die die EU erlässt, die erst von den Mitgliedern in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Hier wird oft Brüssel als Treiber der Bürokratie verantwortlich gemacht. Bei näherem Hinsehen merkt man schnell, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten selbst unpraktikable und sehr bürokratische Umsetzungen verursachen.

Glauben sie, dass sich junge Menschen zunehmend für die EU-Politik interessieren?

Habermann: Ja das glaube ich, die aktuelle „fridays for future“-Bewegung zeigt dies überdeutlich, wie Megathemen auf das Interesse der Jugend stoßen. Ich selbst habe in den vergangenen Wochen auch Diskussionen mit den Schülerinnen und Schülern unserer Gymnasien, der Berufsschule und der Fachoberschule geführt. Das Interesse an Europa war sehr groß. Ein wichtiger Punkt war zum Beispiel auch das Problem der Upload-Filter im Rahmen der Erneuerung der EU-Urheberrechtsrichtlinie.

Wirbt die EU zu wenig für sich selbst und macht sie sich, beziehungsweise die Ausführenden in Deutschland, durch übermäßige Regulierungen (Stichwort Olivenölkännchen auf Restauranttischen) lächerlich?

Habermann: Hier besteht oft ein Kommunikationsproblem. Es betrifft das schon oft angesprochene Umsetzungsproblem europäischer Richtlinien. Als Beispiel kann man hier auch die Datenschutzrichtlinie nennen, die besonders in Deutschland für Verwirrung sorgt. In anderen EU-Mitgliedsstaaten wurde sie weit praktikabler und unaufgeregter umgesetzt.

Was könnte man tun, um den Gemeinschaftsgedanken der Staaten zu stärken?

Habermann: Meiner Meinung nach müssen die Zuständigkeiten in Europa neu geregelt werden. Was auf europäischer Ebene geregelt werden muss, soll auch dort geregelt werden, zum Beispiel Außen- und Verteidigungspolitik, Sicherheitspolitik, Energie- und Klimapolitik oder die Währungspolitik. Im Übrigen sollte Europa viele Zuständigkeiten wieder an die Nationalstaaten abgeben. Das betrifft die gesamte Daseinsvorsorge, meiner Ansicht nach auch den Verbraucherschutz, alle Angelegenheiten mit ausschließlich lokalen oder regionalen Bezügen. Europa muss sich nicht darum kümmern, wie ein ungarischer Metzger seine Salami herstellt und wir müssen auch nicht europaweit regeln, nach welchen Standards wir in Deutschland eine Bäckerei einrichten.

 
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