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Rödelmaier
Als die Amerikaner in Rödelmaier einmarschierten
Die 'Alte Schule' in Rödelmaier am Ortsausgang nach Herschfeld - hier führten die Amerikaner im Mai 1945 im dortigen Stationspunkt ihre Verhöre durch.
Foto: Marius Wolfrom | Die "Alte Schule" in Rödelmaier am Ortsausgang nach Herschfeld - hier führten die Amerikaner im Mai 1945 im dortigen Stationspunkt ihre Verhöre durch.
Marius Wolfrom
 |  aktualisiert: 06.07.2020 02:10 Uhr

Im Mai jährte sich das Ende des Zweiten Weltkrieges. Vor 75 Jahren waren auch in Rhön-Grabfeld mit dem Einmarsch der Amerikaner im April die Kriegshandlungen beendet. In Rödelmaier wurden die Erinnerungen an diese Zeit festgehalten. Ausführlich berichteten darüber in den letzten Jahren die inzwischen verstorbenen Zeitzeugen Gusti Nöth und Irmgard Wolfrom sowie der mittlerweile 91-jährige Richard Wolfrom.

Knapp 20 deutsche Soldaten gehen in Gefangenschaft

Beim ihrem Einmarsch in Rödelmaier am Vormittag des 8. April 1945 hätten die Amerikaner das ganze Dorf nach deutschen Soldaten durchsucht. Die Bewohner seien langsam aus ihren Kellern und Verstecken hervorgekommen und den Besatzungssoldaten mit Vorsicht und Angst begegnet. "Die Amerikaner nahmen in Rödelmaier etwa zehn bis 20 deutsche Soldaten gefangen", berichteten die Zeitzeugen.

Irmgard Wolfrom erzählte: "Am Nachmittag des 8. April 1945 kamen die Amis mit einem Jeep die Eichgasse her zu uns gefahren, um meinen Vater als Bürgermeister anzutreffen. Dies sah der französische Kriegsgefangene der Familie Popp, er hieß Cresan, durch das Küchenfenster. Er sprang sogleich aus dem Haus, rannte dem Jeep hinterher und erklärte den Amerikanern vor unserem Haus: 'Bürgermeister Nazi, aber gut!' Unser Vater wurde dann von den Amis auch nicht mitgenommen." Dieses Ereignis wird sogar in der Entnazifizierungsakte von Josef Kergaßner als entlastende Aussage aufgeführt, die der Autor vor kurzem im Staatsarchiv eingesehen hat. Das Verfahren begann 1946 und wurde im April 1948 eingestellt.

Der Bürgermeister wurde abgesetzt

Irmgard Wolfrom berichtete weiter: "Die Besatzer machten sich in Rödelmaier breit und richteten in der heutigen alten Schule am Ortseingang einen Stationspunkt ein. Dieses Quartier befand sich im linken Schulsaal (bis vor kurzem der Proberaum der Musikkapelle, jetzt Ausweich-Kindergarten). Unser Vater war mehrmals dort und wurde verhört. Ein paar Wochen später, wohl im Mai, wurde unser Vater, wie alle Bürgermeister in den anderen Orten auch, als Gemeindeoberhaupt abgesetzt und Johann Schultheis von der US-Militärverwaltung zum neuen Bürgermeister ernannt. In dieser Zeit wurde auch der Stützpunkt der Besatzer in der Rödelmaierer Schule wieder aufgelöst, da die Amerikaner ja in Bad Neustadt ihre großen Quartiere hatten."

Der Zeitzeuge Richard Wolfrom.
Foto: Marius Wolfrom | Der Zeitzeuge Richard Wolfrom.

Richard Wolfrom schilderte, dass auch er von der Amerikanern verhört wurde. "Ich bin schon seit Jahren der letzte Rödelmairer, der in Kriegsgefangenschaft war. Als einer der Jüngsten  wurde ich Ende März 1945 mit gut 16 Jahren noch zum RAD einberufen. Von Marktredwitz aus mussten wir nach einer kurzen Ausbildung Richtung 'Alpenfestung' marschieren. Am 2. Mai wurde wir von den Amis bei Eggenfelden gefangen genommen, aber glücklicherweise schon am 22. Mai 1945 in Pfarrkirchen wieder entlassen."

"Werwölfe" und Ausgangsbeschränkungen

"Im Sommer 1945 wurde ich dann von den Amerikanern in die Gastwirtschaft Kling in Rödelmaier vorgeladen und dort verhört. Sie wollten von mir Informationen über die Untergrundorganisation 'Werwolf' wissen, die zu einem Teil aus fanatischen HJ-Mitgliedern bestand und Sabotageakte gegen den Feind initiierte. Wie man auf mich kam, weiß ich nicht. Ich vermute, weil die ungefähr mein Alter hatten und ich so jung noch im Kriegseinsatz war. Ich konnte jedoch nichts Genaueres beitragen. Ich hatte von 'Werwolf' nur einmal gehört, als ein Ausbilder in Marktredwitz aus Zeitungen darüber vorgelesen hatte. Mein Verhör wurde dann im Sitz der Amerikaner in Bad Neustadt, im ehemaligen 'braunen Haus' (heute VG Bad Neustadt in der Goethestraße), fortgeführt und am Nachmittag dort beendet."

Nach dem Einmarsch der Amerikaner kamen auch mancherlei Einschränkungen auf die Bevölkerung zu. So gab es eine allgemeine Ausgangssperre (von 20 Uhr bis zum nächsten Morgen). Außerdem mussten alle Feuerwaffen, Sprengstoffe sowie Munition abgegeben werden. Ferner gab es die Anweisung, alle großen Messer (z. b. Schlachtmesser) bei den Amerikanern abzuliefern.

Zu den ausländischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, die teils jahrelang in Deutschland schuften mussten, berichtete Gusti Nöth: "Noch am Nachmittag des Tages, an dem die Amerikaner einmarschierten, machten sich die sechs in Rödelmaier tätigen französischen Kriegsgefangenen auf den Weg in ihre Heimat. Die osteuropäischen Zwangsarbeiter blieben noch etwas länger hier. Sie plünderten dann, bevor sie ihren Heimweg antraten, noch einige Häuser, wobei sie sogar Schusswaffen dabei hatten."

Hierzu berichtet Irmgard Wolfrom: "Eines Nachts, als die ganze Familie schlief, kamen zwei bis drei Zwangsarbeiter in unser Haus und durchsuchten es nach Wertgegenständen. Ich war durch die Geräusche aufgewacht, steckte mich bis zum Kopf unter die Bettdecke und verfolgte mit Angst das Treiben im Haus. Einer der Plünderer betrat dann das Schlafzimmer von meinen Brüdern und mir im Obergeschoss. Ich erkannte ihn sofort: Es war der Pole, der auf dem Hof von unserem Großvater Gottfried Reß in Dürrnhof arbeitete. Als er mich sah, erschrank er und machte er sich mit seinen Gefährten sofort aus dem Staub. Sie ließen nur einen Schinken mitgehen."

Es kommt zu Plünderungen

Auch in anderen Häusern wurde geplündert. Meistens wurden Lebensmittel mitgenommen. Gusti Nöth erinnerte sich, dass sich manche Bewohner auch gegen die Plünderer wehrten: "Bei den Dümlings in der Schmiedsgasse wurde ein Plünderer mit einer Latte verklopft, als er das Haus durchsuchen und Dinge mitnehmen wollte. Bei uns spitzten wir abends aus den Fenstern und sahen die Fahrzeuge der Plünderer zur nächtlichen Stunde durch die Dorfstraßen fahren. Wir dachten uns: Hoffentlich fahren sie vorbei! Und wir hatten Glück und blieben verschont. Insgesamt wurde in Rödelmaier nur vereinzelt geplündert und es waren keine großen Verluste zu beklagen."

Genau einen Monat nach dem Einmarsch der Amerikaner, am 8. Mai 1945, kapitulierte die deutsche Wehrmacht und der Zweite Weltkrieg war zu Ende. Rödelmaier hatte 30 Gefallene, sieben Vermisste sowie zahlreiche Kriegsbeschädigte zu beklagen.

 
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