Ein knappes Vierteljahrhundert hat Bruno Altrichter der Kreisstadt Bad Neustadt vorgestanden und als deren Bürgermeister Geschichte geschrieben. Für den 66-Jährigen ist jetzt, nach 24 Jahren, Schluss. Ruhestand, ab der kommenden Woche, auch wenn man sich die Mitbürgerinnen und Mitbürger das heute noch gar nicht vorstellen können. Die jüngeren Generationen haben nie einen anderen Bürgermeister als Bruno Altrichter in Bad Neustadt erlebt. Altrichter ist unumstritten eine Institution in der Stadt. Trotz alledem, am Donnerstag, 30. April 2020 ist sein letzter Arbeitstag.
Übergabe im Krisenmodus
Was Bruno Altrichter in den vergangenen 24 Jahren für die Stadt geleistet hat, würde Bücher füllen. Doch davon spricht zurzeit niemand. Es sind andere Zeiten, Corona-Zeiten. Ein Fest zum Abschied für die Mitarbeiter der Stadt wollte er ausrichten. Verschoben auf ungewisse Zeit. An seinen Nachfolger, Michael Werner, übergibt Bruno Altrichter die Stadt im Krisenmodus. Die Geschäfte nur teilweise geöffnet, Kurzarbeit und Sorgen um die Zukunft in den Unternehmen, der Marktplatz wirkte zeitweise wie ausgestorben. Katastrophenfall Corona in Bad Neustadt, in Bayern, in der ganzen Welt.
Dabei war gerade die Belebung des Marktplatzes, die Etablierung von Gastronomie, das gesellige Beisammensein, die Veranstaltung von Donnerstagskonzerten immer eines der Herzensanliegen Altrichters. Wo, wenn nicht in der guten Stube der Stadt, sollten die Menschen denn zusammenkommen? Und jetzt ist alles still. "Meinen Abschied aus dem Rathaus habe ich mir natürlich ganz anders vorgestellt", sagt er und kann die Zeichen der Zeit doch nicht ändern. "Ich erkenne die Stadt im Moment kaum wieder!"
Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit
Als Bruno Altrichter im Frühjahr 1996 nach einer Stichwahl gegen Amtsinhaber Josef Schlagbauer zum Bürgermeister von Bad Neustadt gewählt wurde, war das eine große Überraschung. Mit viel Fleiß arbeitete sich Altrichter, Jahrgang 1953, gebürtig aus Dorgendorf nahe Ebern in das Bürgermeisteramt ein. Verwaltung konnte er aus seiner bisherigen Beschäftigung bei der Post, später Telekom. Der Rest war Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit. Nur so konnte er sich den notwendigen Sachverstand aneignen, der es ihm möglich machte, fast zweieinhalb Jahrzehnte die Stadt erfolgreich nach vorne zu bringen. Dass ihm über die meiste Zeit ein schlagkräftiges Team in der städtischen Verwaltung beiseite stand, war ein Glücksfall. Nur so und mit einem Ideen mittragenden und selbst Ideen entwickelnden Stadtrat ging es voran in Bad Neustadt an der Saale. Und wie! "Die bestmögliche Entscheidung im Stadtrat war immer die gemeinsame Entscheidung", ist Altrichter überzeugt.
Die Neugestaltung des Oberen Marktes war eines der ersten Großprojekte Altrichters, das die Vorgehensweise des seinerzeit neuen Bürgermeisters in Sachen guter Stube Marktplatz kennzeichnen sollte. Der Bau der Parkgarage in der Stadtmauer stand ebenfalls ganz am Anfang seiner Amtszeit, damals nach dem ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt.
Triamare: Das Sinnbild für Veränderung
Die Anliegen Sport und Spaß für die Mitbürger über das Medium Wasser anzubieten, führten statt zu einer Sanierung des früheren Schwimmbades zu dessen deutlicher und kostspieligen Erweiterung hin zum heutigen Triamare. Das Triamare steht aber auch sinnbildlich für die Veränderung des eineinhalb Jahrhunderte währenden Kurbetriebs in der Stadt. Nach Gesundheitsreformen in den späten 90er Jahren unter dem damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer schlossen auch in Bad Neustadt Kliniken, Pensionen und Gasthäuser in Serie. Die LVA-Klinik oder die Kurparkklinik nur mal als Beispiel. Bad Neustadt musste sich in Sachen Kur neu erfinden, beziehungsweise deren Stellenwert in der Stadt herunterschrauben. Das Kurhaus wird heute mehr von Bürgern der Region genutzt als von anreisenden Gästen, die dann drei bis vier Wochen in Bad Neustadt kuren. "Wir sind nicht mehr das Heilbad, das wir einmal waren", sagt Bruno Altrichter, auch wenn drei Heilquellen immer noch im Kurhaus sprudeln. "Wir sind aber nach wie vor eine Stadt mit einem hohen Anspruch an das Thema Gesundheit." Stichwort Rhön-Klinikum, ohne dessen Entwicklung die Stadt nicht überregional die Bedeutung hätte, die sie heute hat.
Statt Kur steht heute mehr die Industrie im Fokus der Stadtentwicklung. "Die Industrie verbuchte ein ganz enormes Wachstum, das die Stadt natürlich verändert hat", sagt Altrichter. "Eine Stadt ist so erfolgreich, wie ihre Beschäftigungslage", zeigt er sich überzeugt. "Die Menschen gehen nun mal dorthin, wo sie Arbeit finden." Die Firmen Preh, Jopp, Kunert, Siemens nach einer großen Krise oder die Wäscherei Ullmer sind in den vergangenen Jahren stetig gewachsen und sorgen dafür, dass Bad Neustadt seit Jahren in etwa ebensoviele Einwohner wie Arbeitsplätze aufweisen kann. Sprudelnde Steuereinnahmen aus diesem Wachstum waren und sind bis heute Garant dafür, dass die Stadt viel in den Bereich Bildung, vor allem in Schulen und Kitas, aber auch in die Infrastruktur investieren kann.
Auch das: Skandal im Stadtbauamt
Die dunkelste Stunde seiner 24-jährigen Amtszeit war zweifellos der Skandal im Stadtbauamt im Jahre 2005, der monatelange Ermittlungen nach sich zog und Altrichter viel Kraft kostete. Die schönste Stunde seiner jüngeren Amtszeit war die Eröffnung der neuen Stadthalle, deren Bau erst nach einem Bürgerentscheid möglich wurde. "In dieser Art will heute niemand mehr die Stadthalle missen", weiß Altrichter.
Zeitlich dazwischen lag der innerstädtisch viel diskutierte Brückenschlag im Sinne von "Leben findet Innenstadt", den Altrichter gerne bis zum Bahnhof zu Ende gebracht hätte. Dafür hat seine Amtszeit aber nicht ganz gereicht. Wohl aber für ein nicht ganz unumstrittenes Brückenbauwerk neben einer Brücke. "Das große Ganze hinter der Idee Leben findet Innenstadt wurde gerade durch diese Brücke deutlich", so Altrichter.
Mit Bad Kissingen sogar Oberzentrum
Der Aufstieg der Stadt – heute sogar Oberzentrum gemeinsam mit Bad Kissingen - bedingt aber auch mehr Berufspendler und immer mehr Menschen, die mit dem Auto unterwegs sind. Was beispielsweise in Herschfeld durch das nahe Rhön-Klinikum zu heftigen Diskussionen führt. Für die ebenfalls viel frequentierte Hauptstraße in Brendlorenzen ist eine Lösung angedacht, die in den kommenden Jahren verkehrsberuhigend umgesetzt werden soll.
Es bleibt also auch für Bruno Altrichters Nachfolger noch viel Arbeit übrig, die es in den kommenden Jahren zu vollenden gilt. Dann aber ohne Altrichter, der künftig aus einer nahen Distanz mit anschaut, ob Bad Neustadt eine Seilbahn bekommt, oder nicht. Bastian Steinbach, Fraktionssprecher der CSU, hat Bruno Altrichter in der letzten Sitzung des Stadtrates zum Abschied eine bronzene Schildkröte von Bildhauer Klaus Metz (Langenleiten) überreicht. Eine Schildkröte deshalb, weil sie wie Altrichter Ausdauer und bisweilen einen schützenden Panzer hat und obendrein sinnbildlich für ein langes Leben steht. "Im Gegensatz zur Schildkröte hast du aber nie den Kopf eingezogen", sagte Steinbach. Nein, Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen, war Altrichters Sache nicht. Wobei die Sache immer im Vordergrund stand. Die Sachlichkeit, die sachliche Diskussion, das ist Bruno Altrichter in seinem Amt immer wichtig gewesen, so hat er die Stadt erfolgreich vorangebracht.
Mehr Sport im Ruhestand
Deshalb fällt ihm der Abschied jetzt auch nicht leicht, schon gar nicht in gegenwärtigen Krisenzeiten. Als er davon erzählt, stockt dem sonst so überaus besonnenen, immer sachlich argumentierenden Bürgermeister für einen Moment, für einen ganz kleinen Moment, die Stimme. Einen weiteren Moment später ist er wieder der altbekannte Bürgermeister, der lieber mal freudig vorausblickt in den Ruhestand, in dem er noch einiges vor hat: Ehefrau Sonja, die Kinder, die Enkel. Sport will er wieder mehr treiben und natürlich im Kreistag weiterhin politisch, dann aber nur noch ehrenamtlich, aktiv sein.
Noch ein paar Termine am 30. April, dann wartet der Ruhestand auf Bruno Altrichter. Auch wenn er sich das kaum vorzustellen vermag. Sein Nachfolger Michael Werner wird in der konstituierenden Sitzung des Stadtrates am 4. Mai vereidigt. Bei dieser Sitzung wird der fortan "Altbürgermeister" genannte Bruno Altrichter nicht mehr anwesend sein. "Es ist gut, wenn man mit einem zufriedenen Blick auf die geleistete Arbeit gehen kann", meint Bruno Altrichter.