Er wird vielen fehlen, die das Meininger Theater in seiner Neugründerzeit um 1989 schätzen und lieben gelernt haben: Der Regisseur und Schauspieler Albert R. Pasch, Schauspieldirektor am Haus von 1989 bis 1997 - eins der wenigen Ehrenmitglieder des Theaters - ist kurz vor seinem 88. Geburtstag gestorben. Mit ihm tritt einer der Letzten von der Bühne des Lebens, die die Geschicke des Theaters hinter/vor den Sieben Bergen um 1989 und in den 1990er Jahren mitbestimmt haben.
Mir wird er allein schon deshalb fehlen, weil es mir bei den Premieren im Hause zur liebgewonnenen Gewohnheit wurde, vor und nach der Vorstellung nach ihm Ausschau zu halten. Schon gebrechlich, schlurfte er – rechts den Stock, links an der Hand seiner Ehefrau Gerlinde – durchs Foyer auf die Plätze am Rande des ersten Parketts.
Es fehlte etwas, wenn er nicht Platz nahm
Es fehlte etwas, wenn er dort nicht Platz nahm, um mit Schrecken oder Freude in den Augen und gehobenen oder gesenkten Mundwinkeln die Bühnenkunst über sich ergehen zu lassen. Wie ein Denkmal seiner selbst, das zum lebenden Inventar des Theaters gehörte. Sommers wie winters, an guten und an schlechten Tagen, bei fantastischen und bei fürchterlichen Inszenierungen.
Und wenn er sich danach an der Garderobe in den Mantel zwängte, salopp seinen Lieblingsschal um den Hals warf und die Baskenmütze flott auf dem Haupthaar platzierte, da sprangen ihm nicht selten kleine Teufelchen aus den Augen und eine ironische, sarkastische, manchmal aber auch begeisterte Bemerkung von den Lippen.
Verkörperung einer besonderen Künstlergeneration
In dieser Zeit nach der Epoche des Intendanten Ulrich Burkhardt, da war er schon die Verkörperung einer Künstlergeneration, die im Betriebsalltag der neuen Zeit der Nuller-, der Zehner- und Zwanzigerjahre kein Rädchen im Getriebe mehr war. Wer ihn kannte, der schätzte ihn als einen, der tatkräftig mitgeholfen hat, dass das Meininger Theater als eines der ganz wenigen in den neuen Bundesländern einen enormen Wiederaufschwung erlebte.
Immer wieder betonte Pasch, wie glücklich er gewesen sei, dass 1989/90 der Kelch, Intendant zu werden, an ihm vorüberging. Zwar wünschte sich das ein Teil der Belegschaft, aber er hielt dagegen: "Stellt euch mal vor, ich wäre Intendant geworden! Uns hätte man doch nur über den Tisch gezogen. Burkhardt war der Richtige an diesem Ort zu dieser Zeit. Er kannte beide Seiten."
Pasch war ein Vertreter der alten Schule
Ja, er war ein Vertreter der alten Schule, der sein Handwerk und seine Theaterkunst von der Pike auf gelernt hatte, wie die ihm eigene Widerborstigkeit. 1956 siedelte der gebürtige Düsseldorfer in die DDR über, kam nach Engagements in Erfurt, Brandenburg, Stendal und Dessau nach Meiningen, wo ich seine Handschrift als Regisseur 1984 das erste Mal in Daniil Granins Theaterstück "Das Gemälde" kennenlernte.
1985 ging er als Schauspieldirektor und stellvertretender Intendant ans Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen und kehrte 1988 nach Meiningen zurück. 1989 inszenierte er, kurz vor dem Ende der DDR, die Bühnenfassung des Reportagetagebuchs "Der Erste" von Landolf Scherzer, die für sechs Wochen die Aufmerksamkeit des nationalen Feuilletons erregte und eine einzigartig befreiende Euphorie im Publikum auslöste, bevor sie von der Geschichte überholt wurde.
Pasch hat in seinen Meininger Jahren über hundert Inszenierungen auf die Bühne gebracht, die letzte großartige war Jewgeni Jewtuschenkos Stück "Wenn alle Dänen Juden wären" 1998 in Anwesenheit des großen russischen Dichters und Schriftstellers.
Pasch hat nie aufgehört, sein Theater zu lieben
Albert R. Pasch hat nicht aufgehört, sein Theater zu lieben, als er 1997 in Rente ging. Seine Liebe zum Theater und zur Literatur hat er weiterhin außerhalb des Musentempels gepflegt, zum Beispiel mit der unter Kennern geschätzten Lesereihe "Pasch halb acht" oder als Vizepräsident der Meininger Theaterstiftung. Selbst bei den Mahnwachen für den Frieden wurde er vor kurzem noch gesichtet, im Rollstuhl. Mit Baskenmütze auf dem Kopf.
Wo aber ist er jetzt, nachdem er am vergangenen Freitag friedlich die Seiten gewechselt hat? Die Frage beantwortete er vor einigen Jahren selbst: Dort, wo das freundliche Wesen, das Georg II. geschaffen hat, immer noch durchs Theater schwebt. Vielleicht liefert er sich in den einsamen Winkeln des Dachbodens mit dem inspirierenden Hausgeist und den Seelen der verstorbenen Meininger Theatermenschen die schönsten Wortgefechte. Man kann sie erlauschen, wenn im Hause Stille eingekehrt ist. Zumindest im dritten Rang.