Innerhalb weniger Jahre hatte es die Deutsche Demokratische Republik geschafft, zu einer der führenden Sportnationen der Welt zu werden. Teilweise errangen die ostdeutschen Sportler bei Olympia mehr Medaillen als die Vereinigten Staaten. Möglich wurden solche Erfolge nur durch flächendeckendes und vom Staat angeordnetes Doping, und das von Kindesbeinen an. Im Rhön-Gymnasium hat Thomas Lukow, Mitarbeiter im Stasi-Museum Berlin, mit Zehntklässlern über das an den Sportlern begangene Unrecht gesprochen.
Auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung und Lehrer Hartmut Brunner sprach Thomas Lukow im Rhön-Gymnasium vor interessierten Schülern. Zwar wollte sich aus deren Reihen auf Lukows Nachfrage niemand als Leistungssportler outen, doch das Schicksal vieler durch Doping Geschädigter ließ im Vortragsraum der Schule niemanden kalt. Bis heute registriert Thomas Lukow, dessen Bruder selbst als Kanu-Sportler in das Netz des DDR-Staatsdopings geriet, immer wieder falsche oder zumindest unreflektierte Erinnerungen an die einstigen Erfolge der DDR-Sportler. Und davon gab es laut seiner Aussage reichlich.
„Man hat in der DDR einen Riesenapparat aufgebaut, um mit sportlichen Erfolgen international glänzen zu können“, sagte Lukow. „Die Sportler sollten Diplomaten im Trainingsanzug sein und für die DDR werben.“ 1968 haben DDR-Sportler erstmals an olympischen Winterspielen (Grenoble) teilgenommen. Mit einer Goldmedaille und Rang 10 im Medaillenspiegel ging es damals los. Bei der Olympiade in Calgary 1988 errangen Sportler aus der DDR neun Goldmedaillen und lagen im Medaillenspiegel auf Rang 2. In die sportlichen Erfolge wurden immense Geldbeträge investiert, um aller Welt zu demonstrieren, wie erfolgreich die Deutsche Demokratische Republik sei.
„Die Städte ließ man verrotten, aber der neueste Schlitten wurde mit Riesenaufwand für die Bobbahn entwickelt“, so Lukow. Ausbaden mussten diese auf Ungerechtigkeit basierenden sportlichen Erfolge tausende Kinder und Jugendliche, denen von Kindesbeinen an leistungssteigernde Mittel verabreicht wurden: Aufputschmittel, Anabolika und Hormonpräparate. „Offiziell wurden diese Mittel als Vitaminpräparate angepriesen“, so Lukow. Der ganz große Durchbruch sei trotzdem nur für die wenigsten Sportler gekommen.
Alle anderen wurden früher oder später aus den Kaderschmieden ausgemustert, setzten von heute auf morgen die Dopingmittel ab und kämpften teilweise den Rest ihres Lebens mit den Folgen des Medikamentenmissbrauchs.
Viele Sportler aus dieser Zeit sind dennoch bis heute Ikonen ihrer Sportart: Skispringer Jens Weisflog, Schwimmerin Kristin Otto, Radstar Olaf Ludwig oder Eisprinzessin Katharina Witt haben ihre sportliche Karriere auf der Basis der DDR-Kaderschmieden begonnen. „Über Doping sprechen diese Sportler aber bis heute nicht oder streiten die Verwendung rundweg ab“, so Thomas Lukow. Nur wenige hatten und haben den Mut, über das DDR-Zwangsdopingsystem zu sprechen oder die verantwortlichen Trainer anzuzeigen. Bis heute werde das flächendeckende Doping in der DDR oftmals geleugnet oder verharmlost, so Thomas Lukow, obwohl es zahlreiche Menschen zugrunde gerichtet habe: „Das wollen viele einfach nicht hören – bis heute nicht“.