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BAD NEUSTADT
Als Jakob Prehs Herz getroffen wurde
Marktplatz in Bad Neustadt kurz vor dem Einmarsch der US-Army. Noch verunziert ein Maibaum mit Hakenkreuz die Marktplatzmitte. Die Ansichtskarte ist aus der Sammlung von Elfriede Herda (Ostheim v.d. Rhön).
Foto: Repro Reinhold Albert | Marktplatz in Bad Neustadt kurz vor dem Einmarsch der US-Army. Noch verunziert ein Maibaum mit Hakenkreuz die Marktplatzmitte. Die Ansichtskarte ist aus der Sammlung von Elfriede Herda (Ostheim v.d. Rhön).
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 |  aktualisiert: 06.04.2015 14:56 Uhr

Acht Tage vor dem Einmarsch des US-Army in der Saalestadt wurde auf Anordnung der höheren Parteileitung das Werk von Jakob Preh stillgelegt. Es wurde eine sogenannte Lähmungsaktion durchgeführt. Maschinen und die dazugehörigen Werkzeuge wurden teils demontiert, teils unbrauchbar gemacht, eine widersinnige Anordnung. Dies sollte zur Folge haben, dass die einmarschierenden Truppen einen Betrieb vorfinden sollten, der nicht mehr funktionsfähig ist.

Am 3. April 1945 traf von der Rhön her eine Marschkompanie eine SS-Spezial -Bataillons zum Sprengen von Brücken und Kraftwerken in Bad Neustadt ein. In Übereinstimmung mit Kreisleiter Andreas Ingebrand wurde der SS-Kompanieführer Marstall zum Kampfkommandanten von Bad Neustadt bestimmt. Der Befehl lautete, Bad Neustadt unter allen Umständen zu halten. Marstall verlegte Züge seiner Kompanie nach Hohenroth, in die Ingebrandsiedlung und nach Leutershausen sowie einen Zug nach Brendlorenzen zur Verteidigung der Eisenbahnbrücke.

Der Industrielle Jakob Preh sprach sich für eine kampflose Übergabe der Stadt aus. In der Bad Neustädter Stadtchronik von Ludwig Benkert wird mitgeteilt: „Beim Kreisleiter, der Preh gegenüber nicht ehrlich war, konnte er nichts erreichen, da Ingebrand ihm versicherte, Gauleiter Hellmuth (damals mit der Gauleitung bereits in Untermerzbach) habe den zu ihm gesandten Kurier der Kreisleitung Bad Neustadt überhaupt nicht empfangen.“ Preh ließ sich jedenfalls nach Untermerzbach fahren und wurde dort von Gauleiter Hellmuth und dessen Stellvertreter Kühnreich empfangen. Er erfuhr, dass man Ingebrands Kurier gesprochen und ihm die Mitteilung mitgegeben habe, Neustadt zur Lazarettstadt zu erklären.

Franz Beallaire, Angestellter bei Preh, hielt über diese Begegnung fest: „Was Herr Preh aber in Untermerzbach angetroffen hat, war für ihn niederschmetternd. Die bis dahin verantwortlichen Führungskräfte der Partei waren nicht mehr ansprechbar und verantwortungsbewusst, ja zum Teil betrunken und unzurechnungsfähig. Ja man wollte ihn noch verpflichten, er müsse Panzerfäuste mit nach Neustadt nehmen, um die Stadt verteidigen zu können. Das hatte er aber, wie er sagte, strikt abgelehnt, denn er wollte ja gerade das Gegenteil, den Kampf vermeiden. Diese Begegnung mit der Gauleitung hatte ihn tief erschüttert.“

Jakob Preh erwirkte schließlich nach längerer Aussprache vom Gauleiter ein Schriftstück, wonach die Stadt Bad Neustadt nicht zu verteidigen sei, und kehrte eilig zurück. Das Schreiben des Gauleiters legte Jakob Preh in Bad Neustadt Kreisleiter Ingebrand und Major Marstall vor, die daraufhin am 7. April 1945 einen entsprechenden Anschlag verfassten, wonach die Stadt Bad Neustadt nicht verteidigt werde.

An der Brendbrücke bei der Molkerei lagen zwei junge Pioniere und warteten darauf, den Befehl ihres Obersten (Sprengung der Brücke durch die angebrachte Fliegerbombe) auszuführen. Auf den nachdrücklichen Befehl von SS-Untersturmführer Kopp, der als Offizier einer SS-Pionier-Einheit die Sprengung dieser Brücke für völlig unsinnig, andererseits aber für recht gefährlich hielt, mussten sie - widerwillig - die Zünder entfernen. Die Rettung der Brücke und des angrenzenden Stadtteils ist diesem verantwortungsbewussten Offizier zu verdanken.

Um die Mittagszeit tauchten jedoch in der Stadt ganz anders lautende Anschläge auf; danach sollte die Stadt bis zur letzten Patrone verteidigt werden. Angesichts dieser verworrenen Situation traf sich Beigeordneter Bonfig am frühen Nachmittag mit Jakob Preh in seiner Fabrik. Nachdem man bereits den ganzen Vormittag (im Rathaus) beraten hatte, kam man jetzt überein, bei Annäherung der Amerikaner die Stadt zu übergeben.

Kreisleiter Ingebrand und sein engster Mitarbeiterstab waren mittlerweile ebenso wie die Gauleitung nach Untermerzbach geflüchtet. Die Saalebrücke nach Mühlbach und zahlreiche Eisenbahnbrücken wurden wenig später gesprengt.

An den Vortagen war der linke Flügel der 7. amerikanischen Armee von Würzburg aus (5.4.) in drei Marschsäulen in Richtung Schweinfurt vorgestoßen. Bei Schweinfurt und Steinach (6.4.) war es zu erbitterten Kampfhandlungen gekommen. Das 48. amerikanische Panzerbataillon der 14th Armored Divison erreichte über Brückenau, Wildflecken und Bischofsheim am 7. April, gegen 16.30 Uhr die Stadtgrenze von Bad Neustadt.

Bald schloss sich der Panzerring um die Stadt. Gegen 17 Uhr schossen die in Bad Neustadt einrückenden amerikanischen Panzer einen mit Munition beladenen Pkw am Eingang zur Weingasse in Brand. Das Kaufhaus Baier wurde daraufhin ein Raub der Flammen. An der Spitze seiner Panzerkompanie drang der amerikanische Leutnant Chatlain mit einigen Panzern durch die Meininger Straße in die Stadt ein. Von dort kam ihm Granatwerfer- und MG-Feuer entgegen; denn vom Zwinger oberhalb des Zollbergs her leistete die SS Widerstand.

Die Panzerspitze durchrollte die Stadt und bezog am Hohntor und am Preh-Werk Position. Jakob Preh versuchte dort mit amerikanischen Offizieren wegen der Übergabe der Stadt zu verhandeln; doch diese verlangten den Bürgermeister. Also zog Jakob Preh in Begleitung von drei Amerikanern mit der weißen

Fahne durch die Hohnstraße zum Rathaus. Kaum hatte der das Rathaus verlassen und mit der weißen Fahne den Weg in Richtung Marktplatz eingeschlagen, traf ihn der tödliche Schuss eines SS-Untersturmführers von der Ecke der Klostergasse her ins Herz. Nun erst getraute sich Beigeordneter Bonfig aus seinem Versteck und übergab nach einigem Zögern im Beisein von Landrat Stümmer und weiterer Personen die Stadt kampflos an die Amerikaner. Vor Ablauf einer halben Stunde wurde überall in der Stadt, vor allem auf dem Kirchturm und an den öffentlichen Gebäuden, die weiße Fahne gehisst.

Franz Bellaire schilderte diese schicksalhaften Minuten wie folgt: „Herr Preh ging in Begleitung zweier Offiziere mit weißer Flagge durch die Stadt zum Rathaus. Dabei soll er noch Leute aufgefordert haben, ebenfalls weiße Fahnen zu hissen, und sie auf der Straße zu zeigen. Der 1. und 2. Bürgermeister waren nicht anzutreffen, der 3. Bürgermeister, damals Herr Bonfig, musste zuerst verständigt und geholt werden. In der Zwischenzeit stellten sich noch deutsche Soldaten zum Kampf. Herr Preh wurde bei diesem, seinem letzten Versuch die Stadt zu retten, von einer Kampftruppe aus dem gegenüberliegenden Haus (damals Gasthaus Zum Bären) aus dem Hinterhalt erschossen. Der Todesschütze soll ein junger SS-Mann gewesen sein. Die Nachricht von dem Tod des Herrn Preh ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt und brachte tiefe Bestürzung. Jeder hatte zu diesem Zeitpunkt seine Sorgen und Probleme. Viele ahnten deshalb noch nicht, was der Verlust des Herrn Preh für die nachfolgende Zeit bedeutet hat. Durch seine Persönlichkeit und sein Verhalten hätte er bestimmt das Vertrauen der späteren örtlichen Militärregierung gewonnen und auf das weitere Geschehen der Stadt, sowie für sein Werk einen positiven Einfluss gehabt.“

Durch die Rahmengärten verließ die SS die Stadt in Richtung ihrer Auffangstellung Salzburg. 15 Jungen vom Volkssturm verloren in sinnloser Weise das Leben. Das Standesamt Bad Neustadt verzeichnete zudem die Namen von zehn Personen, die beim Einmarsch der amerikanischen Truppen in Bad Neustadt den Tod gefunden haben.

Die Stadt Bad Neustadt war gerettet. Allerdings war die Gefahr noch nicht völlig vorüber. Am späten Abend wurde sie von deutscher Artillerie aus Richtung Strahlunger Höhe unter Beschuss genommen. Dabei wurden die katholische Pfarrkirche und die Trafo-Station bei der Marienkapelle beschädigt; einige Granaten trafen auf Häuser in der Zwiebelgasse. Am Sonntag, 8. April 1945, aber war für die Bevölkerung von Bad Neustadt die Kriegsgefahr vorüber.

Literatur: Dr. Ludwig Benkert: Bad Neustadt an der Saale - Die Stadtchronik, Bad Neustadt/Creußen 1985; Franz Beallaire: Meine Erinnerungen an die Tage bei den Preh-Werken vor dem Einmarsch der amerikanischen Kampftruppen am 7. April 1945. In:; Heimatjahrbuch Rhön-Grabfeld, 2000

Jakob Preh wurde am 7. April 1945 von einem fanatischen Nazi erschossen. Er wollte die Stadt Bad Neustadt beim Einmarsch der US-Army vor größeren Kriegsschäden retten.
Foto: Repro Reinhold Albert | Jakob Preh wurde am 7. April 1945 von einem fanatischen Nazi erschossen. Er wollte die Stadt Bad Neustadt beim Einmarsch der US-Army vor größeren Kriegsschäden retten.
25 Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Jakob Preh beschloss der Stadtrat von Bad Neustadt ihm zu Ehren am Rathaus eine Gedenktafel anzubringen.
Foto: Repro Reinhold Albert | 25 Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Jakob Preh beschloss der Stadtrat von Bad Neustadt ihm zu Ehren am Rathaus eine Gedenktafel anzubringen.
1944 Die Mühlbacher Brücke über die Fränkische Saale kurz vor der Sprengung durch eine SS-Einheit.
Foto: Repro Reinhold Albert | 1944 Die Mühlbacher Brücke über die Fränkische Saale kurz vor der Sprengung durch eine SS-Einheit.
 
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